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"Das ist soviel wie Senf, vermischt mit Pudding. Beides zusammen ist zum Kotzen"

Rede von Eugen Drewermann auf der Friedenskundgebung gegen die Münchner "Sicherheitskonferenz"


Im Folgenden dokumentieren wir die mit großer Auferksamkeit und viel Beifall aufgenommene Rede von Eugen Drewermann auf dem Münchner Marienplatz am 5. Februar 2011. Anlass waren die Proteste gegen die sog. "Sicherheitskonferenz", die zur gleichen Zeit im Bayerischen Hof stattfand. Es handelt sich bei dem folgenden Text um die Abschrift der frei gehaltenen Rede.
Neben Drewermann sprachen noch Walter Listl und Sevim Dagdelen (MdB). Deren Reden sind hier dokumentiert.


Eugen Drewermann

München, 5. Februar 2011

Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens,
liebe Bürgerinnen und Bürger,

wir stehen hier auf dem Marienplatz in München, weil im Reichstag in Berlin und im Bayerischen Hof Volksvertreter sitzen, die das Volk nicht vertreten, indem sie ihr Plädoyer für den Krieg abgeben, während 70 Prozent des deutschen Volkes nach zehn Jahren des Mordens kein anderes Votum hat, als 'Raus aus Afghanistan'. Das ist es, was wir heute Nachmittag den Herren Ischinger und Co. zu sagen haben: „Raus aus Afghanistan, raus aus der NATO, Schluss mit dem neokolonialen Militarismus und endlich ein Anfang wirklicher Friedenspolitik.“

Der Krieg in Afghanistan hat begonnen mit einer Lüge und er wird fortgeführt mit einer Lüge. Angeblich war er nötig in unbedingter Solidarität mit den Vereinigten Staaten von Amerika als Antwort auf den 11. September 2001. Jeder weiß, dass die Sicherheit Europas oder Amerikas nicht von den Afghanen bedroht wird. Seit mehr als 2.000 Jahren ist von diesem Gelände kein Krieg in irgendeiner Richtung ausgegangen. Stattdessen aber hat Afghanistan seit dem 19. Jahrhundert 5 Kriege durch europäische Mächte erlebt, drei durch die Briten, einer durch die Sowjetunion - angeheizt von den Amerikanern, von Brzezinski – und nun höchstpersönlich durch die Amerikaner selber. Um die Sowjets zu vertreiben, baute man als Verbündete die Gotteskrieger von Al-Quaida auf, inthronisierte man die Taliban. Und sie wären heute noch die Verbündeten der US-Amerikaner, hätten sie im Juli 2001 bei der Konferenz in Bonn dem Plan zum Bau von zwei Pipelines durch Afghanistan zugestimmt. Das haben sie nicht. Sie haben die schlimmste aller Sünden begangen, sich zu wehren gegenüber dem Industriekapital und der Erdölgier von God's own Country.

Tatsächlich hat schon Bundeskanzler Schröder damit angefangen und der baronesque Kriegsminister Guttenberg ist nach vieler Lügerei in diesem Punkte plötzlich ehrlich. Sicherheit ist nicht mehr der Schutz der deutschen Bürger im In- und Ausland, Sicherheit ist der Schutz unserer Finanz- und Wirtschaftsinteressen. Dafür zu morden, dafür zu sterben ist unwürdig eines jeden Menschen. Der verlogen begründete Krieg wird verlogen weitergeführt. Immer noch wird sogar im Bundestagerzählt, dass wir ja doch dabei sind Brücken zu bauen, Brunnen zu bauen, Krankenhäuser zu bauen, Schulen zu bauen. Bitte schön – das könnten wir. Und täten wir seit zehn Jahren nur dies, Afghanistan wäre ein Paradies des Friedens. Alle Hilfsorganisationen erklären, dass sie gerne weitermachen würden, aber – ohne Militär. Es ist nicht möglich, nach der vernetzten Strategie von Frau Merkel, Krieg und Frieden gleichermaßen zu haben. Das ist soviel, wie Senf vermischt mit Pudding. Beides zusammen ist zum Kotzen und das ist die Politik, die wir jetzt haben.

