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"Ich verstehe ihre Sorgen, teile sie aber nicht"

Lothar des Maizière versucht seinen russischen Amtskollegen von der segensreichen Wirkung des NATO-Raketenschirms zu überzeugen - vergeblich - Staatsbesuch im Lichte halbamtlicher Erklärungen

De Maizière trifft Amtskollegen Serdjukow in Moskau

Moskau, 16.09.2011.

„"Unsere Beziehungen zu Russland sind nicht gut. Sie sind sehr gut"“ stellte Verteidigungsminister Thomas de Maizière nach den Gesprächen mit seinem russischen Amtskollegen Anatoli Serdjukow in Moskau fest. Die beiden Minister sprachen über aktuelle sicherheitspolitische Fragen sowie über bilaterale Projekte.

„"Ich bin sehr zufrieden mit der Intensität unserer Beziehungen"“, bemerkte de Maizière und erläuterte, dass sich das Treffen der beiden Verteidigungsminister in eine Reihe hochrangiger Treffen zwischen Deutschen und Russen aus Militär und Politik einreihe. „"Wir haben für 2011 ein Arbeitsprogramm und es wird auch 2012 eines geben."“

Deutsches Know How gefragt

Wie Deutschland seine Einsatzarmee ausbildet und versorgt, war in den Gesprächen von besonderem Interesse für die russische Seite. „"Da gibt es viele Projekte, die wir heute angestoßen oder weiter entwickelt haben"“, sagte de Maizière. Die moderne Form der Ausbildung im Gefechtsübungszentrum des Heeres in Letzlingen gehört zu den Systemen, die Verteidigungsminister Serdjukow für die russische Armee kaufen will. Bereits im Juni dieses Jahres hatte er das Zentrum mit Mitgliedern seines Generalstabs besucht. Der Truppenübungsplatz gilt als einer der modernsten der Welt. Hier wird mit Simulationssystemen ohne scharfen Schuss das Gefecht der verbundenen Waffen geübt.

Weiterhin interessierte sich der russische Minister für das deutsche Feldlagerwesen und für den Sanitätsdienst. „"Das sind komplizierte Systeme, die man nur in kleiner Stückzahl braucht. Darin haben wir gute Erfahrungen"“, erläuterte de Maizière. Aber auch Fragen, wie deutsche Feldjäger arbeiten und wie Munition sicher gelagert werden kann, wurden besprochen. "Es zeigt sich eine gute Perspektive für militärtechnische Zusammenarbeit", stellte Minister Serdjukow fest.

Neuausrichtung der Streitkräfte

Denn auch Russland befindet sich derzeit in einem Prozess, an dessen Ende neuartige Streitkräfte stehen sollen Die Tendenz geht in vielen Staaten derzeit hin zu kleiner und beweglicher. "Hier haben wir unsere Erfahrungen ausgetauscht" so de Maizière.

Die russischen Streitkräfte befinden sich im Umbruch, seit die Regierung 2008 eine Reihe von Entscheidungen getroffen habe, erläuterte der stellvertretende Leiter der Hauptabteilung "Operativ" des russischen Generalstabs, Generalmajor Sergej Rutskoj deutschen Journalisten. Die Gründe dafür lägen in einer veränderten sicherheitspolitischen Lage. Auch russische Militärstrategen halten heute Konflikt- und Krisenbewältigung für wichtiger als die klassische Landesverteidigung. Deshalb werden die zukünftigen russischen Streitkräfte keine Mobilmachungsarmee mehr sein. Sie würden nur noch aus Einsatzverbänden bestehen, die mit modernstem Material ausgestattet sind. Es sei notwendig, so Rutskoj, einen neuen Typ Offizier herauszubilden und ein Unteroffizierskorps aufzubauen. Dazu sei ein Netz neuer Ausbildungseinrichtungen erforderlich. Schlussendlich sei auch die soziale Absicherung der Soldaten und ihrer Familien ein Ziel. Dazu gehöre eine signifikante Erhöhung des Wehrsolds und das Bauen von Wohnungen für Soldatenfamilien.

Internationale Lage v Thema der Gespräche waren auch die aktuellen sicherheitspolitischen Fragen. Serdjukow äußerte sich besorgt wegen des von den USA über Europa geplanten Raketenabwehrschirms. De Maizière versicherte ihm: "Ich verstehe ihre Sorgen, teile sie aber nicht". Es sei vielmehr notwendig, dass Russland und die USA bald zu einer Einigung kämen. Auch die Zusammenarbeit im NATO-Russland-Rat, sowie die Notwendigkeit, neue Impulse in der Abrüstung von konventionellen Waffen zu setzen, besprachen die beiden Minister. "Es werden weitere Gespräche auf verschiedenen Ebenen folgen", verabschiedete sich der deutsche Minister.

Quelle: Website des Bundesverteidigungsministeriums, 16. September 2011


Berlin teilt nicht Moskaus Sorge über Raketenschild

Der russische Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow hat am Donnerstag (15. Sept.) bei einem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Thomas de Maizière seine Besorgnis angesichts der Entfaltung von Teilen des Nato-Raketenabwehrsystems in Europa ohne Teilnahme Russlands zum Ausdruck gebracht.

Berlin habe zwar Verständnis für diese Besorgnis, teilte diese jedoch nicht, hieß es.

Das Treffen der Chefs der Verteidigungsämter beider Länder fand am Donnerstag in Moskau während eines eintägigen Besuchs einer deutschen Delegation statt.

Hoffentlich würden Russland und die USA noch bis zum Nato-Gipfel in Chicago zu einem Einvernehmen in dieser Frage gelangen, so de Maizière. Er sei mit dem Niveau der Zusammenarbeit zwischen den Militärämtern beider Länder in solchen Bereichen wie Kriegsmedizin, Armeepolizei, Munitionsüberwachung und deren Verschrottung zufrieden.

Am 13. September hatten US-Außenministerin Hillary Clinton und ihr rumänischer Amtskollege Teodor Baconschi ein Regierungsabkommen über die Stationierung eines Radars und von Abfangraketen SM-3 auf dem Territorium Rumäniens unterzeichnet.

Das russische Außenministerium betonte seinerseits, dass das Abkommen zwischen den USA und Rumänien über den Raketenschild die juristisch verbindlichen Garantien der Nichtausrichtung des Raketenabwehrsystems gegen Russland umso aktueller mache.

Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 15. September 2011


US-Raketenabwehr in Rumänien macht Sicherheitsgarantien für Moskau erforderlich

Der Aufbau von Elementen einer US-Raketenabwehr auf dem Territorium Rumäniens macht die Gewährung juristisch bindender Garantien noch aktueller, dass das System nicht gegen Russland gerichtet ist.

Das teilte das russische Außenministerium am Dienstag (13. Sept.) mit. Es sei ferner notwendig, auf der Ebene des Russland-NATO-Rates wirksame konkrete Lösungen herbeizuführen, die den Sinn und die Architektur der künftigen Raketenabwehr in der Region betreffen, hieß es.

Am gleichen Tag hatten US-Außenministerin Hillary Clinton und ihr rumänischer Amtskollege Theodor Baconschi ein Regierungsabkommen über die Stationierung von Elementen einer US-amerikanischen Raketenabwehr in Rumänien unterzeichnet.

Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 13. September 2011


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