Tausende gegen Münchener Sicherheitskonferenz
Vorbemerkung:
Es gehört auch zur Geschichte der Münchner "Sicherheitskonferenz", dass die Veranstaltung selbst in den Medien hochgejubelt und der Protest dagegen klein geschrieben wird. Auch dieses Mal gibt es diesen nicht nachzuvollziehenden Widerspruch zwischen Zahlen, welche die Polizei, und jenen, welche von der Demonstrationsleitung bekanntgegeben werden. Dieses Mal war eine gewisse Annäherung zu verspüren. Von 3.000 sprach die Demo-Leitung, 2.500 waren es nach "Zählung" der Polizei. Diese Zahl wurde denn auch in den Münchner Zeitungen verbreitet (Süddeutsche und Abendzeitung). Die "Welt" überraschte hingegen mit der Angabe, es seien nur 850 gewesen. Ob sich der Korrespondent da vertan hat und die ca. 500 Teilnehmer bei der Jubel-Kundgebung für Klitschko im Blick hatte (deren Zahl durfte ja durchaus etwas hochgepusht werden)?
Mehrere Tausend Menschen demonstrierten am gestrigen Samstag in der Münchner Innenstadt gegen die gleichzeitig stattfindende 50. Münchener Sicherheitskonferenz. Dass die Teilnehmerzahl die Erwartungen deutlich übertraf, dürfte auch an der von Bundespräsident Joachim Gauck zur Eröffnung der »Sicherheitskonferenz« gehaltenen
Rede "über die Rolle Deutschlands in der Welt" liegen. Er forderte eine Ende der Zurückhaltung und ein verstärktes außenpolitisches und militärisches Engagement Deutschlands in der Welt. Während im Hotel Bayerischer Hof die Mächtigen dieser Welt über Strategien zur Aufrechterhaltung ihrer globalen Vorherrschaft berieten, hieß es auf der Straße lautstark: "50 mal Siko – 50 mal zuviel! Kein Frieden mit der Nato!"
Ungefähr 4.000 Menschen waren dem Aufruf des Bündnisses »Gegen die Nato-Sicherheitskonferenz« gefolgt und demonstrierten mehrere Stunden durch die Münchner Innenstadt. Die Bitte des Bündnisses, "mit aussagekräftigenalt, einfallsreichen und eindringlichen Darstellungen, Performances, musikalischen, satirischen und anderen künstlerischen Mitteln" die Heuchelei der NATO als Heilsbringer für »Freiheit, Humanität und Menschenrechte« zu entlarven, war auf fruchtbaren Bodengefallen. So wurde z.B. im Block der DKP und der Europäischen Linken in einer »Blutspur der Nato« 50 Jahre Sicherheitskonferenz – 50 Jahre imperialistische Kriege anschaulich dargestellt. Der Sicherheitskonferenz wurden zu ihrem 50. Jubiläum »Geburtstorten«, geschmückt mit Handfeuerwaffen, Granaten, Drohnen und anderen Rüstungsgütern, überbracht.
Na sowas!
"Im Vorfeld hatte die Polizei mit rund 400 potenziell gewalttätige Teilnehmern gerechnet, gestern wurde noch von maximal 250 gesprochen – und auch die waren zahm geblieben. 'So entspannt wie dieses Mal war der Protest noch nie', freute sich Kopp [Robert Kopp, Polizeivizepräsident, Anm: AGF]. Ein Grund sei auch das schöne Wetter gewesen. 'Da sind die Leute friedlicher', so Kopp."
(Aus: Münchner Abendzeitung, 3. Januar 2014)
Ein Demoblock von Amnesty International forderte auf Transparenten Obama solle seinen Friedensnobelpreis an Bradley Manning und Edward Snowden weiterreichen und „Die US-Verbrechen gehen weiter – Guantanamo sofort schließen“. attac kam mit einem riesigen Rüstungsdrachen, Sambagruppen gingen im Zug mit und Lautsprecherwagen der Partei DIE LINKE, eines Jugendblocks, des internationalistischen Blocks oder von Verdi machten die Demo unüberhörbar und unübersehbar.
