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Exportschlager Tod

Deutsche Söldner als Handlanger des Krieges


Franz Hutsch: Exportschlager Tod. Deutsche Söldner als Handlanger des Krieges. Berlin: Econ-Verlag 2009, ISBN 9-783-430-20072-1, 278 S., 18,90 €

Seit Beginn der 1990er Jahre haben sich neue Formen der Gewährleistung von Sicherheit auf privater und quasi-privater Grundlage etabliert. Die Ursachen dafür sind vielschichtig: Infolge der Verkleinerung der Militärapparate nach Beendigung des Ost-West-Konflikts sucht entlassenes militärisches Personal nach neuen Betätigungsfeldern. Dort, wo Staaten Sicherheit nicht mehr garantieren können, übernehmen private Firmen zunehmend Aufgaben und Funktionen von Polizei und Militär. Rationalisierungsgründe und die Konzentration der Streitkräfte auf Kernkompetenzen unterstützen den Trend des Outsourcing von Sicherheit. In »humanitären Interventionen« übernehmen private Sicherheitsdienstleister immer häufiger Aufgaben der Streitkräfte zu deren Unterstützung.

Während das Geschäft mit der Sicherheit boomt, agieren zahlreiche Firmen in einem quasi rechtsfreien Raum. Die modernen »Contractors«, so bezeichnet um den seit Jahrhunderten negativ besetzten Begriff des Söldners zu vermeiden, sind kaum jemandem Rechenschaft schuldig. Sie dienen in keiner staatlichen Armee und unterliegen damit nicht dem staatlichen Gewaltmonopol, das seit dem Westfälischen Frieden von 1648 den Staaten zukommt.

Mit seinem Buch »Exportschlager Tod. Deutsche Soldaten als Handlanger des Krieges« beschäftigt sich der Kriegsreporter Franz Hutsch mit der immer weiter fortschreitenden Privatisierung des Kriegshandwerks. Private Sicherheitsunternehmen bieten heute ein breites Spektrum von Diensten an, das von Trainings- und Überwachungsaufgaben, der logistischen Unterstützung der Streitkräfte bis hin zur aktiven Teilnahme an Kampfeinsätzen reicht.

An Hand dreier deutscher Söldner, die er bei ihrer gefährlichen Arbeit begleitet hat, vermittelt der Autor einen tiefen Einblick in deren Kriegsalltag mit all seinen Schrecken: Benny beim Einsatz im Irak, Kornelius im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet auf der Jagd nach Osama bin Laden und Kornelius, immer noch traumatisiert vom Massaker in Dasht-e-Leili im Norden Afghanistans.

Der Leser erfährt, wie die Söldner von heute auf verschlungenen und verdeckten Wegen angeworben werden, häufig via Internet. Kriegsveteranen, Arbeitslose oder regulär aus dem Polizei- oder Militärdienst ausgeschiedene Polizisten oder Militärangehörige, nicht selten auch ehemalige Mitglieder von Eliteeinheiten, wie den Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei, der Spezialeinheit GSG 9 der deutschen Bundespolizei oder dem Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK), ausgebildet mit Steuergeldern, steigen in das lukrative Geschäft mit der Sicherheit ein.

Dabei kämpfen moderne Contractoren nicht »für das Vaterland«, wie Soldaten in demokratischen Staaten, sondern für Umsätze und Rendite, neue Märkte und billige Ressourcen. Damit verbunden ist ein riesiges Geschäft. So hat sich in den letzten Jahren ein internationaler Markt für private Sicherheits- und Militärdienstleistungen mit zweistelliger Wachstumsrate etabliert. Es geht um viel Geld, nicht nur für die Firmen, auch für jeden Söldner, der etwa das Fünffache eines Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz verdient. Doch der Preis dafür ist hoch, gelten Söldner doch als »unlawful combatants«.

So geht es vor allem um die Frage, welcher Status den Contractoren zukommt, wenn sie unmittelbar an Kampfhandlungen beteiligt sind. Nach Art . 47, ZP I der Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte gilt als Söldner eine Person, die im In- oder Ausland zu dem besonderen Zweck angeworben ist, an einer Kampfhandlung teilzunehmen, ohne einer am Konflikt beteiligten Partei anzugehören und aus Motiven der privaten Bereicherung handelt.

