"Rent-a-Soldier"
Die Privatisierung des Militärs
Den folgenden Beitrag haben wir - etwas gekürzt - der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift "Wissenschaft & Frieden" entnommen.
Von Herbert Wulf*
Ihr Geschäft ist der Krieg - Vorbereitung, Durchführung und Nachsorge - alles in einer Hand.
Private Militärfirmen tauchen immer häufiger in den Kriegen und Konflikten als Akteure auf, ... nicht unbedingt an vorderster Front.(1) Fast jede größere militärische Operation im letzten
Jahrzehnt hat ein stets wachsendes Engagement privater Militärfirmen hervorgebracht.
Manche Armee kommt ohne die privaten Militärfirmen nicht mehr aus. Zwar unterliegt der
Sicherheitsbereich in vielen Ländern demokratischen Kontrollen, doch die
Kommerzialisierung und die Internationalisierung der Sicherheit rüttelt an der Effektivität
dieser Kontrollen.
Die Ursachen für diesen, seit einigen Jahren zu beobachtenden neuen Trend sind vielfältig.
Mindestens fünf Gründe spielen eine zentrale Rolle: (2)
Erstens: Das Abspecken im Militärbereich nach dem Ende des Kalten
Krieges
Auf der Angebotsseite gibt es vor allem freie Kapazitäten der Streitkräfte seit dem Ende des
Kalten Krieges. Schaut man in die Firmenprospekte oder die Internetseiten privater
Militärfirmen, wie Cubic, DynCorp, Vinnell Corporation oder Military Professional Resources
Inc. (MPRI) in den USA oder Sandline International, Defence Systems Limited oder Gurkha
Security Guards in Großbritannien, stellt man fest, dass sich das Personal im wesentlichen
aus ehemaligen Soldaten der Streitkräfte rekrutiert. Die Abrüstung in den 1990er Jahren hat
nicht nur zu einer Schwemme gebrauchter Waffen geführt, die aus Europa in zahlreiche
Länder der Welt verkauft oder verschenkt wurden, sondern ebenso einen Überschuss
qualifizierten militärischen Personals hervorgebracht, das jetzt in den Militärfirmen neue
Betätigungsfelder sucht und findet. (3) Weil in zahlreichen Länder die Militärhaushalte
gekürzt wurden, reagierten die Streitkräfte mit Personalabbau und "Outsourcing"
traditionell militärischer Funktionen. Die privaten Militärfirmen entwickelten sich azyklisch:
Bei sinkendem Militärbudget, stiegen die Umsätze. Im Golfkrieg 1991 hatte das US-Heer
noch 711.000 aktive Soldaten zur Verfügung. Heute sind es mit 487.000 ein Drittel weniger.
Im ersten Golfkrieg war das Verhältnis zwischen dem Personal privater Militärfirmen und
dem US-Heer ungefähr 1 zu 50 bis 100; im Golfkrieg 2003 kam auf jeweils 10 Soldaten ein
Firmenangestellter. (4) Aufträge in Höhe von 30 Milliarden Dollar (8% des
Gesamtverteidigungshaushaltes) vergibt das Pentagon im Jahr 2003 an private
Militärfirmen. (5)
Zweitens: Die veränderte Art der Kriegsführung
Die Streitkräfte setzen immer mehr auf modernes Gerät. Die Spitze des Eisbergs ist die so
genannte Revolution in Military Affairs, in dem die Waffensysteme elektronisch miteinander
verknüpft werden und die Befehlshaber, fernab vom eigentlichen Kriegsgeschehen, in
Echtzeit über die Entwicklung der Kampfhandlungen informiert werden und ihre Befehle
treffen. Die Streitkräfte selbst sind jedoch nicht mehr in der Lage, das moderne Gerät zu
bedienen und zu warten.
Drittens: Zonen ungleicher Sicherheit in der globalisierten
Gesellschaft und die Rolle subnationaler Akteure
Im Inneren vieler Gesellschaften kann der Staat mit Militär und Polizei nicht mehr die
Sicherheit der Bürger garantieren. Vielmehr werden die Akteure des Sicherheitssektors oft
selbst zu einer Bedrohung für das Leben vieler Menschen. Die Globalisierung hat die
Zonen ungleicher Sicherheit sowohl verschärft als auch öffentlich bewusster gemacht.
