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Hilflose Flickschusterei

Dortmunds rechte Szene wird von Stadt und Polizei systematisch verharmlost. Verstärkt Gegenaktionen geplant

Von Markus Bernhardt *

Neben der Region Aachen gilt die Ruhrgebietsmetropole Dortmund mittlerweile als die Hochburg der neofaschistischen »Autonomen Nationalisten« im Westen der Bundesrepublik.

Vor allem im Stadtteil Dorstfeld ließen sich in den vergangenen Jahren Kader der militanten Neonazis nieder und infiltrierten ihr Wohnumfeld. Die Folge: Mehrere Einwohner sahen sich kontinuierlich rechter Gewalt und Attacken ausgesetzt und waren gezwungen, den Ortsteil zu verlassen. Trotz dieser für eine Großstadt verhältnismäßig untypischen Entwicklung nehmen weder Polizei und Justiz noch die politischen Entscheidungsträger das Problem ernsthaft wahr. So arbeitet die Stadt bereits seit 2007 an einem Aktionsplan gegen Neonazis, ohne daß sich bis heute etwas Gravierendes getan hätte. Erst jetzt, nach knapp vier Jahren, soll das Papier im Stadtrat verabschiedet werden.

Es ändert voraussichtlich allerdings nichts an dem kaum vorhandenen Problembewußtsein seiner Verfasser und Unterstützer. Erst kürzlich erklärte etwa Hartmut Anders-Hoepgen, Sonderbeauftragter der »Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie«, daß er es »spektakulär« fände, wenn der Plan realisiert werde. Jedoch schob er direkt nach, daß Dortmund in seinen Augen »keine Nazihochburg« sei.

Insgesamt stellt die Bundesregierung über drei Jahre hinweg 100000 Euro für verschiedene Aktivitäten bereit. Mittels eines Internetprojektes will die Stadt außerdem ein Angebot für Opfer rechter Gewalt und ausstiegswillige Neofaschisten anbieten. Im Rahmen des Aktionsplans gegen rechts sollen zudem »soziale Trainings« für Neonazis angeboten werden.

Die Aktivitäten der Stadtoberen stoßen bei Antifaschisten auf wenig Gegenliebe. »Es wirkt so, als sei hier recht hilflos ein nicht wirklich durchdachtes Arbeitskonzept zusammengeschustert worden, mit dessen Hilfe die Stadt ihren Ruf als braune Hochburg abzulegen versuchen will«, so ein Dortmunder Antifaschist gegenüber junge Welt.

Lokale Antifagruppen, wie etwa die kürzlich neu gegründete Ortsgruppe Dortmund/Bochum der Roten Antifa, versuchen dagegen, sich täglich den neofaschistischen Aktivisten in den Weg zu stellen. So laufen derzeit die Vorbereitungen zur Mobilisierung gegen den von den »Autonomen Nationalisten« ausgerufenen »Nationalen Antikriegstag« am 3. September auf Hochtouren.

Bereits für 16. Juli mobilisiert das bundesweite antifaschistische Bündnis »Dortmund stellt sich quer!« zu einer Aktionskonferenz in die Dortmunder ver.di-Zentrale. Dort soll unter anderem über die Entwicklung der Naziszene in Nordrhein-Westfalen und deren Inszenierung als Kriegsgegner informiert werden. Auch eine Rechtsschulung durch die Rote Hilfe und ein Blockadetraining sind geplant.

Das Bündnis, das die neuerliche rechte Provokation mit Massenblockaden nach dem Vorbild vom 19. Februar in Dresden verhindern will, wird mittlerweile von verschiedenen Gewerkschaftern, Landtags- und Bundestagsabgeordneten der Partei Die Linke, dem Bundesvorsitzenden der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten, Prof. Dr. Heinrich Fink, der Internationalen Liga für Menschenrechte, der Grünen Jugend Nordrhein-Westfalen, weiteren linken Parteien sowie Organisationen aus der Antifa- und Friedensbewegung unterstützt

* Aus: junge Welt, 5. Juli 2011


Aufruf

Den „Nationalen Antikriegstag“ am 3. September 2011 verhindern!

Dortmund stellt sich quer! Sie werden nicht durchkommen!

Aufruf unterstützen? Kontaktiert uns!

Zum 7. Mal in Folge wollen Neofaschisten anlässlich des Antikriegstages durch Dortmund marschieren. Für den 3. September mobilisieren sie europaweit in die Ruhrgebietsmetropole. Nach dem wieder erfolgreich verhinderten Marsch durch Dresden gilt der so genannte „Nationale Antikriegstag“ in Dortmund als einer der wichtigsten Aufmärsche der deutschen Neonazis.