Das hat Konsequenzen. So werden Söldner nicht als Kombattanten betrachtet und haben keinen Anspruch auf den Status von Kriegsgefangenen. Nach dem humanitären Völkerrecht werden sie als Zivilisten eingestuft, die, sollten sie illegal an einem bewaffneten Konflikt teilnehmen, mit hohen Strafen nach nationalem Recht rechnen müssen, beispielsweise der Aberkennung der Staatsbürgerrechte wie in den USA und Österreich.

Kein Wunder also, dass Militärfirmen den Begriff des Söldners tunlichst vermeiden und stattdessen von »Contractoren« sprechen, was, so Franz Hutsch, eher harmlos wie »Anlageberater« klingt. Auch die Sprache des Krieges wird umgangen, so der Autor. Da wird »bekämpft« statt »gestorben«, »ausgeschaltet« statt »erschossen« und der Mensch degeneriert zum »target«. Kein Wunder also, dass Uli, Benny und Kornelius ihre Anonymität wahren, um sich nicht der Gefahr einer möglichen strafrechtlichen Verfolgung auszusetzen.

An einem weiteren Beispiel widmet sich der Autor dem »dschihadistischen Söldnerhandwerk«, wie er es nennt und beschreibt an Beispielen, wie aus westlichen Jugendlichen auf der Suche nach ihrer Identität und dem Sinn des Lebens radikale Krieger im Dienste Allahs werden. Hier fasst er den Begriff des Söldners sehr weit: Es geht nicht mehr allein um reine Profitgier, wegen der sich Söldner jahrhundertelang haben rekrutieren lassen, sondern auch um ideologische Beweggründe. Sind »islamistische Leihkrieger« dem Begriff des Söldners noch zu zuordnen? Was sind dann Terroristen oder Selbstmordattentäter? Eine genauere Abgrenzung bleibt Franz Hutsch schuldig.

Mit Bezug auf Deutschland stellt er fest, dass bereits ca. 4000 Deutsche als Söldner in weltweiten Einsätzen tätig und an Aufgaben wie Personenschutz, Durchführung von Verhören, Beschaffung von Nachschub für Armeen, dem Antiterrorkampf und dem Kampf gegen Piraten beteiligt sind. Dennoch sei das Land nicht darauf vorbereitet, dass deutsche Contractoren zu einem festen Bestandteil in allen Bereichen des privaten, internationalen Militärgeschäfts geworden sind.

Denn obwohl die Frage des Status und der Verantwortlichkeit einer privaten Sicherheitsfirma in einem bewaffneten Konflikt unklar sei, erfreuten sich diese an Aufträgen von Hilfsorganisationen, Ingenieuren, Wirtschaftsbossen, Journalisten und auch deutschen Ministerien. Es fehle das öffentliche Bewusstsein für die zunehmende Entrechtlichung und Beseitigung von Strukturen, die bislang unter die Zuständigkeit von Regierungen und Parlamenten fielen.

Bislang existierten für das Engagement der Privatfirmen keine Regeln im internationalen Recht. Private Sicherheitsdienstleister seien keine Akteure des internationalen Systems. Sie seien frei von Regulierungen des humanitären Völkerrechts, nicht an internationale Verträge gebunden, die nur zwischen Staaten Gültigkeit besäßen und unterlägen keiner öffentlichen Kontrolle bei Kriegsverbrechen, Verstößen gegen das Völkerrecht oder gegen elementare Menschenrechte. Ohnehin seien Verbrechen in Kriegsgebieten nur schwer nachweisbar und würden selten untersucht. Scheiterten Militäroperationen, seien private Militärfirmen keine öffentliche Rechenschaft schuldig und bei Kampfhandlungen getötete Söldner müssten nicht mit militärischen Ehren unter Anteilnahme der Öffentlichkeit bestattet werden.

Welche Konsequenzen daraus für die gewaltförmigen Konflikte der Gegenwart und der Zukunft entstehen, thematisiert Ex-Bundeswehroffizier Hutsch, in dem er Teile spannungsgeladener Reportagen über das Söldnerhandwerk in den Krisenregionen der Welt mit ausführlichen Analysen in seinem Buch abwechseln lässt. Das Buch ist sehr zu empfehlen, da es einen tiefen Einblick in eine enorm expandierende, aber weitgehend im Verborgenen agierende Branche im großen Geschäft mit der Sicherheit gewährt.

Ulrike Kronfeld-Goharani


Dieser Beitrag erschien in: Wissenschaft & Frieden 4/2009

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