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Linke will Friedenserziehung

NRW: Exklusivrecht der Bundeswehr in Schulen auf dem Prüfstand

Von Hilmar Schulz *

Die Kooperationsvereinbarung des nordrhein-westfälischen Schulministeriums mit der Bundeswehr war am Mittwoch Thema einer Anhörung im Düsseldorfer Landtag. Auf Initiative der Linksfraktion wurde über die Aufhebung des Vertrages aus dem Jahr 2008 diskutiert. NRW hatte als erstes Bundesland eine solche Vereinbarung getroffen. Es folgten weitere sechs Bundesländer, darunter Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und Hessen.

Die Linksfraktion argumentiert, daß die Bundeswehr durch die Festlegungen direkt oder indirekt versucht, ihre Auffassungen zur Sicherheitspolitik in die Klassen und Kurse zu tragen. Den Lehrkräften sei ihre Interpretation nicht nur an prominenter Stelle zugänglich, sondern sie werde ihnen durch das Kooperationsabkommen auch nahegelegt. Damit würden die Lehrer aufgefordert, gegen das Neutralitätsgebot und gegen die ganzheitliche Ausgewogenheit des Unterrichtes zu verstoßen, erklärte Gunhild Böth, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion.

In der Expertenrunde behauptete Generalmajor Gerhard Stelz vom Wehrbereichskommando II der Bundeswehr, daß die Soldaten die wirklichen Friedensaktivisten in diesem Land seien. Als Beispiel zog er die »ausschließlich friedlichen, ganzheitlichen Einsätze« der speziell ausgebildeten Jugendoffiziere heran. Sie seien Transporteure der gewaltfreien Krisenprävention. Eine andere Position bezog General a.D. Karl-Heinz Lather. Der ehemalige Stabs­chef im NATO-Hauptquartier sagte, er empfinde es als authentischer, wenn »andere Friedensbewegungen und Vereinigungen« auch zu Wort kämen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) NRW verwies auf die Tradition der Friedenserziehung in NRW und verurteilte die Aktivitäten der Bundeswehr an Schulen. Die GEW erinnerte an einen Ausspruch des ehemaligen Verteidigungsministers Franz Josef Jung (CDU), der anläßlich der Unterzeichnung des Kooperationsvertrages in NRW gesagt hatte, daß es einer aktiven Unterrichtung der Bürgerinnen und Bürger bedürfe, um den Sinn bewaffneter Auslandseinsätze zu vermitteln. Für die Aufhebung des Exklusivrechtes der Bundeswehr an Schulen trat auch Joachim Schramm von der Deutschen Friedensgesellschaft– Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) auf. »Wer die nordrhein-westfälische Landesverfassung und das Schulgesetz liest, merkt, daß der einseitige militärisch besetzte Friedensbegriff der Bundeswehr gegen selbige verstößt.« Um seine Ansicht zu untermauern, verwies er auf die Homepage der Truppe. Dort sei zu lesen, daß gerade die Jugendoffiziere als Speerspitze der Öffentlichkeitsarbeit wichtig seien, um die Mitte der Gesellschaft zu erreichen, so Schramm.

Der Düsseldorfer Landtag wird sich weiterhin mit dem Thema beschäftigen müssen. Eine Entscheidung über Fortbestand oder Aufhebung des Kooperationsvertrages wird nicht vor dem Frühjahr erwartet. Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) steht bislang nicht für eine Kündigung der Vereinbarung. Immerhin erklärte ihre Pressesprecherin, Barbara Löcherbach, nun: »Das Ministerium für Schule und Weiterbildung ist auf der Suche nach einem geeigneten Vorgehen, um den Organisationen der Friedensbewegung die gleichberechtigte Präsenz im Unterricht zu ermöglichen.«

* Aus: junge Welt, 13. Januar 2011

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