Rechnen Sie's nur simpel vor! 300 Milliarden Dollar ist in zehn Jahren alleine der US-Regierung der Krieg in Afghanistan wert gewesen. Rechnen Sie es um auf ca. 15 Mio. afghanische Einwohner! Was könnte diesen Menschen an Gutem geschehen sein, hätten wir nur den verdammten Krieg vermieden, und nicht die Menschlichkeit nur zum Vorwand der Inhumanität genommen. Hätten wir getan, was wir zu tun vorgeben – in Ehrlichkeit und Wahrheit! Dass das nicht möglich war, ist der Verrat.

Es wird erklärt, dass wir nicht raus könnten aus Afghanistan, ohne nochmal richtig rein zu gehen nach Afghanistan – so, wie Richard Nixon noch einmal bei der Weihnachtsoffensive 1972 richtig nach Vietnam rein ging, um endlich daraus zu verschwinden. Wir hätten Verantwortung, dass Afghanistan nicht in einem Bürgerkrieg zerfällt. Wir sind längst keine schlichtende Partei mehr, weil wir selbst Partei geworden sind. Selbst Herrn Ischinger hörte ich sagen, dass Frieden in Afghanistan vermittelt werden müsste. Das kann nicht geschehen durch Deutsche und US-Amerikaner – sie sind Kriegspartei. Vermitteln aber könnten beispielsweise die Chinesen – ein Alptraum der amerikanischen Außenpolitik. Denn dies ist die Wahrheit: der Krieg in Afghanistan wird geführt für die beiden Erdölpipelines und um den Fuß in die Tür zwischen Indien und China zu bekommen, reinweg aus geostrategischen Gründen. Weltmachtansprüche verdienen aber nicht den fortgesetzten Mord von Menschen. Allenfalls diplomatisch mag man sich beliebt machen, zum Beispiel in Pakistan. Frau Clinton aber hier im bayerischen Hof hat nichts weiter zu erklären, als dass man in Pakistan im Swat-Tal weiter Krieg führen muss gegen Al-Quaida. Nicht einmal 2 Milliarden Dollar waren möglich, um die riesigen Flutopfer der Indus- Überschwemmung aufzufangen, aber 300 Milliarden für Krieg im Nachbarland. Bei solchen Proportionen macht man sich nicht beliebt, sondern verhasst – und das mit Grund bei jedem Fühlenden. Wir haben da nichts zu suchen – das ist die Wahrheit.

Also sagen wir: „Raus aus Afghanistan – heute eher, denn morgen“. Denn es ist zu spät, wenn wir es morgen tun. Jeder Tag länger kostet Menschenleben. Will man allen Ernstes sagen: „Wenn es denn soweit ist und die Umstände es erlauben“ - Originalzitat, sogar von Herrn Guttenberg – dann werden wir abziehen? Mag sein, dass im Jahre 2014 irgendwann ein Abzugstermin dämmert. Aber wollen wir über dem blutbeschmierten Teppich von Tausenden von Menschenleichen am Ende so tun, wie wenn wir einen ungewinnbaren Krieg denn doch gewonnen hätten? Dieser Krieg ist ein Verbrechen und er ist nicht zu gewinnen. Das ist die Wahrheit.

Inzwischen überstrapaziert man sogar die bestens ausgebildeten und ausgerüsteten Soldaten. Die US-Armee leidet an den Kriegen in Afghanistan und im Irak, inzwischen hat sie mehr als 200.000 GIs leidend an posttraumatischem stress-disorder. Sie laufen aus dem Ruder, sie sitzen zu Hause und sie geben die Planquadratangaben an die US-Airforce weiter zum Bombardement auf ihre eigenen Stellungen. Das ist der Kochtopf ihrer Hausfrauen. Sie leben in einer permanenten Paranoia. Sie sind gefährlich für ihre Umgebung. Sie wissen nicht mehr, was sie tun, und sie brauchen dringend psychiatrische Hilfe. Weil das so ist, geht man über zum Massenmord in rein technisierter Form. Obama hat den Krieg der Predator-Drohnen endlos ausgedehnt. Und dann belügt man uns, indem man erläutert, dass bei Kundus vielleicht ein Unfall, irgendein Fehler bei der Nachrichteninformation geschehen sei. Was Guttenberg bis heute leugnet, steckt wahrscheinlich dahinter. Die Bundeswehr ist in Afghanistan längst dabei, zu tun, was die Amerikaner seit langem machen: gezieltes Töten. Und Kundus war wahrscheinlich deshalb 'angemessen' – in der Sprache von Herrn Guttenberg - weil es um die Neutralisierung von Abdel Rahman ging, einem hoch gestellten Talibanführer. Dann war es angemessen: 140 Tote nebenher, 'kolateral damage'. Wer sich an diese Denkungsart gewöhnt, hat aufgehört, ein Mensch zu sein, – Herr Guttenberg! Und er sollte nicht so tun, als wenn er Humanität verteidigt.

