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Krieg mit modernen Söldnern: Ein lukratives Geschäft

Private Söldnerfirmen sind niemandem verantwortlich und nur ihrem Profitinteresse unterworfen - das macht sie so attraktiv für Regierungen

Daniel Weber, der Redaktionsleiter von NZZ Folio (einer Beilage der Neuen Zürcher Zeitung), hat in der Septemberausgabe einen hochinteressanten Bericht über die Tätigkeit privater Militärfirmen vorgelegt. Darin arbeitet er Ergebnisse verschiedener einschlägiger Untersuchungen auf und stützt sich zum Teil auf einen Bericht des Schweizerischen Bundesrats von 2005, der im eidgenössischen Gesetzblatt im Januar 2006 veröffentlicht wurde.
Bombengeschäft. Jeder zehnte Soldat im Irak ist Angestellter einer privaten Militärfirma – ohne die modernen Söldner wird heute kein Krieg mehr geführt. Von Daniel Weber; NZZ Folio 09/06.



Zu den wichtigsten Informationen aus dem Artikel von Daniel Weber gehört folgendes:
  • Die Privatisierung des Kriegs ist für die privaten Militärfirmen ein "Bombengeschäft". Jährlicher Umsatz: rund 100 Milliarden Dollar. Bis 2010 rechnet man mit jährlich 200 Milliarden.
  • Allein die USA haben mit privaten Militärfirmen in den letzten Jahren etwa 3.000 Verträge abgeschlossen.
  • Einige Firmen haben es in die "Fortune-500-Liste" der umsatzstärksten Unternehmen geschafft.
  • Der wichtigste "Markt" ist zur Zeit der Irak: Hier sind rund 60 Firmen im Einsatz. In ihnen "arbeiten" rund 20.000 Beschäftigte – da sind ungefähr so viele wie alle US-Koalitionspartner an regulären Truppen im Irak stationiert haben.
  • Im Golfkrieg 1991 kam auf 100 reguläre Soldaten 1 privater, im Irak heute sind es auf 100 reguläre bereits 10.
  • Aber nur die wenigsten Militärfirmen greifen direkt in die Kampfhandlungen ein. Z.B. unterhält Kellogg, Brown & Root (Teil des Halliburton Konzerns) Stützpunkte, sorgt für Verpflegung und Nachschub für die Truppen. Daran lassen sich Milliarden verdienen.
  • Wofür sind Privatfirmen zuständig? Z.B: Ausbildung der neuen irakischen Armee oder Rekrutierung irakischer Polizisten, Bewachung von Gebäuden und Industrieanlagen; Leibwächter für Politiker und Geschäftsleute, Sicherung von Strassen; Eskortieren von Hilfsgüterkonvois.
  • Das Söldnerwesen ist nichts Neues in der Geschichte. "Schon in einer der ersten grossen Schlachten, der zwischen den Ägyptern unter Ramses II. und den Hethitern bei Kadesch 1285 v. Ch., kämpften auf beiden Seiten Söldnertruppen," wird der Zürcher Strategieexperte Albert A. Stahel zitiert. Auch die Griechen, die Karthager, die Römer stützten sich auf Söldner. Im Spätmittelalter griffen die italienischen Stadtstaaten auf die privaten Berufsheere der Condottieri zurück.
  • Selbst die Schweiz hat eine lange Söldnertradition: Die sog. "Reisläufer", kampfestüchtige Söldner, "waren ein Exportschlager der Eidgenossenschaft, begehrt und gefürchtet auf allen europäischen Schlachtfeldern", schreibt Weber. Ihr guter Ruf war es, der Papst Julius II. veranlasste, 1506 einen Trupp von ihnen als Leib- und Palastwache einzustellen, die Schweizergarde. (Die Reisläuferei wurde erst 1848 mit der Schweizer Verfassung verboten.)
  • Erst mit der Festigung der Nationalstaaten im 17. und 18. Jahrhundert, wurden die Söldnerheere von stehenden Heeren bzw. von Volksarmeen abgelöst. Der Staat beanspruchte für sich allein das Gewaltmonopol.
    "'Das Gewaltmonopol gehört zum Kern des modernen Staats. Dass es heute schleichend unterhöhlt wird, ist ein Zeichen unserer Zeit, ein Auswuchs der Privatisierung', sagt Albert A. Stahel. 'Aber wenn der Staat das Gewaltmonopol aufgibt, gibt er sich selber auf. Dann drohen uns langfristig Verhältnisse wie im Dreissigjährigen Krieg.'"
  • Eines der renommiertesten Unternehmen der Branche, Military Professional Resources Incorporated (MPRI) verdankt seinen Aufstieg den Balkankriegen in den 90er Jahren. Nach der erfolgreichen kroatischen "Operation Sturm" (1995) "folgten Grossaufträge in Bosnien und Mazedonien, Saudiarabien und Kuwait, Angola und Nigeria. Und natürlich ist MPRI einer der wichtigen Vertragspartner der USA im Irak."
  • Die fehlende Transparenz und Kontrolle über das, was die privaten Militärfirmen genau tun, ist von Vorteil für die Auftraggeber. "... solange in den USA ein Kontrakt 50 Millionen Dollar nicht übersteigt, muss der Kongress davon nicht in Kenntnis gesetzt werden. Damit kann die Regierung ... den politischen Preis des Irakfeldzugs niedriger halten. Nicht offengelegt wird etwa, wie viele Söldner im Irak umgekommen sind. Schätzungen gehen von Hunderten aus, aber sie erscheinen in keiner Gefallenenstatistik."
  • Privatsoldaten bewegen sich in einer (völker-)rechtlichen Grauzone, sie sind weder Soldaten noch Zivilisten. Dies erklärt nach Daniel Weber, "warum seit Kriegsbeginn im Irak kein einziger Privatsoldat eines Verbrechens angeklagt oder verurteilt wurde. Selbst nicht im Folterskandal von Abu Ghraib."
  • Schließlich verweist Weber auf einen Bericht des Schweizerischen Bundesrats von 2005, worin auch die völkerrechtliche Dimension des Söldnertums untersucht wird. Die entsprechenden Abschnitte haben wir im Kasten dokumentiert.
  • Die Schweiz selbst kam übrigens auch nicht umhin, eine private Söldnerfirma anzuheuern - und fiel zunächst offenbar auf ein wenig seriöses Unternehmen herein. Weber beschreibt das so:
    "Nachdem die amerikanischen Behörden in Bagdad sich ausserstande erklärt hatten, die Sicherheit ausländischer Botschaften zu garantieren, stand für den Bundesrat die Entsendung von Schweizer Soldaten nicht zur Diskussion, weil dies 'das Risiko von Attentaten gegen unsere Vertretung erhöht' hätte. Stattdessen wurde im Februar 2004 ein Unternehmen beauftragt, das 'über aktive Erfahrungen mit den Verhältnissen in Bagdad' verfügte und hochqualifiziertes Personal anbot: Meteoric Tactical Solutions, eine Militärfirma aus Südafrika. Zwei der drei Eigentümer der Firma wurden im selben Jahr verhaftet, weil sie mit einem Söldnertrupp in einen Putschversuch in Äquatorialguinea verwickelt waren. Den Kontrakt erhielt daraufhin eine andere Militärfirma." (Leider teilt uns der Autor den Namen der neuen Firma nicht mit.)
Quelle: www.nzzfolio.ch


