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"Schnöggersburg" stoppt A14

Militärische Geheimniskrämerei bei der Aufrüstung eines Truppenübungsplatzes verzögert Bau einer Autobahnverlängerung in Sachsen-Anhalt

Von Susan Bonath *

Das Militär operiert am liebsten geheim. Auch über Einzelheiten zur Kriegsübungsstadt »Schnöggersburg«, die derzeit im Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark im Norden Sachsen-Anhalts entsteht, redete das Bundesverteidigungsministerium bisher nicht besonders freimütig. Das fällt dem CDU-Verkehrsminister des Landes, Thomas Webel, jetzt auf die Füße. Denn ein elfeinhalb Kilometer langer Abschnitt der geplanten Nordverlängerung der Autobahn A14, die Magdeburg und Schwerin verbinden soll, würde nämlich dicht an dem Militärareal vorbeiführen. Solange aber nicht klar ist, wie sich künftige Bundeswehrübungen, wie etwa Tiefflüge, auf die neue Infrastruktur auswirken, darf die Trasse zwischen den Orten Colbitz und Dolle nicht weitergebaut werden. Neue Pläne müssen her, die das Manövergelände einbeziehen. Dies aber werde den Autobahnbau um mindestens ein Jahr verzögern, sagte Webel dem MDR.

Hintergrund ist eine Klage des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Die Umweltschützer befürchten, daß durch die unmittelbare Nachbarschaft von Truppenübungsplatz und Autobahn die als europäisches Vogelschutzgebiet ausgewiesene Colbitz-Letzlinger Heide bedroht würde. Dies habe das Land nicht ausreichend bedacht. Dabei beriefen sich die Kläger auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Frühjahr dieses Jahres, wonach militärische Anlagen und Operationen, wie eben Tiefflüge, in die Pläne für Infrastruktur einbezogen werden müssen. Die Richter forderten daraufhin das Land Sachsen-Anhalt auf, zu untersuchen, ob von der Bundeswehr zusätzliche Beeinträchtigungen ausgehen würden.

Die Ergebnisse der Analysen soll das Land dem Bundesverwaltungsgericht bis zur nächsten Verhandlung am 11. Dezember vorlegen. Damit dürfte aber kaum zu rechnen sein. Denn die neuen juristischen Auflagen stellten sein Ministerium vor »ein ganz großes Problem«, räumte Thomas Webel Ende letzter Woche gegenüber dem MDR ein. Demnach plagen den CDU-Politiker zwei Sorgen: Zum einen zeige sich das Bundesverteidigungsministerium wenig kooperativ. Besonders die Unterlagen zu Tiefflügen unterlägen der militärischen Geheimhaltung, erklärte Webel. Zum anderen verfüge der Minister über zu wenig Personal für notwendige weitere Planfeststellungen. Derzeit seien 16 Mitarbeiter damit beschäftigt. Webel benötige aber 38 zusätzliche Planer, die er für die kommenden fünf Jahre befristet einstellen wolle, erklärte er. Geschehe dies nicht, sei das Ziel gefährdet, die Nordverlängerung bis 2020 fertigzustellen.

Die sachsen-anhaltische Opposition aus Linken und Grünen lehnt die Beschäftigung weiterer Mitarbeiter ab, zumal das Land beim Personal sparen wolle. Mehrfach hatten beide Fraktionen in der Vergangenheit vor ökologischen und finanziellen Problemen bei der A-14-Planung gewarnt und gefordert, Alternativen zu prüfen. So sollten statt einer neuen Autobahn bestehende Bundesstraßen ausgebaut werden, wie es ein vom BUND erstelltes und im September veröffentlichtes Konzept darlegt. Die Landesregierung habe jene Stimmen, »die seit Jahren auf den Zusammenhang zwischen Militärstadt und A-14-Bau hinweisen«, stets übergangen, kritisierte die Linke am Wochenende.

Seit das »Projekt Schnöggersburg« im Mai 2012 öffentlich bekannt wurde, rügte die Linke immer wieder die »Geheimniskrämerei« der Bundeswehr. Auch die Landesbehörden verweigerten systematisch Einblick in entsprechende Papiere, erklärte die Fraktion im August. Zu Jahresbeginn hatten sich zudem die Grünen bei der EU-Kommission über den mit über 100 Millionen Euro veranschlagten Bau beschwert. In einer ersten Antwort teilte die Behörde die Ansicht der Fraktion. Das Land habe den Vogelschutz nach EU-Recht mißachtet und Genehmigungen zu Unrecht erteilt, schrieb die Kommission im August. Dennoch baut die Bundeswehr weiter an der 6,5 Quadratkilometer großen Geistermetropole, die nach westlichem Muster Industrie-, Wohn- und Elendsviertel, U-Bahn und Flugplatz in sich vereinen soll. »Daß nun ausgerechnet das hochgelobte Schnöggersburg dem Lieblingskind der Landesregierung, der A-14-Verlängerung, ein Stoppzeichen setzt, grenzt an einen Treppenwitz«, brachte es die Linke in einer Mitteilung auf den Punkt.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 29. Oktober 2013


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