Nächst dem „Raus aus Afghanistan“, sagen wir „Raus aus der NATO“. Sie hat genauso begonnen mit einer Lüge, nämlich, dass es nötig wäre, die Bundesrepublik- West zu verteidigen gegen den Sowjetimperialismus. Deutschland unter Adenauer hätte genauso neutral bleiben können, wie die Österreicher. Aber die Amerikaner wollten ein Aufmarschgebiet gegen den Ostblock, möglichst bis dicht an seine Westgrenze. Und das hatten wir mitzumachen, indem wir stramm standen. Aber man erzählte den Soldaten, wir würden all das Grauenhafte im Krieg nur lernen müssen, um es zu verhindern. Wären wir grässlich und abschreckend genug, würde niemand wagen, uns anzugreifen. Es war eine Zeit, als wir uns Regierungsbeamte hielten vom Formate Harry Trumans, der in seinem Tagebuch nachrechnete, wie viele Atombomben man braucht, um die Sowjetunion auszuschalten: zwei auf Petersburg, drei auf Moskau, vier auf Wladiwostok, fünf auf Magnitogorsk, und so weiter. Leute, die mit dem Atomkrieg Siege vorbereiten, haben einen Sprung in der Schüssel. Sie sind keine Demokraten, sie sind potenzielle Massenmörder.

Und ihre Macht hat noch lange nicht aufgehört. Selbst gegen den Wunsch von Herrn Westerwelle sind wir außerstande, die restlichen zwanzig Atomwaffen hier von Deutschland endlich zu entfernen. Wir haben sogar bei den Trägerwaffen zu funktionieren, damit sie einsatzbereit bleiben. Und Frau Clinton soll nicht so tun, als wären die Start-Verträge ein Fortschritt in Sachen Frieden. Wir hätten bei dem moralischen Splitting 'Wir werden Soldaten, um niemals Soldaten sein zu müssen' spätestens 1989 eine glänzende Chance gehabt, den ganzen Spuk zu beenden. Es war das dritte Mal, dass ein Russe den Westdeutschen vorschlug, zum Preis für die Wiedervereinigung aus der NATO auszutreten und mit dem Zusammenbrechen des Warschauer Paktes gleichermaßen die Aufrüstung der NATO zu beenden.

Stellen Sie sich vor, wir hätten seit 1989 einen entmilitarisierten Korridor vom Ural bis zum Atlantik. Wir hätten gewaltige Summen für Rüstung in Forschung und Wissenschaft, in Wirtschaft und Menschlichkeit frei für die Bekämpfung der wirklichen Ursachen der Kriege. Wenn ihr schon nicht auf uns hört im Bayerischen Hof, dann hört zumindest auf euch selber, zum Beispiel auf Herrn Ban Ki-Moon. Der hat heute morgen genau das gesagt: wir sollten uns kümmern um die Gründe der Kriege: Ungerechtigkeit und Hunger. Welche Möglichkeiten hätten wir außerhalb der NATO, genau das zu tun, was der UNO-Generalsekretär wünscht und will. Das sollte man hören in der Höhle von Herrn Ischinger.

Stattdessen erzählt man uns, wir hätten eine Verpflichtung zur Bündnistreue. Die NATO hat seit 1980 jede Treue zu sich selber gebrochen. Nicht einmal die Lüge, sie wäre eine Verteidigungsarmee hat irgendeinen Bestand. Sie ist ein aggressive Interventionsarmee weltweit geworden. Bush der Ältere will seit 1989 die Osterweiterung der NATO. Also ist sie dabei, die Ukraine zu spalten, Georgien zu spalten, Kirgistan zu spalten, mit den Terrorregimen in Usbekistan und Kasachstan zusammen zu arbeiten und den Aufmarsch gegen Afghanistan zu etablieren. Sie mischt sich überall ein, wo sie nichts verloren hat, in der permanenten Gier nach Erdöl, Bauxit, Uran und allem was sie meint, brauchen zu müssen für ihren Selbstbehalt. Uns gehört aber nicht die Welt, bloß weil wir behaupten, sie zu gebrauchen. Immer noch sollten wir die Menschen fragen, die dort wohnen, ob wir bei ihnen auch willkommen sind. Und dann sollten wir uns so aufführen, dass wir es würden.

