Feldjägereinsatz zum Abschied
In Münster protestierten Friedensaktivisten gegen Militärzeremonie
Von Michael Schulze von Glaßer, Münster *
Repression gegen Kriegsgegner: Mit Anzeigen, mindestens einer Festnahme
und zahlreiche Schikanen reagierten Polizei und Bundeswehr am Mittwoch
im westfälischen Münster auf Proteste gegen eine Militärzeremonie. Auch
die Arbeit von Pressevertretern wurde eingeschränkt.
Das Lufttransportkommando der Bundeswehr aus Münster feierte am Mittwoch
seine Auflösung. Die Einheit wird mit Militäreinheiten anderer EU-Länder
zentralisiert, die Lufttransporte werden nun aus dem niederländischen
Eindhoven kommandiert. Am Nachmittag konnten Militärs und Lokalpolitiker
noch in Ruhe hinter der Kasernenmauer einen feierlichen Appell
durchführen und einem Geschwader von Militärtransportflugzeugen beim
Schauflug über die Stadt zusehen.
Bei der öffentlichen Abschiedszeremonie am Abend vor dem Schloss war es
dann nicht mehr so gemütlich. Rund 250 Friedensaktivisten empfingen
Militärs und Offizielle mit Trommeln, Trillerpfeifen und den von der
Fußball-Weltmeisterschaft bekannten Vuvuzelas. Die Münsteraner
»Friedensinitiative Pulverturm« hatte gemeinsam mit anderen linken
Gruppen zum Protest »Gegen Militärspektakel und Auslandseinsätze«
aufgerufen.
Schläge und Anzeigen
Das geplante Programm der angemeldeten Friedenskundgebung auf dem
nahegelegenen Hindenburgplatz wurde jedoch nicht durchgeführt und die
Kundgebung schon kurz nach Beginn wieder aufgelöst. Nun strömten die
Friedensaktivisten - darunter auch bunt gekleidete und herumtollende
Mitglieder der »ClownsArmy« - direkt an die Absperrgitter vor dem
barocken Schloss. Die schwarz gekleideten, behelmten und mit Fackeln
ausgestatteten Soldaten wurden beim Einmarsch auf dem Schlossplatz von
einem lauten Getöse empfangen. Eine Hundertschaft der Polizei sowie
Feldjäger der Bundeswehr drängten die Demonstranten jedoch schnell
zurück. Die Stadt Münster hatte der Bundeswehr für den Abend das
Hausrecht auf dem Schlossplatz übertragen. Es wurde dann gemeinsam mit
der Polizei gewaltsam durchgesetzt: Friedensaktivisten wurden geschlagen
und geschubst, mindestens ein Aktivist wurde von der Polizei
festgenommen, zahlreiche Anzeigen wurden erlassen.
Strom wurde abgeschaltet
Bernd Drücke, Mitorganisator des Protests, zeigte sich schockiert: »Die
aggressive Stimmung der Polizei war außergewöhnlich.« Er vermutet, dass
die Aggressivität der Ordnungshüter auch mit der negativen
Berichterstattung der lokalen Presse zutun hatte.
Die Friedensaktivisten hatten im Vorfeld kritisiert, dass sich die
Bundeswehr mit der Zeremonie in eine Traditionslinie mit der Wehrmacht
stelle. Diese hatte 1938 eine ähnliche Militärzeremonie vor dem
Münsteraner Schloss durchgeführt. »Bundeswehr-Gegner ziehen
Nazivergleich«, titelte die Münstersche Zeitung am Dienstag und witterte
einen Skandal.
Als maßlos und vollkommen unangemessen bezeichnete Ali Atalan,
NRW-Landtagsabgeordneter der Linkspartei und Anmelder der
Friedenskundgebung, das Vorgehen von Polizei und Bundeswehr am
Mittwochabend. Aufhalten ließen sich die Friedensaktivisten dennoch
nicht. Sie machten in etwa 100 Metern Entfernung zur
Militärveranstaltung weiter Lärm. Dabei mussten sie allerdings ohne
Licht auskommen: auf Befehl der Polizei hatten die Stadtwerke Münster
auf dem Areal vor dem Schloss den Strom abgestellt. Die Ordnungshüter
vermuteten wohl, die Militärzeremonie könnte mittels einer Musikanlage
im Haus des Allgemeinen Studierendenausschusses direkt vor dem Schloss
gestört werden. Von der Stromabschaltung waren auch Straßenbeleuchtungen
und Ampeln einer Hauptstraße betroffen.
Auch die Arbeit der Presse wurde eingeschränkt: Trotz zuvor von der
Bundeswehr bestätigter Akkreditierung und trotz Vorzeigen des
Presseausweises wurde dem Autor dieser Zeilen der Zutritt in den
umzäunten Bereich der Militärzeremonie durch Feldjäger verwehrt. Später
war nicht einmal mehr der Zugang vor die Absperrgitter möglich, wo etwa
50 Bürgerinnen und Bürger der Armee-Veranstaltung zusahen.
Gründe für die Behinderung wollten die Militärpolizisten nicht nennen,
man führe nur Befehle aus. Auch ein Gespräch mit dem Pressesprecher des
Luftwaffentransportkommandos wurde abgewiesen. Der Sprecher habe keine
Zeit, so die Feldjäger, er sei beschäftigt, das Funkgerät zum
Kontaktieren des Sprechers sei kaputt. Die Journalisten der Lokalpresse
hingegen konnten sich überall frei bewegen.
Positives Fazit
Die Organisatoren des Friedensprotests zogen trotz der umfangreichen
Schikanen ein positives Fazit. Die Marschmusik sei wegen des Lärms der
Demonstranten nicht zu hören gewesen, freute sich Bernd Drücke.
Ali Atalan forderte zu weiteren Protestaktionen auf: »Egal wo solche
Veranstaltungen stattfinden muss es Gegendemonstrationen geben.« Die
Militarisierung des öffentlichen Raums müsse verhindert werden. Wer -
wie die Bundeswehr in Münster - die Öffentlichkeit suche, müsse sie auch
ertragen.
* Aus: Neues Deutschland, 2. Juli 2010
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