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Polizei räumt Kirche

Stuttgarter Priester holt Beamte ins Haus. Antimilitaristen machen gegen Gelöbnisse in Stuttgart und Hannover mobil

Von Markus Bernhardt *

Daß Kirche und Militär in Kriegszeiten allzu gern gemeinsame Sache machen, ist in Deutschland unselige Tradition. Dies wurde auch am Sonntag in Stuttgart deutlich. Dort hatte rund ein Dutzend Kriegsgegner die örtliche St.-Eberhard-Kirche besetzt, um gegen einen Soldatengottesdienst zu protestieren, der am kommenden Freitag im Vorfeld eines Gelöbnisses der Bundeswehr in dem katholischen Gotteshaus stattfinden soll.

Obwohl sich die Besetzer vollkommen friedlich verhielten, bezeichnete der Priester der katholischen Gemeinde, Prälat Michael H. F. Brock, die antimilitaristische Protestaktion als »Nötigung«. Während der Gottesmann mit dem mörderischen Treiben der Bundeswehr in Afghanistan keinerlei Probleme zu haben scheint, wies er die Stuttgarter Polizei am Sonntag gegen 14 Uhr an, die Kirche zu räumen. Die anwesenden Polizeibeamten leisteten der Anordnung Brocks Folge und nahmen insgesamt acht Kriegsgegner in Gewahrsam.

Ursprünglich hatten die Antimilitaristen geplant, bis zum Abend des 30. Juli in der Kirche zu verharren. An diesem Tag soll um 15 Uhr das Gelöbnis der Bundeswehr im Innenhof des Neuen Schlosses in Stuttgart stattfinden. Zuvor wird ab 13.15 Uhr in der St.-Eberhard-Kirche ein Gottesdienst für die zu vereidigenden Rekruten abgehalten.

Offenbar gibt es jedoch nicht nur bei der katholischen Kirche, sondern auch beim Stuttgarter Ordnungsamt erhebliche Demokratiedefizite. So erklärte das Bündnis »GelöbNix in Stuttgart«, in dem sich Initiativen der Friedensbewegung und Gewerkschaften zusammengefunden haben, daß mehrere Anmelder von Kundgebungen durch die Behörde als »ungeeignete Versammlungsleiter« abgelehnt wurden. Dies, obwohl die Betroffenen allesamt weder vorbestraft noch in der Vergangenheit wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz juristisch belangt worden sind. Zudem dürfen die Kriegsgegner bei ihrer Hauptkundgebung am Schloßplatz nur drei Meter lange Transparente zeigen und nur 20 Minuten pro Stunde Musik abspielen.

Ein weiteres Bündnis will sich hingegen erst gar nicht mit Protesten gegen die bundesdeutsche Soldateska aufhalten, sondern das geplante Gelöbnis mittels Blockaden verhindern. »Unser Ziel ist es, deutlich zu machen, daß Stuttgart am 30. Juli den Antimilitaristen gehört und daß die Bundeswehr ihre militaristische Propaganda und Kriegshetze nirgendwo ungestört in die Bevölkerung tragen kann«, so eine Sprecherin des Zusammenschlusses, der von verschiedenen Antifagruppen, Migrantenorganisationen und der Linksjugend unterstützt wird. Das Blockadebündnis ruft dazu auf, sich am kommenden Freitag ab 8.00 Uhr am Mahnmal für die Opfer des Faschismus (Stauffenbergplatz), an der Bolzstraße/Ecke Königstraße und am »Haus der Abgeordneten« zu treffen.

Unterdessen bereiten antifaschistische Gruppen unter dem Motto »Kein Frieden mit der Bundeswehr« für den 7. August in Hannover eine Kundgebung gegen das »37. Sommerbiwak der 1. Panzerdivision« vor. Zu der Zeremonie werden 6000 geladene Gäste aus Wirtschaft, Politik und Militär erwartet.

* Aus: junge Welt, 26. Juli 2010


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