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Vom Planer zum obersten Kriegsherrn

Die Vorstellungen von Philipp M. Breedlove, dem NATO-Oberbefehlshaber in Europa

Von Ulrich Sander, Bernhard Trautvetter *

Wir dokumentieren im Folgenden Auszüge eines Beitrags von Ulrich Sander und Bernhard Trautvetter für die Website der VVN-BdA in Nordrhein-Westfalen und folgen dabei der "jungen Welt".

Jahr für Jahr hält das Joint Air Power Competence Centre (JAPCC; Gemeinsames Luftmacht-Kompetenzzentrum) in Kalkar am Niederrhein Tagungen mit Titeln wie »Warfare in the 21st century« (Kriegsführung im 21. Jahrhundert) ab. Sie wurden bisher vom jetzigen Oberkommandierenden der NATO in Europa, US-Luftwaffengeneral Philipp M. Breedlove geleitet. Die Planungsarbeit der NATO in Kalkar ist das eine – die operative Einsatzarbeit rund um die Uhr das andere. Auch diese hat Breedlove konzipiert. Eurofighter sind ständig in der Luft; sie werden vom NATO-Luftkommando Kalkar/Uedem gelenkt und haben die Aufgabe, »verdächtige« Flugzeuge abzuschrecken oder zum Absturz zu bringen. Der Standort ist das Gegenstück zu Ramstein, die Basis spielt für die USA unter anderem im Drohnenkrieg eine große Rolle.

Viele Kompetenzen Ramsteins wird künftig Kalkar/Uedem ausführen. Ramstein gilt laut FR online (4. April 2014) als die »Schnittstelle für Planung und Steuerung der völkerrechtlich umstrittenen Luftangriffe in Pakistan, Jemen und anderen Ländern«. In Kalkar/Uedem befindet sich das Weltraumlagezentrum für die Datenübermittlung und -verarbeitung. Zusätzlich liegt die NATO-Verantwortung für den Luftraum nördlich der Alpen in Kalkar/Uedem. Schon jetzt brüstet man sich damit, einen Radius bis zum Baltikum abzudecken, große Teile Russlands eingeschlossen.

Im November 2014 fand das letzte von Breedlove geleitete NATO-Spitzentreffen des Kalkarer JAPCC statt. Im Tagungsmaterial ist zu lesen: »Die zwei Jahrzehnte überdauernde Annahme, dass es in Europa keinen Ausgangspunkt für einen größeren Krieg gebe, ist einigermaßen zweifelhaft.« Das heißt: Der Krieg ist möglich, schon bald, und die NATO sieht sich als Sieger. Im Jahr zuvor befasste sich Breedloves JAPCC-Konferenz mit einem Papier «Improving NATO Support to Future Air Advisor Operations« worin es heißt: »Reines Militär reicht nicht. Ein ganzes Spektrum von militärischen, paramilitärischen und zivilen Aktionen muss einbezogen werden, um Erfolg zu haben.« Es liest sich wie die NATO-Blaupause der Kampfführung in der Ukraine.

Wer ist dieser Philipp M. Breedlove, der die Kriegstreiber im Pentagon und in Washington so begeisterte, dass sie ihn zum obersten Chef des NATO-Militärs in Europa machten? Laut Wikipedia wurde er erst 2011 General, war vorher »Fluglehrer«. Im April 2014 stieg er dann bereits zum »Kommandeur des amerikanischen Europakommandos mit Sitz in Stuttgart (Eucom) und Oberbefehlshaber für NATO-Operationen (Saceur)« auf.

Die NATO unter Breedlove veranstaltet kontinuierlich Manöver mit großer Streitmacht an russischen Grenzen: im Baltikum, in Norwegen, Polen, im Schwarzen Meer. Der Oberbefehlshaber Breedlove stolzierte im Kampfanzug durch die NATO-Zentrale in Brüssel und in ordensgeschmückter Uniform durch Kiew. Auf der sogenannten Münchner Sicherheitskonferenz trommelte er für die »militärische Option« in der Ukraine, für Waffenlieferungen und mehr. In der Ukraine sicherte er der Kiewer Führung die Unterstützung des westlichen Militärbündnisses zu. Kritik an seiner scharfmacherischen Rolle und seinem Waffengeklirr weist er kühl zurück: Es sei erwartbar, dass die Einschätzung des NATO-Geheimdienstzentrums, auf das er sich stützt, nicht immer zu den Einschätzungen einzelner Nationen passten.

Die NATO-Führung weiß, mit welchem Risiko sie spielt, hat sie doch die Ukraine laut tagesschau.de vom 28. Mai 2014 dabei beraten, wie mit Atomanlagen im Kriegsfall umzugehen sei. In der Ukraine liegt nicht nur Tschernobyl. 15 weitere Anlagen, darunter das größte AKW Europas, befinden sich im Land. Ausgerechnet dort für den Krieg zu beraten, heißt, das Sterben in mindestens einem Großteil Europas in Form eines nuklearen Infernos wissentlich in Kauf zu nehmen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 1. April 2015


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