Die Militarisierung der deutschen Außenpolitik, für die Herr Guttenberg als Schönling heute steht, ist von Grund auf verlogen, weil sie humanitär begründet wird, aber kapital-interessiert, militaristisch die Welt in ein einziges globalisiertes Schlachtfeld dabei ist zu verwandeln. Deutsche gehören da nicht hin.

Inzwischen stehen die uns Regierenden vor dem Dilemma, wo sie denn noch die Truppen her kriegen sollen, wenn immer mehr Leute lieber Zivildienst leisten wollen, als in Uniform Paraden abzunehmen. Also brauchen sie jetzt eine Berufsarmee. Unter dem Schwindel, alles würde billiger, wird natürlich alles teurer. Aber, Herr Guttenberg, das sagen wir Ihnen heute schon: so wie ich als Vegetarier dagegen bin, dass an der Peripherie jeder Großstadt Schlachthäuser stehen, so bin ich als Pazifist dagegen, dass an der Peripherie unserer Gesellschaft Berufsschlächter stehen im Alter von Zwanzigjährigen. Dies ist mit uns nicht zu machen, so schützt man nicht den Frieden.

Eben deshalb aber wenden wir uns vor allem an die Jugendlichen, die man verführen wird. Mit dem ganzen Aufgebot der Massenmedien, der Springer- Presse, der Bertelsmann-Stiftung, Ischingers und Co's, die alle die Partitur spielen 'Wir müssen Helden sein'. Sie werden in die Schulen kommen zu den 18-jährigen, in die Universitäten zu den 20-jährigen und ihnen erläutern, dass sie einmal für 1.000 bis 1.500 Euro Prämie pro Monat verdienstvoll tätig sein könnten für das Vaterland. Ihr werdet nicht verdienstvoll für das Vaterland sein, man macht euch zu bezahlten Auftragsmördern. Das ist, was man will und dem solltet ihr euch verweigern.

Eben deshalb sagen wir: Schluss mit dem gesamten neokolonialen Militarismus. Wir sagen es nicht allein aus politischen Gründen, sondern mehr noch aus humanen und psychologischen Gründen.

Die Ausrede kann nach zwei verlorenen Weltkriegen nicht länger sein, dass wir nicht gewusst hätten, was es bedeutet, Soldat zu sein. Angesichts des Massakers in My Lai zum Beispiel in den 1970er Jahren beschrieb Stanley Millgram in seinem Buch 'Über den Versuch Abraham' wie man beim Aufbau des Militärs buchstäblich eine Parallelgesellschaft erzieht. Nichts, was im bürgerlichen Leben Achtung hat, darf noch länger respektiert werden in Uniform und mit dem Stahlhelm über dem Kopf, der einmal hat selbständig denken können. Ab jetzt gilt die Unvernunft, 'im Gleichschritt marsch', 'die Augen links', alles zu uniformieren in sinnlosen Befehlen, nur damit die normale Kette menschlicher Einflussnahme ausgeschaltet wird. 1929 schrieb das Erich Maria Remarque bereits: „Wir haben nicht gedacht, dass sechs Wochen genügen würden, uns alles, was menschlich war in der Lektüre des Abendlandes von Platon bis Schopenhauer, abzugewöhnen, damit wir gehorsam würden einem ehemaligen Briefträger, nur weil er die richtigen Epauletten auf der Schulter hat. Wir waren vorbereitet, Helden zu werden, aber nicht, Zirkuspferde.“ Genau das werdet ihr beim Militär. „Befehl ist Befehl“, das wird man euch sagen. Und es gibt auf der ganzen Welt kein Militär, in dem man lernt, einen Befehl zu verweigern. Was eigentlich munkelt man herum, was Furchtbares auf der 'Gorch Fock' geschehen ist? Wie stellt man sich denn Kriegsausbildung vor, außer dass man die normalen Gefühle abschaltet, außer dass man rein hält, wo man rein halten soll, außer dass man tötet, was als Tötungsziel gerade ausgegeben wird, und dies mitleidlos. Es darf sich nicht mehr rückkoppeln über die Augen ins Gehirn. Es ist richtig, weil irgendeine Auftrag gebende Instanz es gesagt hat. Im Nürnberger Prozess war dies genau die Erklärung aller Nazi-Granden. Die Amerikaner heute könnten wissen, wie verbrecherisch es ist, mit dieser Ausrede durch Leben kommen zu wollen.