DFG/VK, die ÖDP, Paaltx Christi oder das Munic American Peace Comittee waren ebenso vertreten wie türkische und kurdische Gruppen. (siehe Fotostrecke unten)
Parallel zur Route der Demonstration zogen 80 DemonstrantInnen in einer »Picket-Line« durch die Münchner Fußgängerzone. Mit großen Pappkasten auf dem Kopf thematisierten sie die schreienden Ungerechtigkeiten des globalen Kapitalismus und prangerten Abschottung, Militarisierung und Krieg an. Bei der Kundgebung auf dem Münchener Marienplatz sprachen Tobias Pflüger (Informationsstelle Militarisierung IMI) und Sabine Leidig (MdB, DIE LINKE). Die Münchner Kabarettisten Ecco Meineke, Ludovici und Andrea Limmer gestalteten zusammen mit der Bayernrockgruppe „die Ruam“ (Die Rüben) einen humorvollen und bissigen Abschluss der Kundgebung auf dem Marienplatz.
Die Rede von Bundespräsident
Joachim Gauck zur Eröffnung der Sicherheitskonferenz hatte wohl bei nicht Wenigen den letzten Anstoß gegeben, um trotz der Kälte zur Demo zu kommen. Gauck unterstützt die altBundesregierung dabei, eine Neuausrichtung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik voranzutreiben, die bei großen Teilen der Bevölkerung auf Ablehnung stößt.
Die Skepsis der Öffentlichkeit – nicht nur der deutschen, auch der in anderen europäischen Staaten oder in den USA – gegenüber militärischen Interventionen ist ausgeprägt. Der Bundespräsident,
Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin
Ursula von der Leyen erklärten unisono, dass Deutschland künftig eine prominentere Rolle im internationalen Krisenmanagement einnehmen und bei Militäreinsätzen nicht abseitsstehen werde. Unter die »Kultur der militärischen Zurückhaltung« (der frühere Außenminister Guido Westerwelle) wird ein Schlussstrich gezogen.
* Quelle: http://www.kommunisten.eu
"Ja, es gibt Alternativen zu Krieg. Ja, es gibt Alternativen zur systematischen Zerstörung von Natur und Zusammenleben"
Von Wolfgang Blaschka **
Liebe Friedensfreunde, liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner,
liebe Münchnerinnen und Münchner, liebe Gäste in unserer Stadt,
ganz besonders jene, die von weither angereist sind, um an dieser Antikriegs-Demonstration gegen die SiKo teilzunehmen.
Ausdrücklich nicht meine ich mit diesem Willkommensgruß jene 350 - 400 Gipfel-Touristen, die sich da drüben, kaum 500 Meter Luftlinie von hier entfernt, in dem Viertel der Altstadt um das Nobelhotel Bayerischer Hof eingeigelt haben unter massivem Polizeischutz, bewacht von Scharfschützen und (grundgesetzwidrigerweise) auch von Bundeswehr-Soldaten, die im Inneren des Landes nichts zu suchen haben sollten außerhalb ihrer Kasernen.
Die heißen wir ausdrücklich nicht willkommen, sie sind unerwünscht, nicht nur hier in München, sondern überall auf der Welt, wo Menschen leben wollen. Leben – und nicht sterben oder gerade so um die Runden kommen für die Profite der großen Banken und Konzerne. Die sind es, die letztlich immer an den Kriegen verdienen: Die Holdings, die großen Fonds, die Versicherungen mit ihren riesigen Anlagevermögen. Allianz, Commerzbank, Deutsche Bank, Linde AG und wie sie alle heißen, nicht zu vergessen die Rüstungsindustrie, die bei der SiKo gern gesehene Gäste und Sponsoren sind.