Immer mehr Menschen werden marginalisiert und zum Sozialfall in der globalisierten
Gesellschaft. Im Ländern mit völligem Staatszerfall (in so genannten failed states), in
denen nicht mehr klar zu erkennen ist, wer noch über die Souveränität verfügt, ist die
Tendenz zu erhöhter Nachfrage nach privatisierten Sicherheitsdiensten und zusätzlichen
UN-Friedensmissionen am deutlichsten zu erkennen. (6) Diejenigen, die über die
notwendigen Ressourcen verfügen, organisieren ihre Sicherheit selbst. Es kommt zur
Kommerzialisierung der Sicherheit. (7) Diese Privatisierung erhöht oftmals die
Unsicherheit. Gleichzeitig versuchen verschiedene sub-nationale Gruppen wie Warlords,
Rebellengruppen, organisiertes Verbrechen und Terrorgruppen aus politischen oder
wirtschaftlichen Gründen an dieser Entwicklung zu profitieren oder sie zu bekämpfen.
Dieser Trend, vor allem in Entwicklungsländern, ist auf den Begriff "neue Kriege" gebracht
worden. (8)
Viertens: Die zunehmenden "humanitären" Interventionen
Die anschwellende Zahl von Kriegsflüchtlingen, ethnische Säuberungen und Genozid und
der daraus resultierende Wunsch zur Prävention bewaffneter Konflikte hat den
UN-Sicherheitsrat im letzten Jahrzehnt zum verstärkten Eingreifen auch mit militärischen
Mitteln veranlasst. Wenn auch diese Entwicklung nicht völlig neu ist, so haben doch die sich
häufenden UN-Friedensmissionen, ebenso aber auch die Bekämpfung des
Drogenhandels in Lateinamerika, der Ruf nach dem Militär bei großen Naturkatastrophen,
humanitäre Hilfe für Kriegsflüchtlinge und neuerdings der Kampf gegen den internationalen
Terror den Trend zu militärischen Eingreifen verstärkt. Die Nachfrage nach militärisch
gestützten UN-Friedensmissionen war immer größer als das Angebot an Truppen und
anderen Ressourcen. Dies beförderte die Nachfrage nach privaten Akteuren. Begründet
und legitimiert werden internationale Militäreinsätze zunehmend mit der Notwendigkeit
humanitäre Katastrophen zu verhindern. Der Einsatz privater Militär- oder Sicherheitsfirmen
soll dabei die Streitkräfte unterstützen bzw. entlasten oder deren Aufgabe komplett
übernehmen.
Fünftens: Die normativ positiv besetzte Politik der Privatisierung
P. W. Singer spricht von "the power of privatization and the privatization of power". (9) Der
relativ neue und rasch wachsende Markt des privaten Sicherheitssektors, mit Firmen, die
ihren Service weltweit anbieten, entwickelte sich als Teil einer umfassenderen
Privatisierung, in der das Konzept des "schlanken Staates" zentral ist. Um
kosteneffektivere Marktlösungen zu finden, werden traditionell militärische Funktionen
privatisiert. Das neoliberale Konzept vom schlanken Staat hat sich fast kritiklos
durchgesetzt, und die Privatisierung hat nicht an den Kasernentoren Halt gemacht und auch
sensible Bereiche des Militärs werden privatisiert.
In den US-Streitkräften heißt es, die Einsätze bei humanitären Interventionen lenken von
den Kernaufgaben der Streitkräfte ab. In anderen Armeen wird beredt darüber Klage
geführt, dass für die neuen Aufgaben keineswegs zusätzlich Mittel bereit gestellt werden.
Deshalb ist beispielsweise die Zeitschrift Parameters, das Sprachrohr des US-Heeres,
durchaus von der Tätigkeit der privaten Militärfirmen angetan und spricht im Stile von
Unternehmensberatern von der Möglichkeit der Konzentration der Streitkräfte auf
"Kernkompetenzen", nämlich "kämpfen", wenn sie von privaten Militärfirmen entlastet
werden. (10)
Markt und Militär: Das Aufgabenspektrum privater Militärfirmen
Privatisierung in den Streitkräften ist kein klar definierter, sondern ein eher schillernder
Begriff. Sehr unterschiedliche Aktivitäten werden darunter subsummiert. (11) Sie reichen
von der Sicherung privaten Eigentums bis zum Schutz von Minen und Förderanlagen global
operierender Firmen, von der Verwaltung und Vermarktung militärischer Liegenschaften bis
zur Privatisierung des Fuhrparks von Armeen, von Transportdiensten für
UN-Friedensmissionen bis zum Schutz von Hilfskonvois, von der Rekrutierung des
Militärpersonals bis zur Ausbildung im Nahkampf, von Kriegsvorbereitungen wie
Spionagetätigkeiten bis zur Meldung von Truppenbewegungen, von der Logistik für das
Militär bis zum Einsatz in Kampfhandlungen, von technisch komplexen bis zu eher
schmutzigen Aufgaben wie der Verteidigung der Privilegien korrupter Eliten. Bezogen auf
die Produktpalette (und auch auf die Nähe zum eigentlichen Kriegsgeschehen) kann man
zwischen drei unterschiedlichen Firmenprofilen bzw. Tätigkeitsarten unterscheiden:
-
Beratung und Ausbildung,
- Zulieferer sowie logistische und technische Dienstleistungen und
- Kampfhandlungen, also Firmen, die auch den Finger am Abzug haben.