Aber nehmen Sie nur das Beispiel eines 'american heroe'. 1995, zum 50. Jahrestag des Bombenabwurfes über Hiroshima und Nagasaki befragte man den Bomberpiloten Sweeney, was in all den Jahrzehnten in ihm vorgegangen wäre. Er war damals noch nicht einmal 25 Jahre. Und er hat mehr Menschen mit eigenen Händen getötet, als jeder andere – 150.000 Menschen in wenigen Sekunden. Sweeney verbat sich auf RTL in der Sendung mit Günther Jauch damals die Frage: „Was soll das?“ Und er fügte hinzu: „Befehl ist Befehl! Jeder Soldat auf der Welt hätte das gleiche getan.“ Wo er recht hat, Mr. Sweeney, hat er recht. Dazu erzieht man Soldaten. Und eben deshalb gehören Soldaten verboten, weil sie die Verkörperung der exekutierten Unmenschlichkeit auf Befehl sind.

Hochbezahlte Berufsschlächter in Uniform sind nicht Bürger in Uniform, sie sind am Rande des Verbrecherischen konstitutiv, denn dafür braucht man sie. Glauben wir wirklich, dass die Väter aus dem sogenannten Zweiten Weltkrieg schlimmer wären, als die Jugendlichen heute? Ein kleines Beispiel: Gebirgsjäger – genau die Abteilung, bei der Herr Guttenberg selber einmal, wie er glaubt, 'gedient' hat. 1943 bekämpft man auf dem Peleponnes Partisanen. Und die Folge? Ein ganzes Dorf, Kalavrita, mit 400 Menschen, Frauen und Kindern wird hin gemäht. Ein Völkermord, weitgehend unbekannt geblieben, weil ja 'nur an Griechen', weil ja 'nur von der Wehrmacht', kein SS-Sonderkommando, nur ganz normaler Krieg der Wehrmacht, von der Adenauer später sagte: „Sie ist rein geblieben im Zweiten Weltkrieg.“ Hol's der Teufel, wenn das 'rein' ist.

Vor meinen Augen habe ich das Bild eines japanischen alten Mannes, dem die Tränen in den Augen stehen. Er entsinnt sich der Invasion in Nanking 1938. Er sagte: „Ich hätte es von mir selber nicht geglaubt. Sechs Wochen Militärausbildung. Da war eine Frau mit einem Kind auf dem Arm. Und ich, wie ich es gelernt habe, mit dem Bajonett in eine Melone, ich ...“ - Wenn das aus Menschen wird, aus ganz normalen Menschen, wie sie hier auf diesem Platze stehen, in sechs Wochen, und die kaiserliche Armee schickt einen triumphalen Ruf zum Himmel, um das Verbrechen in den Herzen von Menschen hunderttausendfach zu übertönen, darf das nicht, weil es eine grässliche Vergangenheit war, auch weiter im Schlachthof der Geschichte jetzt die Zukunft werden. Nicht mit Herrn Ischinger, nicht mit Herrn Guttenberg, nicht mit Frau Merkel, nicht mit Frau Clinton, nicht mit der ganzen Bagage.

Ich höre sagen: „Es ist unverantwortlich, den Krieg beendigen zu wollen – weil wir das Militär immer noch brauchen aus Gründen der Sicherheit.“ Das Militär ist die permanente Unsicherheit. Es schützt nicht die Menschlichkeit, es ist selber die Unmenschlichkeit. Es erringt nicht die Zukunft, es ist die verewigte Steinzeit. Das alles gehört abgeschafft. Wer aber sagt: „Das ist nicht möglich“, den müssen wir noch einmal setzen in den Bayerischen Hof. Da nämlich erklärt gerade Frau Merkel: „Es gibt eine rote Linie.“ „Die Würde eines jeden einzelnen Menschen ist unantastbar“, spricht sie. Wie kann sie dann Herrn Mubarak unterstützt haben, in dessen Land die Überstellung von 'Terrorverdächtigen' für die CIA zum Zwecke der Folter gang und gäbe war – zehn Jahre lang bereits, mit Wissen des Bundesnachrichtendienstes und seiner Beihilfe.