Deren bewaffneter Arm ist die NATO. Mit ihr geht es schnurstracks in den nächsten Krieg. Von hier aus wird er jeweils propagiert. Die Blutspur der NATO-Staaten zieht sich, wie wir hier augenfällig demonstriert bekommen, von Vietnam über Jugoslawien, vom Irak über Libyen, von Somalia bis nach Mali. Afrika wird auf dieser Kriegskonferenz wohl als nächste Etappe benannt werden, das ist abzusehen. Zur Hölle also mit dieser NATO, bevor sie uns alle da hinführt! Mit ihr gibt es keinen Frieden.
Die NATO-Kriegselite trifft sich hier zum 50. Mal, um zu beraten, wie sie die Welt in den Griff ihrer kapitalistischen Gleichschaltung bekommen kann, wie sie Länder, die nicht nach ihrer Pfeife tanzen, willfährig machen kann – wenn es sein muss – mit militärischer Gewalt, Putsch, „Regime-Wechsel“, wie es in Neusprech heißt.
Wo immer eine Regierung sich ihnen und ihrer Weltordung verweigert, wird sie erst zum „Regime“ deklassiert, dann erpresst, mit Sanktionen in die Enge gedrängt oder, wenn alles nichts hilft, weggebombt. So ging das seit 1999 reihenweise. Selbst der große Vitali Klitschko geht vor der Nordatlantischen Terrororganisation freiwillig in die Knie und tanzt hier an – sein niederschmetterndster KO!
Doch im letzten Jahr, 2013 hatten sie plötzlich Schwierigkeiten, ihre aggressive Erpressungspolitik gegenüber dem bürgerkriegs-gebeutelten Syrien zu legitimieren. Selbst die Abgeordneten gingen ihnen von der Fahne. Zum erstenmal seit 1782 verweigerte das britische Unterhaus einem Premierminister die Gefolgschaft in den Krieg, und auch das US-Repräsentantenhaus wurde wankelmütig.
Nicht zuletzt mit Blick auf bevorstehende Wahlen waren die Parlamentarier nicht bereit, Obamas, Camerons und Hollandes rücksichtslosen Angriffskurs mitzutragen, denn Zweidrittel bis Dreiviertel der Bevölkerung waren in Europa und auch in den USA gegen einen neuerlichen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Das war mittelbar auch der unermüdlichen weltweiten Friedensbewegung zuzuschreiben.
Als deren Teil stehen wir heute hier. Und wir denken dabei auch an das Taksim-Bündnis und an die Blockupy-Bewegung und an die vielen Menschen und Bewegungen, die sagen: Ja, es gibt Alternativen zu Krieg. Ja, es gibt Alternativen zur systematischen Zerstörung von Natur und Zusammenleben. Es gibt Alternativen zur Menschenfresserkultur des Immermehr für immer weniger.
Nicht dass wir so mächtig wären, aber steter Tropfen höhlt den Stein: Die Menschen in den Zentren der Macht sind müde vom Terrorkrieg, der von George W. Bush auf hundert Jahre angelegt war. Ein kleiner Hoffnungs-Schimmer immerhin.
Nicht auszumalen, wie Europa heute aussähe, wäre der Erste Weltkrieg, der vor hundert Jahren begann, gerade erst zu Ende gegangen! Der Kontinent wäre verwüstet und verheert, wie es heute in jenen Ländern zu besichtigen ist, die die NATO heimgesucht hat: Kaputte Infrastruktur, Elend, Not und Tod, und Millionen von Kriegsflüchtlingen.
In München sind gerade einmal etwas über 9000 Asylbewerber, vornehmlich aus Kriegs-und Krisen-Gebieten. Die Meisten stammen aus Afghanistan, Irak, Pakistan und Somalia. Von überall dort, wo die Kriegsministerin künftig auch mit deutschen Drohnen präsent sein will, leyenweise als familienfreundliches Unternehmen getarnt, mit Kinder-Spielplätzen neben dem Exerzierplatz, zur frühzeitigen Rekrutierung von inzwischen auch minderjährigem Nachwuchs. Der soll jetzt schon mit 17 an die Waffe dürfen – zur Verjüngung des Tötungsapparats.