Auszüge aus dem

"Bericht des Bundesrats zu den privaten Sicherheits- und Militärfirmen"

vom 2. Dezember 2005 Quelle: Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesblatt Nr. 2, 17. Januar 06, S. 623-684

Übersicht (Seite 624-625)

Der vorliegende Bericht geht auf ein von Herrn Ständerat Philipp Stähelin am 1. Juni 2004 eingereichtes Postulat 04.3267 «Private Sicherheitsfirmen» zurück. Darin wird der Bundesrat aufgefordert, eine Standortbestimmung seiner sicherheitspolitischen Führungsorgane über Herkunft, Einsatz sowie die Vorgehensweise privater Sicherheitsfirmen im Bereich des traditionell staatlichen Gewaltmonopols vorzunehmen. Der Bericht soll insbesondere abklären, ob das schweizerische und das internationale Recht genügen, um den heutigen Herausforderungen zu begegnen. Der Bericht behandelt auch die in der am 16. Dezember 2004 von Frau Nationalrätin Ursula Wyss eingereichten Motion 04.3748 «Schaffung rechtlich verbindlicher Bestimmungen über den Umgang der Schweiz mit privaten Militärunternehmen und Sicherheitsfirmen» aufgeworfenen Fragen. Diese Motion fordert vom Bundesrat, über den Umgang und den Einsatz privater Militärunternehmen und Sicherheitskräfte im Ausland im Auftrag der Schweiz sowie den Übertritt von ehemaligen Schweizer Offizieren und Spitzenbeamten in solche Firmen rechtlich verbindliche Bestimmungen zu erlassen. Schliesslich schlägt der Bericht Massnahmen vor, welche die Schweiz auf der internationalen Ebene ergreifen möchte. Damit wird auch den Anliegen der am 17. Dezember 2004 eingereichten Motion Wyss 04.3796 «Aufnahme international gültiger Regeln für private Militärunternehmen und Sicherheitsfirmen » Rechnung getragen. Diese Motion verlangt vom Bundesrat, dafür zu sorgen, dass sich die Schweiz auf internationaler Ebene für verbindliche Regelungen stark macht, welche den Einsatz, die Verantwortlichkeiten und die Einhaltung des humanitären Völkerrechtes sowie der Menschenrechte durch private Militärunternehmen und Sicherheitskräfte festlegen.

