Ruf nach Gewaltlosigkeit
Schanghai-Gipfel mit Russland, China und Iran
Von Irina Wolkowa, Moskau *
Dialog und Nichteinmischung waren die Botschaften des Gipfels der Shanghai-Organisation aus Bischkek.
Erneut bezeichnete Russlands Präsident Wladimir Putin auf dem Gipfel der Schanghai-Organisation für Zusammenarbeit im kirgisischen Bischkek am Freitag (13. Sept.) einen Militärschlag gegen Syrien ohne Sanktion des UNO-Sicherheitsrates als »unzulässig«. Der Beschluss, der Konvention über das C-Waffen-Verbot beizutreten, bestätige, dass es der syrischen Regierung mit ihrer Bereitschaft ernst sei.
Für Gewaltlosigkeit setzte sich auch Irans neuer Präsident Hassan Rohani ein, der am Rande des Gipfels der Schanghai-Organisation mit Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping zu getrennten Gesprächen zusammentraf. Die menschliche Tragödie in Syrien könne nur durch internen politischen Dialog und ohne Einmischung von außen beendet werden. Die internationale Gemeinschaft müsse dafür sorgen, dass er zustande komme und alle Drohungen und Versuche, Gewalt anzuwenden, neutralisieren. So steht es fast wörtlich in der Abschlusserklärung des Gipfels.
Neben Syrien ging es dort vor allem um die Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Mittleren Osten. Neben China und Russland sind die zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken Kasachstan, Kirgisistan, Tadshikistan und Usbekistan Vollmitglieder der Schanghai-Organisation. Afghanistan, Indien, Iran, die Mongolei und Pakistan haben Beobachterstatus, die Türkei ist Dialogpartner.
Mitglieder und Beobachter unterzeichneten eine Absichtserklärung zur Gründung eines Energieklubs. Dieser könnte langfristig zu einem Gegengewicht der OPEC werden. Die Kaspi-Region gilt als Tankstelle der Zukunft. Strittig sind weiterhin die Modalitäten für die Errichtung eines Wirtschafts- und Transportkorridors »Große Seidenstraße«. Dafür umwirbt aggressiv Xi die Herrscher Zentralasiens. Es läuft faktisch auf eine Freihandelszone hinaus und konkurriert mit dem von Russland angestrebten Euroasiatischen Wirtschaftsraum.
Moskau legt sich daher auch quer bei der Gründung einer Schanghai-Aufbau- und Entwicklungsbank, mit der China das Projekt finanzieren will. Russland ist nur zur Gründung einer Stiftung bereit. China kann das Problem jedoch durch eigene Kredite lösen. Das Reich der Mitte ist bereits jetzt größter Investor in Zentralasien.
* Aus: neues deutschland, Samstag, 14. September 2013
Gipfel der Schanghai-Organisation unterstützt Putins Syrien-Politik
Einig in der internationalen Politik – Unterschiede bei internen Vorhaben
Von Willi Gerns **
Ende der vergangenen Woche fand in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek der 13. Gipfel der Schanghai-Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) statt. Teilnehmer waren die Präsidenten der Mitgliedstaaten China, Kasachstan, Kirgistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan. Mit Beobachterstatus vertreten waren die Staatschefs Afghanistans, des Iran und der Mongolei sowie Vertreter Indiens und Pakistans. Gäste waren die Generalsekretäre der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (EAWG) und der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (OVKS), der Vollzugssekretär der GUS und der stellv. UNO-Generalsekretär.
Einigkeit in internationalen Fragen
Im Zentrum der Debatten standen Syrien, Iran, Afghanistan und das Raketen-Abwehrsystem der USA. Die gemeinsamen Standpunkte der Mitgliedstaaten zu diesen und anderen Fragen fanden ihren Niederschlag in der „Deklaration von Bischkek“.
Zur Situation in Syrien wird darin klar und deutlich festgestellt, dass „äußere, darunter gewaltsame Einmischung“ in die Angelegenheiten des souveränen Staates Syrien ohne die Sanktionierung durch den UNO-Sicherheitsrat „unzulässig“ ist. Im Unterschied zu den USA und ihren Verbündeten, die für ein militärisches Eingreifen von außen eintreten und die oppositionellen Kräfte propagandistisch sowie mit Waffen unterstützen, wird betont, dass die Syrier ihr Schicksal selbst entscheiden müssen. Dafür sei der politische Dialog zwischen Regierung und Opposition notwendig „ohne Vorbedingungen und auf der Grundlage des Genfer Kommuniqués“. Die SOZ unterstützt die Anstrengungen zur Einberufung der internationalen Konferenz „Genf-2“ und rechnet darauf, dass diese die Grundlage für eine Aussöhnung und die Normalisierung der Situation legen werde. Dies umso mehr, als jetzt eine Chance dafür entstanden sei.