Der größte Zuwachs an Aufträgen ist bei den Firmentypen 1. und 2. zu verzeichnen,
während viele Firmen vor der direkten Beteiligung in Kampfhandlungen zurückschrecken.
Mit der heutigen Privatisierung werden die Aufgabenbereiche des Militärs deutlich
eingeschränkt, gleichzeitig aber durch die internationalen Einsätze geografisch und
funktionell erweitert. Diese Privatisierung findet in manchen Ländern in großem Stile und
geplant statt. Vor allem in den USA und Großbritannien wird die Privatisierung forciert
vorangetrieben. (12) In Großbritannien ist die Privatisierung vor allem ein Nebenprodukt
knapper öffentlicher Haushalte und Resultat des Drucks des Marktes. In den USA passt die
Privatisierung in das marktwirtschaftlich orientierte Konzept der Konservativen, vor allem
aber auch in das Konzept, die Streitkräfte auf Kampfeinsätze vorzubereiten, ohne sie dabei
zu vergrößern. Wenn beispielsweise amerikanische Panzer im Joint Readiness Training
Center des Heeres in Fort Polk, Louisiana, durch die Straßen rattern und plötzlich Zivilisten
im Gefechtsgetümmel auftauchen, dann ist dies keineswegs eine ungewollte Störung des
Trainings. Vielmehr hatte man die Firma Cubic beauftragt, so realistisch wie möglich den
Einmarsch der Truppen in Bagdad zu simulieren. Während MPRI die amerikanischen GIs
in Camp Doha in Kuwait im Nahkampf ausbildete, flog Cubic bosnische Flüchtlinge aus
den ganzen USA nach Fort Polk, um die Kriegserfahrungen möglichst realistisch
nachzuspielen. Über 600 Cubicbeschäftigte waren nötig, um eine Übung für 6.500 Soldaten
durchzuführen. (13) Gelegentlich sind auch deutsche Firmen beteiligt. Die wegen illegaler
Waffengeschäfte angeklagte Firma Optronic aus dem süddeutschen Königsbronn sucht
auf ihrer Internetseite "Civilians on the Battlefield". "Statisten für Rollenspiele bei Manövern
der U.S. Armee?", heißt es etwas weniger martialisch in der deutschen Anzeige. Das alles
ist völlig legal. (14)
Weniger spielerisch ging es im Bürgerkrieg in Sierra Leone zu. Während Sandline
International wegen der Beteiligung an Kampfhandlungen in Großbritannien ins Gerede
kam, sorgte Defence Systems Limited im gleichen Konflikt für die Logistik der
UN-Blauhelme. Die ursprünglich südafrikanische Firma Executive Outcome, die sowohl in
Angola als auch in Sierra Leone an Kampfhandlungen beteiligt war, musste aufgrund
gesetzlicher Auflagen Südafrika verlassen. Jetzt findet man im Internet Niederlassungen
von Executive Outcome in Großbritannien und den USA.
Die amerikanische Firma MPRI rühmt sich jede Art militärischer Mission ausführen zu
können (außer Kampfeinsätzen). Im Gegensatz zu anderen Firmen verzichtet MPRI auf
unmittelbare Kampfeinsätze. MPRI hat laut Eigenauskunft derzeit internationale Verträge "in
allen Regionen der Welt." MPRI unterhält ein "Kampfsimulationszentrum" und ein
"Kampfausbildungscamp". Neben der Drogenbekämpfung in Kolumbien, wo die
US-Regierung MPRI-Berater bei Polizei und Militär einsetzt, geriet MPRI in die internationale
Kritik, weil die Firma die kroatische Armee zu einem Zeitpunkt ausbildete als in der Krajina
ethnische Säuberungen durchgeführt wurden. Ob MPRI direkt beteiligt war, ist nicht
nachzuweisen. Die Beteiligung an Kampfhandlungen passiert heute jedoch nicht nur mit
der Waffe in der Hand. Ein Experte, der beispielsweise am Computer Daten über
Truppenbewegungen eingibt, spielt eine entscheidende Rolle auf dem "automatisierten
Schlachtfeld".