Das Gewaltmonopol ist eines der Kernelemente des modernen Staates. Obwohl sie nicht a priori ausgeschlossen werden kann, tangiert eine Privatisierung von Sicherheitsaufgaben die Grundlagen oder doch wenigstens die Legitimation des Staates. Sie kann deshalb nur für Randbereiche in Frage kommen. Auch einer Delegation staatlicher Sicherheitsaufgaben an Private sind enge Grenzen gesetzt, obwohl diese weniger weit geht als eine Privatisierung, weil die delegierten Aufgaben nach wie vor im staatlichen Verantwortungsbereich verbleiben. Eine in der Bundesverwaltung durchgeführte Erhebung zeigt, dass die Delegation staatlicher Aufgaben an private Sicherheitsunternehmen im Bereich des Bundes eine eher untergeordnete Rolle spielt. Dennoch ist der Bundesrat bereit zu prüfen, ob es sinnvoll sein könnte, die Voraussetzungen, welche private Sicherheitsunternehmen erfüllen müssen, um einen Bundesauftrag zu erhalten sowie die in den einzelnen Vereinbarungen zu regelnden Fragen in allgemein gültiger Weise festzulegen. Gegenwärtig stehen diese Punkte im Ermessen der jeweiligen Auftraggeber.

Der Bericht untersucht ausserdem, in welchem Ausmass das kantonale Recht private Sicherheitsunternehmen einer staatlichen Aufsicht unterstellt. Der Bundesrat lädt die Kantone dazu ein, ihre diesbezüglichen Vorschriften zu harmonisieren. Schritte in dieser Richtung werden bereits unternommen, erarbeitete doch die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS) «Musterbestimmungen» zu dieser Thematik. Der Bericht gibt auch einen Überblick über Bestimmungen des geltenden Bundesrechts, die für die Aktivitäten privater Sicherheitsfirmen relevant sein können.

Der Bericht geht aber auch auf die Problematik privater Sicherheitsfirmen ein, welche die Schweiz als Basis für Aktivitäten in ausländischen Konflikt- und Krisengebieten nutzen könnten. Der Bundesrat ist bereit zu prüfen, ob eine Bewilligungs- oder Lizenzierungspflicht für solche Unternehmen sinnvoll sein könnte.

Schliesslich gibt der Bericht einen Überblick über das einschlägige Völkerrecht. Neben dem zwischenstaatlichen Gewaltverbot und dem Nichteinmischungsgebot gelten vor allem die Bestimmungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte. Dabei erweist sich deren Respektierung durch private Sicherheits- und Militärfirmen bzw. in diesen Bereichen tätige Privatpersonen als Hauptproblem. Der Bericht zeigt Massnahmen auf, welche die Staaten auf nationaler Ebene ergreifen könnten, kommt jedoch zum Schluss, dass nationale Regelungen allein nicht genügen. Es fehlt heute an einem internationalen Dialog bzw. einem zwischenstaatlichen Prozess, um geeignete Massnahmen zur besseren Respektierung des Humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte erörtern zu können.

Aufgrund ihrer humanitären Tradition und als Vertragsstaat der Genfer Abkommen könnte die Schweiz einen sinnvollen Beitrag zur Kodifikation und Präzisierung der rechtlichen Voraussetzungen und Schranken der Tätigkeit privater Sicherheits- und Militärunternehmen sowie zur Förderung der Respektierung des Humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte leisten. Sie könnte einen internationalen Prozess initiieren oder auch als Katalysator wirken. Entsprechende Überlegungen wurden bereits angestellt und mit dem IKRK abgestimmt. Erste Treffen mit Spezialisten fanden im Sommer 2005 statt. Im Jahr 2006 soll eine Konferenz mit Regierungsexperten abgehalten werden. Weitere Massnahmen zur Stärkung und Präzisierung des einschlägigen Völkerrechts sind vorgesehen. Damit wird der Bundesrat die Anliegen der zuvor genannten Motion 04.3796 realisieren können.

3.2 Zunehmende Bedeutung privater Militär- und Sicherheitsfirmen im internationalen Umfeld (Seite 640-641)

Zwangsinterventionen privater, nicht-staatlicher Organisationen oder Individuen zur Durchsetzung einer bestimmten Ordnung bzw. Machtstruktur im Ausland sind keineswegs neuartige Phänomene, wie oft aufgrund aktueller Geschehnisse (Irak) angenommen wird.