Zur Iranfrage heißt es: „Die Mitgliedstaaten der SOZ bringen ihre Besorgnis über die Situation um den Iran und sein Atomprogramm zum Ausdruck. Sie sind der Ansicht, dass Drohungen militärischer Gewaltanwendung und einseitige Sanktionsmaßnahmen einzelner Staaten gegen dieses Land unzulässig sind.“ Alle Staaten werden aufgerufen, Erklärungen und Handlungen zu unterlassen, die die Konfrontation anheizen. In Verhandlungen müsse auch die Problematik des Atomprogramms der KVDR erörtert werden.
Mit Blick auf Afghanistan wird festgestellt, dass nach dem Abzug der NATO-Kampftruppen eine Welle islamistischen Radikalismus drohe. Diese sei nicht nur militärisch, sondern vor allem wirtschaftlich durch die Entwicklung des ziemlich bescheidenen Produktionspotentials Afghanistans, Investitionen in dessen Landwirtschaft und Barrieren gegen den Rauschgifttransfer zu bannen.
Zum Raketenabwehr-System der USA betont die Deklaration, dass der einseitige und unbegrenzte Ausbau dieses Systems durch einen Staat ohne Berücksichtigung der Interessen anderer Länder der Stabilität und internationalen Sicherheit Schaden zufüge. Notwendig sei, die damit verbundenen Probleme durch politisch-diplomatische Anstrengungen aller interessierten Staaten zu regeln.
Ein Thema auf dem Gipfel war auch die Informationssicherheit. Dazu heißt es u.a.: „Die Staaten der SOZ treten für eine friedlichen, sicheren, gerechten und offenen Informationsraum ein, der auf den Prinzipien Achtung der Souveränität der Staaten und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder gründet“. Zugleich wird kein Zweifel daran gelassen, dass man beabsichtigt, die Propagierung von Terrorismus, Extremismus und Separatismus über das Internet zu unterbinden. Es sei notwendig, gewisse universelle Regeln, Prinzipien und Normen für ein verantwortungsbewusstes Handeln der Staaten im Informationsraum auszuarbeiten.
Unterschiedliche bei wirtschaftlichen Vorhaben
Was die Projekte im Rahmen der Schanghai-Organisation betrifft, so bestätigten die Präsidenten der Mitgliedstaaten den Aktionsplan 2013 – 2017 zur Realisierung des Vertrages über gute Nachbarschaft, Freundschaft und Zusammenarbeit. Außerdem wurde die Vereinbarung zwischen den Regierungen der Mitgliedsländer zur wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit bestätigt. Es wurde eine Übereinkunft erzielt, für die Modernisierung der nationalen Volkswirtschaften im Rahmen der SOZ Entwicklungsfonds und eine Bank für Entwicklung zu schaffen. Das Fehlen eines Finanzierungsmechanismus war das Haupthindernis für das weitere Voranschreiten der Organisation. Es existierten dazu verschiedene Projekte. Das russische Finanzministerium schlug vor, die Eurasische Bank für Entwicklung dafür zu nutzen. Andere, vor allem China, bestanden darauf, eine spezielle Entwicklungsbank der SOZ zu schaffen.
Eine gewisse Konkurrenz zwischen Russland und China wurde in Bischkek auch bei Verkehrsprojekten deutlich. So propagierte der chinesische Präsident bereits im Vorfeld des Gipfels die Idee einer „neuen Seidenstraße“, d.h. der Öffnung eines Transportkorridors von Zentralasien an den Persischen Golf. In russischen Medien wird dieses Vorhaben als Konkurrenzprojekt zur russischen transsibirischen Eisenbahn gesehen. Wladimir Putin unterbreitete darum den Vorschlag, das Potenzial der transsibirischen Magistrale im Interesse der SOZ zu nutzen und bei deren Modernisierung zusammenzuarbeiten.
Das Problem der Aufnahme neuer Mitglieder in die SOZ wurde in Bischkek nicht entschieden. Aufnahmeanträge hatten Iran und Pakistan bereits gestellt, die Absicht, Mitglied zu werden, hatte Indien erklärt und Interesse zeigt auch die Mongolei. Wladimir Putin äußerte auf dem Gipfel die Meinung, die Diskussion darüber müsse fortgesetzt werden, „ohne sich zu übereilen“.
Den Wunsch der genannten Staaten, Mitglied der SOZ zu werden, ist ein Beleg für die internationale Autorität dieser Organisation. Die SOZ ist zu einem wichtigen Spieler auf der internationalen Bühne und - wie auch die BRICS-Staaten - zu einem der Eckpfeiler für das Gebäude einer multipolaren Weltordnung geworden.
Umso deutlicher fällt die Ignoranz der deutschen und anderer westlicher Massenmedien ins Auge, die so gut wie nichts über den Gipfel der SOZ-Mitgliedstaaten berichtet haben, deren Territorium den größten Teil des eurasischen Kontinents umfassen und in denen über eineinhalb Milliarden Menschen leben.
** Willi Gerns, Bremen, schreibt regelmäßig für die uz-"unsere zeit".
Zurück zur Schanghai-Organisation (SOZ)
Zur Syrien-Seite
Zur Seite "Neue Weltordnung"
Zurück zur Homepage