Dortmund hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Hochburg militanter Neonazis entwickelt. Brutale Übergriffe auf MigrantInnen und linke Jugendliche, auf GewerkschafterInnen und politisch aktive Menschen, auf alternative Buchläden und auf Parteibüros, auf Kneipen und Veranstaltungen, auf Wohnungen von AntifaschistInnen gehen weiter und nehmen an Brutalität zu.

Die Nazis sagen, Dortmund sei ihre Stadt. Wir sagen: Niemals!

Polizei, Justiz und lokale Politik haben das Problem seit Jahren verharmlost. Sie tragen Verantwortung für das Erstarken der Neofaschisten in Dortmund. Seit dem Jahr 2000 gehen vier Morde auf das Konto der Neonazis: drei Polizisten wurden von dem Neonazi Michael Berger erschossen, der Punk Thomas Schulz von einem jugendlichen Neofaschisten erstochen. Seit einiger Zeit verändert die Zivilgesellschaft ihre Sicht und entwickelt Protest und Gegenwehr. Aber die Polizei bleibt ihrer Linie treu: Antifaschistisches Engagement wird immer wieder behindert, Neonazis können nahezu ungestört agieren.

Der Antikriegstag erinnert an den faschistischen Überfall der Nazis am 1. September 1939 auf Polen. Es war der Beginn eines Raub und Vernichtungskrieges, der die Welt in Brand steckte und über 50 Millionen Tote hinterließ. Der Antikriegstag ist der Tag aller DemokratInnen und KriegsgegnerInnen, die die Mahnung aus unserer Geschichte: „Nie wieder Faschismus! Nein zum Krieg!“ wachhalten und für eine Welt des Friedens und der internationalen Solidarität eintreten.

Die deutschen Neonazis stehen in der Tradition der NSDAP. Sie bejubeln den beispiellosen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion mit 17 Millionen toten Zivilisten ebenso wie die barbarische Massenvernichtung der Juden, Sinti und Roma. Sie leugnen die Verbrechen der Wehrmacht und der SS und tragen Slogans wie „Unser Großvater war ein Held!“ vor sich her. Mit antikapitalistischen Phrasen versuchen sie in der sich verschärfenden Krise des Kapitalismus die sozialen Abstiege, Armut und Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und Existenzangst der Menschen und besonders der Jugend für ihre rassistische und kriegsverherrlichende Ideologie zu nutzen.

Gemeinsam setzen wir ihnen unseren Widerstand und unsere Politik der Aufklärung und der internationalen Solidarität entgegen! Gemeinsam stehen wir gegen Krieg und fordern seine sofortige Beendigung in Afghanistan – und überall! Wir rufen die Antifaschistinnen und Antifaschisten, die Gegner von Krieg und Besatzung, die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, die Jugend dazu auf, den Aufmarsch der Neofaschisten am 3. September durch gewaltfreie Blockaden entschlossen zu verhindern! Von uns wird dabei keine Eskalation ausgehen. Wir sind solidarisch mit allen, die der zunehmenden Kriegspropaganda eine Absage erteilen und den Nazis entgegen treten wollen. Gemeinsam werden wir ihren geplanten Marsch durch Dortmund verhindern!

Der Antikriegstag gehört uns!
Beteiligt Euch an den Demonstrationen und Blockaden!
Wenn Nazis marschieren, ist Widerstand Pflicht!


Dortmunder Erstunterzeichner/innen:
Organisations​ und Funktionsangaben dienen nur der Information

Thomas Arndt (BRV, ver.​di), Iris Bernert​Leushacke (Partei Die Linke Dortmund), Marlies und Heinrich Brüggemann (Pastor i.R.), Ines Burkhardt (Schauspielerin), Claus Dieter Clausnitzer (Schauspieler), Tülin Dolutas (DIDF Dortmund), Jan von Hagen (Sekretär, ver.​di), Willi Hoffmeister (Ostermarsch Rhein​Ruhr), Ulla Jelpke (MdB, Partei Die Linke), Gerd Kampschulte (IG BAU Dortmund), Magdalene Kozielski (ver.​di​Jugend Dortmund) Tim Lichte (‚Solid Dortmund), Hanno May (Pastor), Ula Richter (Bündnis Dortmund gegen Rechts), Wolfgang Richter (Linkes Bündnis Dortmund – Parteilose Linke. DKP und SDAJ), Traute Sander (Aktion 65+), Ulrich Sander (VVN​BdA), Renate Schmidt​Peters (Lyrikerin), Manfred Sträter (NGG Dortmund), Peter Strube (Pastor i.R., ALZ), Tino Towara (SDAJ Dortmund), Andreas Weißert (Schauspieler), Selahattin Yildirim (NGG Dortmund)

Quelle: http://dortmundquer.blogsport.de




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