In unterentwickelten oder kollabierten Ländern werden die privaten Dienste nachgefragt,
um schwache Regierungen zu stabilisieren. (15) Statt die staatlich legitimierten Streitkräfte
zu beauftragen, schließen Regierungen Kontrakte mit privaten Spezialfirmen, weil das
Militär die Aufgaben nicht erfüllen kann oder sich auf die Kernkompetenzen konzentrieren
soll. Viele dieser Tätigkeiten werden von Privatfirmen durchaus effizient ausgeführt; in
manchen Entwicklungsländern haben sie sich als seriöse Alternative zu ineffizienten oder
nicht vertrauenswürdigen Streitkräften etabliert. (16) Für den Staat sind die Privaten auch
deshalb attraktiv, weil nur für den Service gezahlt werden muss, den die Regierung
anfordert und erhält. Ein stehendes Heer dagegen kostet immer knappe Ressourcen.
Firmen mit beschränkter Haftung
Die meisten Aktivitäten der privaten Militärfirmen bewegen sich im Rahmen bestehender
Gesetze, insofern als sie in der Regel politisch gewollt und durch staatliche Stellen
lizenziert sind. Manche Firmen aber operieren in einer Grauzone bzw. ihre Tätigkeiten sind
nicht staatlich reguliert, wenn nicht gar illegal. Sehr unterschiedliche Akteure sind als
private Sicherheitsdienstleister tätig und oftmals werden die Firmen als moderne Söldner
bezeichnet. (17) Die privaten Militärfirmen wehren sich dagegen. Im Gegensatz zu
Söldnergruppen legen die modernen Militärfirmen Wert darauf, dass sie ordnungsgemäß
registriert sind, ihre Steuern bezahlen und nicht mit dem internationalen Recht in Konflikt
kommen. Als die Firma DynCorp in die Kritik geriet, als sieben ihrer Angestellten in Bosnien
12-jährige Mädchen prostituierten, hielt sich die Firma aus Imagegründen bedeckt und
entließ die Mitarbeiter. (18) Sandline International betont jetzt, nachdem die Firma in
England wegen ihres Engagements in Sierra Leone öffentlich kritisiert wurde - in ihrer
Firmenphilosophie ihre Leistungskompetenz unter strikter Beachtung der Menschenrechte.
Die amerikanische Firma MPRI hebt auf ihrer Internetseite ausdrücklich hervor, dass sie
"mit einer Lizenz der US-Regierung in einer Reihe von Ländern" operiert.
Söldner ziehen in der Regel für einen Auftraggeber in den Krieg; sie sind, wie Singer es
ausdrückt: "guns for hire"? (19). Private Militärfirmen haben zwar
auch ihren Ursprung als private Akteure im Krieg, doch im Gegensatz zu Söldnern haben
sie eine hierarchisch gegliederte Organisationsstruktur. Sie sind nicht als Einzelperson,
sondern als Firma tätig. In dieser Beziehung sind sie eher mit Rüstungsfirmen
vergleichbar. Sie rekrutieren ihr Personal offen, bieten einen breiteren Service an und
arbeiten für mehrere Auftraggeber gleichzeitig. Sie konkurrieren um Aufträge auf dem
Weltmarkt und versuchen nicht, ihre Existenz zu bestreiten, wie dies bei Söldnern oft der
Fall ist. (20)
Anders als Rüstungsfirmen operieren sie jedoch eher als virtuelle Firmen ähnlich wie
Internetfirmen. Sie benötigen vergleichsweise wenig Kapital und investieren nicht in große
Produktionsstätten. Die Markteintrittshürden sind nicht besonders hoch, da sie rasch
erfahrenes Personal anheuern können. Ihr Kapital ist vor allem das Know-how. MPRI
beschäftigt beispielsweise nur 800 Personen fest, kann aber weitere 11.000 jederzeit für
Kurzeinsätze abrufen. Die Einkommen der Beschäftigten schwanken stark. Während der
Kriegsphase auf dem Balkan heuerte MPRI lokal Interessenten für 5.000 Dollar bar bei der
Anwerbung und 1.500 Dollar monatlich steuerfrei an. (21) In den USA wird zwischen dem
Zwei- bis zum Zehnfachen des militärischen Salärs von privaten Firmen gezahlt. (22)