„Die Würde des Menschen!“ - Allerdings, jeder Soldat, den man zusammen kujoniert zum bloßen Befehlsempfänger, schändet seine eigene Würde. Es war mal das Prinzip der Moral, das Immanuel Kant sagte: „Kein Mensch ist zu betrachten als ein Mittel zum Zweck, sondern stets als ein Zweck an sich selber.“ Gilt dies, ist jedes Militär obsolet und inhuman. Soldat sein, bedeutet Zweck sein, eine Tötungsmaschine zu werden auf Befehl. Allein, um die Menschlichkeit der Zukunft zu erringen, müssen wir den Schlachthof der Geschichte ein für allemal verlassen. Und das können wir, weil es in der Logik der Geschichte liegt. Alle Konflikte wurden in den letzten sechs- bis achttausend Jahren damit gelöst, dass wir an die Peripherie Soldateska stellten, den Innenraum aber pazifizierten. Heute wissen wir, dass der ganze Globus unser Auftrag ist. Daraus folgt, dass es nur noch eine einzige soldatische Macht geben dürfte, unterstellt der UNO, die aufgehört haben müsste, die Spielbühne der USA zu sein, sondern wirklich das Organ der Vereinten Nationen. Es liefe darauf hinaus, dass sämtliche nationalstaatliche Armeen zu entwaffnen wären um dann lokal nicht lösbare Konflikte bei einer unabhängigen Schiedsstelle der UNO verbindlich zu lösen und rechtswirksam durchzusetzen. Das wäre das Ende des Militärs in der Geschichte der Menschheit. Es gibt keine andere Zukunft – jeder weiß das. Die Frage ist nur, wie viele Millionen Menschen noch verhungern müssen, noch krepieren müssen, noch verzweifeln müssen, eh 'Diese' es begreifen.

Es gibt keinen anderen Weg, als dass die Deutschen endlich lernen, sich einmal richtig zu wehren. An dem Desaster sind vier Parteien schuld. Ob Schwarz , ob Gelb, ob Rot, ob Grün – sie alle haben an Afghanistan mitgemacht, sie haben uns belogen mit dem sogenannten Hufeisenplan, um Serbien zu zerschmettern, sie haben Weltverantwortung stets interpretiert als Kriegseinsatz. Und sie sagen auch jetzt, dass wir, wenn wir gegen den Krieg sind, populistisch und unverantwortlich reden. Frau Merkel und Co., wir reden aus Verantwortung für den Frieden. Denn nichts ist verbrecherischer und unverantwortlicher als der Krieg. Er lässt sich nicht schönreden, er ist blutbeschmiert. Und Blut ist keine Farbe.

Das Nein zu dieser Kriegspolitik sprechen wir aus Überzeugung und in Verantwortung. Aber manchmal muss man erstmal NEIN sagen, um das Falsche los zu werden, damit die Bahn frei wird für das Richtige.

In Basel 1947 lag auf den Tod ein Mann, der den Zweiten Weltkrieg kennen gelernt hatte, in eigener Erfahrung: Wolfgang Borchert, Autor des Bühnenstückes 'Draußen vor der Tür'. Es handelt von einem Mann, der nach Hause kommt und nie mehr nach Hause kommen kann, seiner inneren Zerrissenheit wegen. Wolfgang Borchert hat ein Testament als Vermächtnis an die Menschheit hinterlassen, und ich zitiere es zum Abschluss:

„Mann an der Werkbank! Wenn sie wieder kommen und dir sagen, du sollst statt Kochgeschirren und Töpfen Handgranaten und Kanonenrohre ziehen - Mann an der Werkbank, sag NEIN!

Und Mutter in Deutschland! Mutter in der Ukraine! Wenn sie wieder kommen und dir sagen, du sollst Kinder gebären: Mädchen als Krankenschwestern für die Spitäler, Jungen als Soldaten in den Schützengräben - Mutter in Deutschland, Mutter in der Ukraine, sag NEIN!

Und Pfarrer auf der Kanzel! Wenn sie wieder kommen und dir sagen, du sollst die Waffen segnen und den Krieg rechtfertigen - Pfarrer auf der Kanzel, sag NEIN.

Denn wenn ihr nicht NEIN sagt, wird alles wieder kommen.“


Ich sage als Theologe zu der Pastorentochter Merkel: Zweitausend Jahre nach der Bergpredigt, versuchen Sie es doch wenigstens einmal. Das wäre Verteidigung des Christentums in Deutschland. Alles andere ist ein Verrat daran.

Ich danke Ihnen sehr.


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