So stützten z.B. die ab dem 13. Jahrhundert aufstrebenden italienischen Stadtstaaten ihre Macht fast ausschliesslich auf von sog. Condottieri geführte private Berufsheere, die vertraglich engagiert wurden. Ein anderes bekanntes Beispiel sind die äusserst einflussreichen privaten Handelsgesellschaften, die in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Vorläufer oder im Rahmen der britischen und holländischen Kolonialherrschaft auf dem indischen Subkontinent und in Südostasien in Erscheinung traten und über mächtige militärische Machtapparate geboten. Selbst 1782, nachdem die britische Kolonialherrschaft in Indien längst Bestand hatte, verfügte die dortige britische East India Company über eine Privatarmee von mehr als 100 000 Mann und war damit wesentlich schlagkräftiger als die britischen Kolonialstreitkräfte [20]. Solche nicht in obrigkeitliche Strukturen eingebundene «private Militärorganisationen » blieben allerdings eher die Ausnahme. Bis ins 20. Jahrhundert hinein weit verbreiteter war das Söldnerwesen, worunter gemeinhin Personen subsumiert werden, die sich gegen Entgelt vertraglich verpflichteten, als Kämpfer einer fremden Macht zu dienen und in deren Kriegen mitzukämpfen [21].

Die jüngsten internationalen Entwicklungen zeigen eine stark zunehmende Bedeutung privater Dienstleistungen im Militär- und Sicherheitsbereich. Heute hat man es mit einem grossen Marktpotential und vielen tausenden weltweit zum Einsatz kommenden Personen zu tun. Der Fall des Irak manifestiert diese Entwicklung besonders deutlich: Nach Schätzungen standen dort im Frühjahr 2003 rund 15–20 000 Personen bei privaten Sicherheitsunternehmen unter Vertrag, eine Zahl, die seither noch weiter gestiegen ist [22]. Der globale Markt umfasst heute etwa 100 international tätige Unternehmen, die in ebenso vielen Staaten aktiv sind [23]. Das weltweite Marktvolumen wird auf ca. 100 Milliarden US$ geschätzt, mit einer prognostizierten Verdoppelung bis zum Jahr 2010 [24]. In einigen Staaten entsprechen die öffentlichen und privaten Ausgaben für private Sicherheitsunternehmen bereits einem Drittel, gelegentlich sogar 100 % der Ausgaben für die regulären Streitkräfte. Einzelne Aufträge an private Sicherheitsfirmen erreichen Geschäftsvolumen von mehreren hundert Millionen US$ [25]. In Krisenstaaten wie Algerien oder Kolumbien geben Privatunternehmen gegen neun Prozent ihres operationellen Aufwands für Sicherheitsmassnahmen aus [26]. Im Militär- und Sicherheitsbereich tätige, international operierende private Firmen stellen ihren Auftraggebern nicht nur logistische Unterstützung, Personal und Infrastruktur, sondern gelegentlich auch schweres Kriegsgerät wie Kampfflugzeuge, Panzer und Artillerie zur Verfügung [27].

Der internationale Bedeutungszuwachs privater Dienstleistungen im Militär- und Sicherheitsbereich hat wesentlich damit zu tun, dass mit dem Ende des Kalten Kriegs in verschiedenen Regionen Machtvakuen entstanden, die den vollständigen oder partiellen Zerfall ethnisch oder politisch instabiler Staaten begünstigten. So genannte «failed states», «failing states» oder auch «weak states» wurden zahlreicher, d.h. Länder ohne oder mit schlecht funktionierenden Regierungs- und Verwaltungsstrukturen bzw. staatlicher Ordnungsmacht, in denen das staatliche Gewaltmonopol in gewissen Regionen oder im ganzen Land in Frage gestellt wird.

Unter dem Eindruck der Risiken verschiedener unter dem Kommando der UNO, regionaler Organisationen, aber auch einzelner Staaten durchgeführter Interventionen zur Herstellung einer minimalen Ordnung bzw. Verhinderung humanitärer Katastrophen (z.B. in Somalia 1992, in Bosnien 1992–1995, in Liberia 1994) entstand namentlich in den westlichen Demokratien eine Diskussion über den Einsatz eigener Soldaten oder Polizeikräfte in Kriegs- und Krisengebieten. Die schwer abschätzbaren Eskalationsrisiken bei Ordnungsinterventionen (Peace-Keeping, Peace-Building, humanitäre Intervention), aber auch die zunehmende demokratische Sensibilisierung und Medialisierung der westlichen Gesellschaften führten zu einer restriktiveren Ausgestaltung der rechtlichen Voraussetzungen für die Entsendung staatlicher Militär- oder Polizeikräfte. Andererseits benötigen staatliche Vertretungen sowie die exponierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter supranationaler Organisationen und NGO’s in Gebieten mit nur sehr schlecht oder gar nicht funktionierenden staatlichen Ordnungsstrukturen unbestrittenermassen einen besonderen Schutz. Dieser wird von privaten Firmen im Militär- und Sicherheitsbereich angeboten. Deren Verluste an Menschenleben finden – anders als im Falle von Angehörigen der Streitkräfte – keinen Eingang in die Opferstatistik bestimmter Staaten.