Der Boom der privaten Militärfirmen war dem vor allem an Aktienfirmen interessierten
Magazin Fortune eine lange Analyse wert. DynCorp konnte im Jahr 2002 seinen Umsatz um
18% auf 2,3 Milliarden Dollar steigern, davon rund ein Viertel im Bereich der privaten
Militärdienstleistungen. Cubics Gewinn wuchs im gleichen Jahr um 41%. L3
Communications gehörte 2002 zu den 100 am schnellsten wachsenden Firmen und
verbuchte ein durchschnittliches Gewinnwachstum von 33 Prozent in den letzten drei
Jahren. Kellogg, Brown & Root (KBR), ein Tochterunternehmen von Haliburton, dem der
heutige Vizepräsident Dick Cheney früher als Vorstandsvorsitzender vorstand, versorgte
rund 20.000 Soldaten des US-Militär auf dem Balkan mit Nahrungsmitteln, Wasser, frischer
Wäsche, Post und schwerem Gerät. Alleine 42 Millionen Mahlzeiten lieferte KBR und wusch
3,6 Millionen Säcke Wäsche. Die Aufträge des Pentagon an KBR beliefen sich auf 3
Milliarden Dollar. Heute sind ungefähr 10 mal mehr Truppen der US-Streitkräfte im Nahen
Osten im Einsatz. Und Haliburton ist wieder einer der Hauptauftragnehmer. (23)
Jetzt interessiert sich auch das Großkapital für die mittelgroßen gewinnträchtigen privaten
Militärfirmen. (24) 1997 fusionierten die Londoner Firma Defense Service Limited und die
US-Firma Arms Holdings, die 1999 und 2000 zu den 100 am schnellsten wachsenden
Firmen der Fortune-Liste gehörte. MPRI wurde 2000 von L3 Communications aufgekauft.
Computer Science Corporation, selbst ein großer Auftragnehmer des Pentagon, zahlte im
letzten Jahr 950 Million Dollar, um DynCorp aufzukaufen. Mit einer Weltmarktstrategie
("?lobal branding" im Jargon der Business Schools) wollen die Firmen sich ein seriöses
Image zulegen und ihren Service weltweit anbieten und nicht mehr primär nur für die
US-Streitkräfte arbeiten.
Ob der Privatsektor die Finanzprobleme in den Militärhaushalten lösen oder lindern kann,
muss sich erst noch erweisen. Bislang sind die Erfahrungen noch zu gering. Die
anekdotenhafte Evidenz ist ausreichend, um dieses Konzept für die Finanz- und
Verteidigungsminister weiter attraktiv zu machen; sie reicht aber nicht aus, um den
Praxistest bereits als gelungen anzusehen. Private Militärfirmen sind profitorientierte
Anbieter militärischer Dienstleistungen, die nicht unbedingt immer den aus
sicherheitspolitischen Gründen gewünschten Dienst günstig anbieten. So wird
beispielsweise KBR vorgeworfen, während der Konflikte auf dem Balkan unzureichende
Dienstleistungen erbracht zu haben und in vier von sieben Verträgen der US-Armee zu hohe
Beträge in Rechnung gestellt zu haben. Zwei der übrigen Verträge übernahm dann die
Armee selbst und der letzte wurde an eine andere Firma vergeben. (25)
Steht das staatliche Gewaltmonopol zur Disposition?
Wenn auch hinter der Privatisierung das Bemühen steckt, die Streitkräfte effizienter zu
führen, so birgt dieser Ansatz auch Gefahren. Eine zentrale Funktion des Staates,
nämlich das Gewaltmonopol, könnte unterhöhlt oder sogar ganz aufgegeben werden.
Obwohl diese Norm heute im Grundsatz nicht umstritten ist, wird sie de facto
unterhöhlt. Sicherheit geht um die Frage, wer hat und wer sollte die legitime Ausführung
und Kontrolle der Gewalt haben. (26) In der globalisierten Welt ist diese Kontrolle in
Frage gestellt. Ein global wirksames staatliches Gewaltmonopol existiert nicht, und die
Machtlosigkeit des UN-Sicherheitsrates hat dies im Falle des Irakkrieges aktuell erneut
bestätigt. Um so nachhaltiger stellt sich die Frage nach "global governance" im
Sicherheitsbereich.