Die USA führen von Stuttgart-Möhringen und Bitburg aus einen hinterhältigen Drohnenkrieg in Afrika. Genau dorthin möchten Steinmeier und die Kriegsgärtnerin jetzt auch die Bundeswehr schicken zum Uran- und Coltan-Nachschub sichern, nachdem in Afghanistan die Truppen reduziert, aber längst noch nicht vollständig abgezogen werden, wie großspurig angekündigt – wieder mal so eine dreiste Kriegslüge!
Denn wenn Militärs von „Abzug“ sprechen, meinen sie den am Gewehrlauf. Wir sagen zu diesen Umzugsplänen: Nein. Nein zum Afrika-Einsatz! Schluss mit vorsätzlich extralegalen, heimtückischen Morden
von deutschem Boden aus!
Als 1962 die unselige Tradition der Kriegskonferenzen in München begann als Wehrkundetagung, also mit allem anderen als dem Vorsatz, friedliche Konfliktlösungsmodelle zu suchen – die wären ja geradezu
geschäftsschädigend gewesen –, hatte West-Deutschland gerade erst wieder aufgerüstet, gegen starken Widerstand aus der Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Heute ist das im Windschatten der USA größer gewordene Deutschland Drehscheibe und unverzichtbare Nachschubbasis für die weltweiten Kriege der NATO. Vor den Gegnern dieser Wiederaufrüstung hatten sie
damals schon Angst, die Kriegstreiber, Sicherheitspolitiker, Generäle und Rüstungs-Lobbyisten.
Daher verboten sie die KPD, die konsequent gegen die Remili-tarisierung kämpfte. Daher machten sie die Notstandsgesetze, die die Demokratie über Nacht auf Sonderurlaub schicken kann, falls das Volk rebellisch
wird. Daher lassen sie heute in Militärübungs-Modellstädten zum Häuserkampf trainieren für die Aufstandsbekämpfung. Dafür wurde kürzlich auch das letzte Occupy-Camp in Hamburg geräumt.
Aber die Vernunft lässt sich nicht verbieten, die Friedenssehnsucht ebensowenig wie die Vision von einer gerechten Wirtschaftsordnung für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Da helfen weder
Atombomben noch Räumpanzer auf Dauer. Die Sicherheit des großen Geldes gefährden sie schon selber, durch Krisen, Kriege, Katastrophen, durch Fehlspekulationen und Staatspleiten. Ihre Sicherheit ist keine für
uns, im Gegenteil. Denn ohne Gerechtigkeit wird es keinen Frieden geben. No justice – no peace.
Demonstrieren wir heute entschlossen, lautstark und phantasievoll gegen diese Sorte von „Sicherheit“, die am Ende Jedem und Jeder die letzten Reste Freiheit kostet, die letzten privaten Räume und die letzten
Bürgerrechte, am Ende schließlich Gesundheit und Leben.
Unter dem Vorwand des Terrorkrieges spionieren sie die ganze Welt aus, schnüffeln die Geheimdienste der Five Eyes in unseren E-Mails, auch die deutschen, und die Kanzlerin sorgt sich lediglich um Industriespionage und ihr Handy-Gewäsch. – Welch bodenlose Heuchelei angesichts der willigen Kollaboration des BND mit der NSA!
Doch kann ich durchaus verraten, ganz unter uns, was in meinen Mails in der letzten Zeit so geschrieben stand: Haut ab, ihr Kriegstreiber! Weg mit der SiKo! Bundeswehr auflösen! – Und: Raus aus der NATO! –
Ziehen wir also los gegen diese 50. Militärtagung, die wir jetzt dann umrunden und einkreisen werden, um deutlich zu machen: 50 mal SiKo war schon 50 mal zuviel!
** Rede am 1. Februar 2014 auf dem Münchner Marienplatz für das Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz
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