Der Bedeutungszuwachs privater Militärfirmen ist aber auch darauf zurückzuführen, dass sich nach der Überwindung des Kalten Kriegs namentlich die Grossmächte aus weiter ausgetragenen internen Konflikten zurückgezogen haben. Mangels staatlicher Unterstützung greifen die stark fragmentierten Bürgerkriegsparteien, die häufig nicht über das zur Beherrschung und Wartung moderner Waffensysteme erforderliche «Know How» verfügen, auf private Militärfirmen zurück. Die Angebotsseite begünstigt diese Entwicklung zusätzlich, setzte doch die starke Redimensionierung der Streitkräfte in den Staaten des ehemaligen Ostblocks und der NATO, aber auch in Südafrika nach dem Ende der Apartheid, zahlreiche personelle und materielle Ressourcen frei.

[Fußnoten]
  • 20 P.W. Singer, Corporate Warriors, Cornell University Press, Ithaca (N.Y.) 2003, S. 35.
  • 21 Eine grosse – auch ökonomische – Bedeutung hatte das Söldnerwesen insbesondere auch in der Alten Eidgenossenschaft: Im Rahmen der sogenannten «Reisläuferei» traten von Beginn des 14. bis Ende des 19. Jahrhunderts schätzungsweise 2 Millionen Söldner der eidgenössischen Orte in fremde Kriegsdienste ein, vgl. Schweizer Lexikon 91, Bd. 2, Luzern 1992, S. 745 (Stichwort: «fremde Dienste»). Obwohl völkerrechtliche Verträge, die ausländischen Staaten das Anwerben von Personen auf schweizerischem Gebiet zugestanden, bereits in der ersten Bundesverfassung vom 12. September 1848 verboten wurden und kurz danach auch der Eintritt in fremde Militärdienste strafbar wurde, blieb z.B. die französische Fremdenlegion nach wie vor attraktiv: Man geht davon aus, dass seit 1831 ca. 60 000 Schweizer dort Dienst geleistet haben, ibid., S. 746 (Stichwort: «Fremdenlegion »).
  • 22 Daniel Berger, «The Other Army», The New York Times vom 14.8.2005, nennt für Juni 2005 eine Zahl von 25 000 bewaffneten Personen, die privat engagiert wurden. Vgl. auch Caroline Holmquist, Private Security Companies. The Case for Regulation, SIPRI Policy Paper No.9, Stockholm, Januar 2005, S. 1.
  • 23 Holmquist, a.a.O. (Fn. 22), S. 1.
  • 24 Singer, a.a.O. (Fn. 20), S. 78.
  • 25 Singer, a.a.O., (Fn. 20), S. 80.
  • 26 Singer, a.a.O., (Fn. 20), S. 81.
  • 27 So offenbar in Angola, vgl. Singer, a.a.O. (Fn. 20), S. 10, mit Verweis auf Al Venter, «Out of State and Non-State Actors Keep Africa Down», Janes’ Intelligence Review, 11 (01.05.1999).

5 Der völkerrechtliche Rahmen (S. 665-675)

Das Völkerrecht regelt die Aktivitäten privater Sicherheitsunternehmen in Konfliktgebieten nicht explizit. Spezifische Völkerrechtsnormen gibt es lediglich hinsichtlich der Söldnerthematik (Ziff. 5.1). Relevant sind jedoch die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, des Humanitären Völkerrechts und unter Umständen der Menschenrechte (Ziff. 5.2 bis 5.4). Schliesslich auferlegt das Neutralitätsrecht den neutralen Staaten gewisse Pflichten (Ziff. 5.7). 5.1 Völkerrechtliche Regeln in Bezug auf das Söldnerwesen

5.1.1 Art. 47 des Ersten Zusatzprotokolls von 1977


Das Humanitäre Völkerrecht enthält mit Artikel 47 des Ersten Zusatzprotokolls von 1977 (ZP I) [96], das von der grossen Mehrheit der Staaten ratifiziert wurde, lediglich eine Bestimmung, die spezifisch Söldner betrifft [97].