Die Art, wie staatliche Gewalt angewendet und reguliert wird, wird durch den Einsatz
privater Firmen nachhaltig beeinflusst. Während die Regierung gegenüber dem
Parlament rechenschaftspflichtig ist, sind private Firmen dies nur gegenüber ihren
Aktionären oder Besitzern und dem Auftraggeber. Manche Regierung ist durchaus
interessiert genau aus diesem Grunde die Dienste privater Firmen in Anspruch zu
nehmen. Da beispielsweise in den USA die Kontrollen des Kongresses bei
Rüstungsexporten, Militärhilfe und in der Drogenbekämpfung der Regierung weniger
Handlungsspielraum erlauben, greift die Regierung gerne auf die privaten Militärfirmen
zurück. Auch gegenüber der Öffentlichkeit muss sie sich bei möglichen Verwicklungen
oder wenn es zu Toten oder Verletzten bei den Einsätzen kommt nicht verantworten, da
es sich ja nicht um Angehörige der Streitkräfte handelt.
Derzeit ist nicht erkennbar, dass sich der Trend der Privatisierung umkehrt oder
Gegenkräfte entstehen. Privatisierung im Militär ist kein kurzfristiger oder
vorübergehender Modetrend. Es ist deshalb zweifellos erforderlich, Regeln für dieses
Engagement der Privatfirmen im internationalen Recht zu verankern. Der Einsatz der
privaten Militärfirmen verläuft nicht spannungsfrei, denn es stehen sich zwei
Grundprinzipien gegenüber, die nicht immer kompatibel sind: Die Sicherheit des
Auftraggebers und das Gewinnmotiv der Firmen. Das öffentliche Gut "Sicherheit" und
das private Gut "Gewinn" können im Konflikt miteinander liegen. Das Risiko, das
Firmenvermögen zu verlieren, ist bei gewaltsamen Auseinandersetzungen durchaus
gegeben. Im Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea Ende der 1990er Jahre beispielsweise
hatte Äthiopien eine kleine, aber umfassende russische Luftwaffe von der Firma Sukhoi,
einem Flugzeugbauer, einschließlich moderner Su-27 Kampfjets mit Piloten und
Bodenpersonal geleast. Selten wurde diese Luftwaffe eingesetzt; denn auch die
eritreische Luftwaffe hatte ihrerseits russische und ukrainische Piloten angeheuert. Die
Firmen auf beiden Seiten zögerten, ihr Leben und das Firmenkapital aufs Spiel zu setzen.
(27)
Ein weiteres Kennzeichen der Privatisierung ist, dass private Kampftruppen (Firmentyp
3) meist von Regierungen angeheuert werden, die schwach sind und sich in einer
Notlage befinden. Gleichzeitig sind dies die Regierungen, die am meisten
Schwierigkeiten haben, die Ressourcen für die Privatfirmen aufzubringen. Oft werden
dann "Hypotheken" aufgenommen, in dem den Privatfirmen Prospektionsrechte für
Rohstoffe (Öl, Diamanten, Edelholz usw.) übertragen werden. Damit wird die Zukunft
der Firmen an die Zukunft des Auftraggebers geknüpft und mancher Konflikt verlängert.
Es kommt zur gegenseitigen Abhängigkeit von Auftraggeber und Auftragnehmer. In
einer solchen Situation ist nicht klar, welche staatlichen Aufträge umgesetzt werden,
wer darüber entscheidet, ob entschieden wird und wenn ja, welche Art Gewalt
angewendet wird.
Die Privatisierung militärischer Funktionen führt zu einem fundamentalen langfristigen
Wandel im Verhältnis von Militär und Nationalstaat. Militärische Ressourcen sind auf
dem globalen freien Markt auf Kontraktbasis käuflich. Experten für fast jede militärische
Tätigkeit stehen abrufbar bereit. Wirtschaftliche Macht kann damit noch schneller in
militärische Macht umgesetzt werden. Während staatliche Armeen nach Max Webers
Modell vom Nationalstaat für ein allgemeines politisches Ziel, die Sicherheit der Bürger,
eingesetzt werden, übernehmen jetzt profitorientierte Einheiten einen Teil dieser
Funktion.
