Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Viele "Finger" sind eine Faust

Umfassende Mobilisierung gegen "nationalen Antikriegstag" in Dortmund

Von Marcus Meier *

Gleich drei Bündnisse wollen den alljährlichen Naziaufmarsch zum »nationalen Antikriegstag« am ersten Septemberwochenende in Dortmund blockieren. Bereits im Vorfeld sind sie aktiv – gleiches gilt allerdings auch für die Neonazis.

Trotz aller Gegenaktionen »der Demokraten«, so freute sich Dennis Giemsch, hätten er und seine Kameraden »in der ganzen Stadt Angst bei Demokraten und sonstigen Gutmenschen« ausgelöst. »Sie fürchten sich vor unserer Bewegung«, fuhr Giemsch fort, »weil wir die Themen aufgreifen, die sie nicht aufgreifen können.« Insbesondere dieses: »Die Kriege unserer Zeit, sind Kriege der Demokratie.«

Seine Rede zum »Nationalen Antikriegstag« 2009 beendete der bekennende Demokratiefeind und angebliche Friedensfreund Giemsch mit dem Zitat eines »deutschen Politikers«: »Jede Niederlage kann zum Vater eines späteren Sieges werden. Jeder verlorene Krieg zur Ursache einer späteren Erhebung.« Das allerdings nur, »solange das Blut rein erhalten bleibt«. Das Werk, aus dessen elften Kapitel (»Volk und Rasse«) Giemsch zitierte, heißt »Mein Kampf«. Verfasst hatte es ein »deutscher Politiker« namens Adolf Hitler.

Regelmäßig Nazis

Auch in diesem Jahr mobilisiert das Kameradschaftsspektrum zum »Nationalen Antikriegstag« – es ist mittlerweile der siebte – nach Dortmund. Am 3. September wollen sie Reden lauschen von Szenegrößen wie Christian Worch, einst unumstrittener Boss der »freien« Szene, oder Andy Knape, dem Vize-Führer des NPD-Nachwuchses »Junge Nationaldemokraten«. Und sie wollen durch die Ruhrmetropole ziehen. Ihr Motto: »Gegen imperialistische Kriegstreiberei und Aggressionskriege«.

Der Aufmarsch ist für die Nazis überregional bedeutsam. Rund tausend Kameraden konnten der »Nationale Widerstand Dortmund« und sein Umfeld im letzten Jahr anlocken. Die Hälfte von den Rechtsdraußen nahm an einer offiziellen Kundgebung auf einem Parkplatz teil. Die andere versuchte sich, überwiegend vergeblich, an einer Spontan-Demonstration. Ein Erfolg schaut anders aus. Doch aufgeben wollen die Braunen auch nicht.

»Heiße Phase der Mobilisierung beginnt«, verkündeten die Nazis am Freitag via »Twitter«. Doch bereits seit Wochen mehren sich die oft gewalttätigen Aktionen der in Dortmund besonders gefährlichen und mörderischen Neo-Nazi-Szene – vom Liederabend über Flugblattverteilungen bis zum nur durch Zufall glimpflich verlaufenen Überfall auf antifaschistische Plakatierer. Sie nennen es »Aktionswochen«. Und es reisen bereits, zwecks Unterstützung, Nazis aus ganz Deutschland in die Ruhrmetropole.

Nicht ohne Protest

Doch auch die Gegner des alljährlichen braunen Großereignisses machen bereits jetzt mobil: So hat das autonome »alerta!«-Bündnis, eine Kampagne namens »Keine Ruhe vor dem Sturm« gestartet. Man wolle »die Neonazis wütend, kraftvoll und laut verdrängen, um eine Verbreitung ihrer Propaganda zu verhindern«.

Den Aufmarsch selbst am übernächsten Wochenende wollen die Antifaschistinnen und Antifaschisten stoppen oder so massiv wie möglich behindern. Ihr Motto: »Sabotieren. Blockieren. Verhindern«. An verschiedenen Stellen soll versucht werden, die Nazi-Route zu blockieren. Dabei sollen die Nazigegner in eigenständig agierenden Gruppen aus verschiedenen Richtungen zu den potenziellen Blockadepunkten streben – die Antifas sprechen von »Fingern«. Als Vorbilder dienen ihnen ähnliche dezentrale Aktionen gegen Castortransporte oder Naziaufmärsche in Dresden. Auf der »alterta!«-Webseite werben Gruppen Vermummter auf Fotos für eine Beteiligung an den Aktionen .

Weniger martialisch tritt das linke Bündnis »Dortmund stellt sich quer« auf. Auch hier läuft die Mobilisierung für den Anti-Nazi-Protest am 3. September auf Hochtouren. Das Ziel: »Sie werden nicht durchkommen!« Den entsprechenden Aufruf unterschrieben haben unter anderem die Linksparteivorstände auf Bundes- und Landesebene und die Jugendorganisationen von Grünen und ver.di.

Unter den drei sogenannten »Blockadebündnissen« gilt »Dortmund Nazifrei« als das bürgerliche: Dort findet sich der rot-grüne Mainstream nebst Gewerkschaften, »Jungen Liberalen« NRW und kirchlichen Organisationen wieder. Den »Dortmund Nazifrei«- Aufruf unterstützen auch Oberbürgermeister Ullrich Sierau und Landesarbeitsminister Guntram Schneider. Auch die beiden prominenten Sozialdemokraten rufen damit dazu auf, den Naziaufmarsch »entschlossen zu verhindern und den Nazihorden den Weg zu blockieren«.

In Konkurrenz zueinander sehen sich die verschiedenen Bündnisse dem Vernehmen nach nicht – sie repräsentieren unterschiedliche politische Milieus, koordinieren aber ihre Arbeit untereinander.

* Aus: Neues Deutschland, 23. August 2011

Lesen Sie auch den Aufruf des Bündnisses "Dortmund stellt sich quer"

Den „Nationalen Antikriegstag“ am 3. September 2011 verhindern!
Diesem Aufruf haben sich auch viele Gruppierungen der Friedensbewegung, so auch der Bundesausschuss Friedensratschlag, angeschlossen.




Zurück zur Seite "Rassismus, Neofaschismus"

Zur Seite "Friedensbewegung und andere soziale Bewegungen"

Zurück zur Homepage