Wie dem ersten Absatz dieser Bestimmung zu entnehmen ist, verbietet Artikel 47 ZP I das Söldnerwesen nicht, obwohl dies in den Verhandlungen über diese Bestimmung v.a. afrikanische Staaten gewünscht hatten. Aufgrund von Artikel 47 ZP I kann Söldnern jedoch der privilegierte Status eines Kombattanten oder Kriegsgefangenen verweigert werden. Insbesondere können somit Söldner im Gegensatz zu Kombattanten bzw. Kriegsgefangenen für den blossen Umstand der aktiven Teilnahme am bewaffneten internationalen Konflikt vom gegnerischen Staat strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

Ein Staat ist jedoch nicht dazu gezwungen, den Kriegsgefangenenstatus zu verweigern; der Söldner hat lediglich «keinen Anspruch» auf diesen. Auch sind Söldner selbst bei Verweigerung des Kriegsgefangenenstatus nicht völlig schutzlos, sondern geniessen etwa den in Artikel 75 ZP I verankerten Mindestschutz, der völkergewohnheitsrechtlichen Charakter hat.

Die Bedeutung von Artikel 47 ZP I ist in der Praxis jedoch verschwindend klein. Die sechs in Absatz 2 aufgezählten und kumulativen Bedingungen sind derart restriktiv und deshalb oft schwierig zu beweisen, dass Arbeitnehmende eines privaten Sicherheitsunternehmens kaum darunter fallen. Die Mehrheit der privaten Militärunternehmen bietet zwar inhärent militärische Dienstleistungen an, jedoch nur selten eine unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten. Nicht zuletzt können Staatsangehörige einer Konfliktpartei definitionsgemäss keine Söldner sein. Effektiv ist davon auszugehen, dass selbst von den militärische Funktionen ausübenden und in Konfliktsituationen tätigen Angestellten privater Sicherheitsunternehmen nur ein geringer Teil allenfalls als Söldner qualifiziert werden könnte.

5.1.2 Relevante Instrumente der UNO und einzelner Regionalorganisationen

Die Diskussion des Söldnerwesens in den Vereinten Nationen wurde und wird wesentlich durch postkoloniale Erfahrungen geprägt. Zur Zeit der Dekolonialisierung wurden mehrere der damals im Entstehen begriffenen Staatswesen und nach Unabhängigkeit strebenden Regimes direkt durch Söldnerformationen bedroht. Die aufgrund dieser Erfahrungen redigierten UNO-Instrumente bezwecken nicht zuletzt die Verhinderung des Einsatzes von Söldnern gegen legitime Regierungen und deren Selbstbestimmung. 1970 verabschiedete die UNO-Generalversammlung die Deklaration 2625 (XXV) über die Prinzipien des Völkerrechts betreffend die freundschaftlichen Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen den Staaten («Friendly Relations Declaration»). Diese Deklaration ist nicht formell bindend, wird aber als eines der grundlegenderen Dokumente der Vereinten Nationen und Interpretation der UNO-Charta angesehen. Das erste in der Deklaration präzisierte Prinzip ist jenes des (völkergewohnheitsrechtlichen) Gewaltverbots, also des die Staaten betreffenden Verbots jeder Androhung oder Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen, die gegen die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtet oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbar ist. Eine der Konkretisierungen lautet:

«Jeder Staat hat die Pflicht, die Organisation oder Förderung der Organisation von irregulären (Streit-)Kräften oder bewaffneten Banden (‹irregular forces or armed bands›), einschliesslich von Söldnern, zum Eindringen in das Territorium eines anderen Staates zu unterlassen.»

Diese Deklaration von 1970 statuiert somit eine staatliche Pflicht, Söldner nicht gegen die territoriale Integrität oder Unabhängigkeit eines anderen Staates zu verwenden. Diese explizite Erwähnung des Söldnerwesens durch die UNO-Generalversammlung stellt ein Novum in der internationalen Behandlung des Söldnerwesens dar, weil das Völkerrecht sich zuvor mit dieser Thematik gar nicht befasst hatte. Die Deklaration definiert allerdings nicht, was unter «irregulären (Streit-)Kräften oder bewaffneten Banden» zu verstehen ist.

Die heutige Afrikanische Union (AU, ehemals «Organisation of African Unity», OAU) nahm am 3. Juli 1977 eine Konvention zur Eliminierung des Söldnertums in Afrika an. Artikel 1 Absatz 1 dieser Konvention definiert Söldner fast wörtlich gleich wie Artikel 47 ZP I. Dies macht es wie bereits erwähnt in der Praxis schwierig, jemanden aufgrund der Konvention der AU juristisch als Söldner zu qualifizieren [98]. Die Konvention verbietet den Vertragsstaaten jedoch nicht jeglichen Gebrauch von Söldnern, wie etwa deren Einsatz gegen dissidente Gruppen im eigenen Staat [99].

Die UNO-Konvention gegen die Rekrutierung, Nutzung, Finanzierung und Ausbildung von Söldnern vom 4. Dezember 1989 definiert Söldner in Artikel 1 Absatz 1 in sehr ähnlicher Weise wie Artikel 47 ZP I. Dadurch ist es in der Praxis auch aufgrund der Definition der UNO-Konvention schwierig, jemanden als «Söldner» zu qualifizieren. Immerhin geht die Definition der UNO-Konvention leicht über jene des Ersten Zusatzprotokolls hinaus, indem sie nicht nur Situationen bewaffneter Konflikte berücksichtigt, sondern auch auf die organisierte Gewalt zum Sturz einer Regierung oder zu einer anderen Unterminierung der Verfassungsordnung oder der territorialen Integrität eines Staates anwendbar ist.