Es sind erhebliche Zweifel angebracht, ob dieser Prozess tatsächlich bruchlos und
störungsfrei ablaufen wird. Die Globalisierung hat die Bedingungen für das Webersche
Konzept des Nationalstaates verändert. Denationalisierung findet auf zahlreichen
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Ebenen statt und auch die Konzeption national
organisierter und orientierter Armeen ist in Frage gestellt. Doch bislang haben sich die
parlamentarischen Kontrollen nicht parallel zu den Tendenzen der Internationalisierung
und Privatisierung des Militärs mit entwickelt. Fallen die Werkzeuge von Krieg und
Gewalt und deren Kontrolle durch den Nationalstaat in die Hände nicht-staatlicher
Akteure (von kriminellen Gruppen bis zu bewaffneten Aufständischen, von
angeheuerten Gangs bis zu legal operierenden Firmen)? Ist es klug und politisch
vertretbar, Kontrollfunktionen im nationalen Rahmen aufzugeben (oder nicht mehr
wahrnehmen zu können) bevor neue Kontrollmechanismen international geschaffen
sind? Werden irgendwann die Streitkräfte eines Landes gar gegen die eigenen Bürger in
privaten Militärfirmen auf unterschiedlichen Seiten der Front kämpfen oder Militärfirmen
gegeneinander eingesetzt werden (wie das in dem oben erwähnten
Äthiopien-Eritrea-Krieg russischen Firmenangehörigen passierte)? Dürfen die
Angestellten der privaten Militärfirmen bei ihren Einsätzen Waffen tragen und unterliegen
sie den Genfer Protokollen als Kombattanten und Kriegsgefangene oder sind sie
Zivilisten auf dem Schlachtfeld, wenn sie an der Seite von Kommandospezialkräften im
Einsatz sind? Sind die Angestellten dieser Firmen Deserteure, wenn sie in kritischen
Situationen ihren "Arbeitsplatz" verlassen? Dies sind keine nur konzeptionell wichtigen
Fragen, sie betreffen die heutige Realität ganz konkret. Airscan, eine amerikanische
Firma, die in der Drogenbekämpfung in Kolumbien tätig ist, koordinierte die
Bombardierung eines Dorfes, in dem 18 Bewohner (einschließlich Kinder) getötet
wurden. In Peru leiteten Angestellte der Firma Avivation Development bei einer
Überwachungsaktion der CIA fälschlicherweise den Abschuss eines kleinen
Zivilflugzeuges ein, in dem eine Familie amerikanischer Missionare ums Leben kam. (28)
Wer übernimmt hierfür die Verantwortung?
Das neoliberale Konzept, auf Marktmechanismen auch im Sicherheitsbereich zu setzen,
stellt die institutionelle Balance zwischen ziviler Kontrolle und professioneller Autonomie
für das Militär in Frage. War schon der Bereich Sicherheit bislang von wirksamen
parlamentarischen Kontrollen weit entfernt, so werden die Parlamentarier in Zukunft
noch weniger mitzureden haben, weil sich das Militär durch internationale
Kooperationen und durch die Übertragung von Aufgaben an Privatfirmen tendenziell den
Kontrollen entzieht. Die Unterschiede zwischen der Privatisierung der Bahn oder Post
einerseits und Militär und Polizei andererseits sind qualitativer Natur, die im staatlichen
Gewaltmonopol begründet ist - einer Errungenschaft, die in Europa vor mehr als 350
Jahren mit dem westfälischen Frieden als zivilisatorischer Fortschritt erreicht wurde.
Anmerkungen:-
David Shearer, Private Armies and Military Intervention, in: Adelphi Papers 316,
London: International Institute for Strategic Studies, 1998. Robert Mandel, The
Privatization of Security, in: Armed Forces & Society, Vol. 28, Nr. 1, Fall 2001, S.
129-151. Mark Duffield, Post-modern Conflict: Warlords, Post-adjustment States and
Private Protection, in: Civil Wars, Vol. 1, Nr. 1, S. 65-102. Peter Lock, Sicherheit ŕ la
carte? Entstaatlichung, Gewaltmärkte und die Privatisierung des staatlichen
Gewaltmonopols, in: Tanja Brühl et. al (Hrsg.), Die Privatisierung der Weltpolitik, Bonn
2001, S. 200-229.
- Eine etwas anders geartete Begründung in P. W. Singer, Corporate Warriors: the Rise
and Ramifications of the Privatized Military Industry, in: International Security,
- Zur Demobilisierung der Streitkräfte weltweit siehe Bonn International Center for
Conversion (BICC), Conversion Survey, Baden-Baden, verschiedene Jahrgänge.
- Diese grobe Schätzung stammt von P. W. Singer (Brookings) und wird zitiert in
Nelson D. Schwartz, The War Business. The Pentagon`s Private Army, in: Fortune, 3.
März 2003 (www.fortune.com/fortune/articles/0,15114,427948,00.html).
- Nelson. D. Schwartz, ibid.
- Peter Viggo Jakobsen, The Transformation of United Nations Peace Operations in the
1990s, in: Cooperation and Conflict, Vol. 37, Nr. 3, 2002, S. 268-282.