Die UNO-Konvention kriminalisiert die Rekrutierung, Finanzierung, Ausbildung und den Gebrauch von Söldnern sowie die aktive Teilnahme der Söldner selbst an organisierter Gewalt. Diese Aktivitäten sind durch die Vertragsstaaten zu verbieten.

Die UNO-Konvention trat erst mehr als ein Jahrzehnt nach ihrer Annahme in Kraft [100]. Die Schweiz hat die Konvention bisher nicht ratifiziert. Die Frage der Ratifikation der Konvention war in den 1990er Jahren nicht prioritär, zumal es bereits damals verschiedene Ansichten über deren Effektivität gab. Die UNO-Konvention reflektiert kein Völkergewohnheitsrecht, wie die geringe Anzahl Ratifikationen deutlich macht.

5.1.3 Schlussfolgerung: Völkergewohnheitsrecht verbietet das Söldnerwesen nicht

Während Artikel 47 ZP I und die «Friendly Relations Declaration» der UNO das Söldnerwesen nicht verbieten, stellen sowohl die Konvention der AU von 1977 wie auch die UNO-Konvention von 1989 bei weitem keine universell akzeptierten Rechtsinstrumente dar. Somit verbietet das Völkergewohnheitsrecht das Söldnerwesen nicht und enthält auch keine spezifisch nur das Söldnerwesen einschränkende Normen.

Hinsichtlich der Konventionen der AU und jener der UNO ist zu bemerken, dass mehrere der dort festgelegten Definitionselemente derart restriktiv und schwierig zu beweisen sind, dass die praktische Relevanz der Konvention selbst für die vertraglich gebundenen Staaten beschränkt ist. Die beiden Konventionen befassen sich primär mit Individuen, welche gegen nationale Regierungen vorgehen und sind nicht zur Regulierung des Einsatzes privater Sicherheitsunternehmen in allgemeinen Konfliktsituationen bestimmt. Das Konzept des «Söldners» wird aus diesen Gründen teilweise als veraltet bezeichnet und für ungeeignet befunden, um das weiter entwickelte Phänomen privater Militär- und Sicherheitsunternehmen sinnvoll regeln zu können.

Somit sind die allgemeingültigen, eben nicht spezifisch nur die Söldner betreffenden Völkerrechtsnormen zu prüfen, um allfällige den Einsatz und das Verhalten privater Sicherheitsunternehmen regelnde Völkerrechtsnormen zu finden.

5.2 Allgemeines Völkerrecht

5.2.1 Allgemeine Prinzipien des Völkerrechts


Gemäss dem völkergewohnheitsrechtlichen, in Artikel 2 Absatz 4 der UNO-Charta verankerten Gewaltverbot ist es Staaten verboten, in den internationalen Beziehungen Gewalt anzudrohen oder anzuwenden, die gegen die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtet oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbar ist. Ausnahmen sind die individuelle oder kollektive Selbstverteidigung (Artikel 51 UNO-Charta) oder eine Resolution des UNOSicherheitsrats nach Kapitel VII der UNO-Charta. Wie bereits erwähnt besagt die «Friendly Relations Declaration» der UNO von 1970 zudem, dass Staaten die Organisation oder Förderung der Organisation irregulärer (Streit-)Kräfte oder bewaffneter Banden, einschliesslich Söldnern, zum Eindringen in das Territorium eines anderen Staates zu unterlassen haben. Die Staaten dürfen das Gewaltverbot und das Interventionsverbot («obligation of non-intervention») weder durch eigene Streitkräfte noch durch den Gebrauch privater Sicherheitsunternehmen verletzen.

5.3 Humanitäres Völkerrecht

5.3.1 Was ist der Inhalt des Humanitären Völkerrechts?


Das Humanitäre Völkerrecht wird auch das Recht der bewaffneten Konflikte, Kriegsvölkerrecht oder «ius in bello» genannt. Es ist nur in bewaffneten Konflikten anwendbar. Das Ziel dieses Rechtsgebiets ist die Milderung der Leiden potentieller Opfer und anderer negativer Effekte der Kriegsführung.