- Erhard Eppler, Vom Gewaltmonopol zum Gewaltmarkt?, Frankfurt/Main 2001.
- Mary Kaldor, New and Old Wars: Organized Violence in a Global Era, Cambridge
1999. Herfried Münkler, Über den Krieg. Stationen der Kriegsgeschichte im Spiegel
ihrer theoretischen Reflexion, Weilerswist 2002.
- P. W. Singer, ibid., S. 197.
- Eugene B. Smith, The New Condottieri and US Policy: The Privatization of Conflict
and Its Implication, in: Parameters, Vol. XXXII, Nr. 4, Winter 2002/2003, S. 116. So
auch FORTUNE, siehe Nelson D. Schwartz, ibid.
- In tabellarischer Form habe ich die unterschiedlichen Tätigkeiten privater Militär- und
Sicherheitsfirmen klassifiziert, siehe Herbert Wulf, Change of Uniform - But No
Uniform Change in Function, Soldiers in Search of a New Role, in: BICC-Conversion
Survey 2002, Baden-Baden 2002, S. 97.
- Neil V. Davis, Outsourcing, Privatisation and other Forms of Private Sector
Involment: Conditions and Requisites, unveröffentlichtes Konferenzpapier für die im
Rahmen des Euro-atlantischen Partnerschaftsrats abgehaltene Konferenz "Defence
Reform, Defence Industry and the State" des George Marshall Centre und der NATO in
Wildbad Kreuth im August 2000.
- Nelson D. Schwartz, ibid.
- http://www.optronic-online.de
- Musah, Abdel-Fatau and J. Kayode Fayemi, (Hrg.) Mercenaries, An African Security
Dilemma. London und Sterling, Virginia, Pluto Press, 2000. Damian Lilly und Michael
von Tangen Page, Security Sector Reform: The Challenges and Opportunities of the
Privatisation of Security, International Alert, London, 2002.
- Robert Mandel, ibid., S. 135.
- Alex Vines, Mercenaries, Human Rights and Legality, in: Musah, Abdel-Fatau and J.
Kayode Fayemi, ibid., S. 169-197. Auch der Beauftragte der Vereinten Nationen zum
Einsatz von Söldner, Ernesto Bernales Ballesteros, hat in seinem Bericht für das Jahr
2002 die Aktivitäten der privaten Sicherheitsfirmen ausdrücklich angesprochen. United
Nations, Economic and Social Council, The Right of Peoples to Self-Determination and
its Application to Peoples Under Colonial or Alien Domination or Foreign Occupation
(UN Commission on Human Rights), E/CN.4/2002/20, Genf 10. Januar 2002.
- Nelson D. Schwartz, ibid.
- P. W. Singer, ibid. S. 191.
- Die Problematik der mangelnden gesetzlichen Regelung habe ich thematisiert in:
Herbert Wulf, Privatisierung der Sicherheit. Ein innergesellschaftliches und
zwischenstaatliches Problem, in: Vereinte Nationen, Vol. 50, Nr. 4, August 2002, S.
144-148.
- Berichtet von Franz-Josef Hutsch in einem Beitrag im Hörfunk NDR 4, in:
"Streitkräfte und Strategien" am 8. Februar 2003.
- P. W. Singer, S. 199.
- Jeremy Kahn, Will Haliburton Clean Up? In: Fortune, 30 März 2003
(www.fortune.com/fortune/fortune500/articles/0,14114,438798.00.html).
- Nelson D. Schwartz, ibid.
- US General Accounting Office, Contingency Operations: Opportunities to Improve
the Logistics Civil Augmentation Program, GAO/NSIAD-97-63, Februar 1997, zit. in P.
W. Singer, S. 205.
- Robert Mandel, ibid., S. 135.
- P. W. Singer, ibid., S. 205.
- P. W. Singer, ibid., S. 218.
* Prof. Dr. Herbert Wulf leitete bis Ende 2001 das Internationale Konversionszentrum
Bonn (BICC). Er führt dort ein von der Volkswagen-Stiftung gefördertes
Forschungsprojekt zur Internationalisierung und Privatisierung der Streitkräfte durch. E-Mail: wulf.herbert@t-online.de
Dieser Beitrag erschien in: Wissenschaft & Frieden 2/2003
Die Zeitschrift Wissenschaft & Frieden erscheint vier Mal im Jahr und ist zu beziehen bei:
BdWi-Verlag
Gisselberger Str. 7
35037 Marburg
Tel. 06421/21395; e-mail:
verlag@bdwi.de )
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