Zu den wichtigsten Rechtsquellen des Humanitären Völkerrechts gehören die vier Genfer Abkommen von 1949 [101] und ihre beiden Zusatzprotokolle von 1977 [102] sowie die Haager Landkriegsordnung von 1907 [103] und mehrere Konventionen, die spezifische Waffen verbieten oder deren Gebrauch einschränken. Praktisch alle Staaten der Erde haben die Genfer Abkommen ratifiziert, und auch die beiden Zusatzprotokolle sind für die grosse Mehrzahl der Staaten, einschliesslich der Schweiz, bindend. Auch das Haager Recht geniesst breite Anerkennung. Ein relativ grosser Teil des Humanitären Völkerrechts ist denn auch völkergewohnheitsrechtlich verbindlich. Die auf internationale bewaffnete Konflikte anwendbaren humanitärvölkerrechtlichen Bestimmungen sind immerhin erheblich zahlreicher und detaillierter als diejenigen, die in internen Konflikten Anwendung finden.

Das Humanitäre Völkerrecht enthält einerseits bestimmte Regeln, die im Hinblick auf sich im Machtbereich einer Konfliktpartei aufhaltende Personen (insbesondere die Zivilbevölkerung in besetzten Gebieten und Gefangene) zu beachten sind, etwa das Verbot der Folter, das Verbot der unmenschlichen Behandlung, das Verbot des Transfers der Zivilbevölkerung, oder die Freilassung von Gefangenen nach Ende des bewaffneten Konflikts. Weiter limitiert das Humanitäre Völkerrecht die Art und Weise der in bewaffneten Konflikten völkerrechtlich zulässigen Kampfführung. So sind etwa Angriffe auf geschützte Personen und Objekte wie etwa Zivilpersonen, zivile Objekte sowie Personal oder Objekte des Roten Kreuzes verboten. Angriffe auf militärische Ziele sind zudem dann verboten, wenn damit zu rechnen ist, dass dadurch Zivilpersonen oder zivile Objekte unverhältnismässig zu Schaden kommen. Auch ist der Gebrauch bestimmter Waffen verboten, wie beispielsweise die Anwendung biologischer oder chemischer Waffen. Ebenso sind bestimmte Methoden der Kampfführung wie etwa die Perfidie oder der Missbrauch des Emblems des Roten Kreuzes ausgeschlossen. Besatzungsmächte haben weitere, spezifische Pflichten hinsichtlich der Bevölkerung und Verwaltung der besetzten Gebiete.

5.3.2 Anwendbarkeit des Humanitären Völkerrecht auf private Sicherheitsunternehmen

Das Humanitäre Völkerrecht richtet sich nicht nur an Staaten. Es enthält auch zahlreiche Bestimmungen, die von Individuen und sogar Zivilpersonen zu beachten sind. Das vielleicht bekannteste Beispiel ist der allen vier Genfer Abkommen [104] gemeinsame Artikel 3, wonach Zivilisten, Angehörige bewaffneter Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben sowie Personen, die wegen Krankheit, Verwundung oder Gefangennahme nicht (mehr) kampffähig sind, menschlich zu behandeln sind und nicht Angriffen auf Leib und Leben, Verstümmelungen, Folter oder grausamer Behandlung ausgesetzt werden dürfen. Alle Individuen, die aktiv an internen oder internationalen bewaffneten Konflikten teilnehmen, müssen – unabhängig von ihrer Nationalität – bestimmte Mindestregeln der Kriegsführung beachten, ob sie nun Mitglieder von Streitkräften, spontan zur Waffe greifende Zivilpersonen oder Angestellte privater Sicherheitsunternehmen sind. Dasselbe gilt für Individuen, die im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt gefangen genommene Personen beaufsichtigen.

5.3.3 Staatliche Pflichten hinsichtlich privater Sicherheitsunternehmen

Der den vier Genfer Abkommen gemeinsame Artikel 1 bestimmt, dass die Vertragsstaaten verpflichtet sind, die Genfer Abkommen unter allen Umständen einzuhalten und deren Einhaltung durchzusetzen. Somit haben die Staaten einerseits dafür zu sorgen, dass alle staatlichen Akteure das Humanitäre Völkerrecht einhalten. Darüber hinaus haben die Vertragsstaaten der Genfer Abkommen die Pflicht, auch darauf hinzuwirken, dass Dritte, seien dies nun andere Staaten oder Private, das Humanitäre Völkerrecht beachten. Staaten können sich ihren humanitärvölkerrechtlichen Verpflichtungen nicht dadurch entziehen, dass sie bestimmte Aufgaben an private Unternehmen auslagern. Vielmehr haben sie dafür zu sorgen, dass private Sicherheitsunternehmen, die sie in Konfliktsituationen einsetzen, die ihren Gesellschaftssitz im betreffenden Staat haben oder die auf ihrem Territorium agieren, das Humanitäre Völkerrecht respektieren. Zudem sind die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, unabhängig vom Tatort oder der Nationalität des Täters oder der Opfer insbesondere schwere Verletzungen der Genfer Abkommen zu ahnden.

5.4 Die Menschenrechte

5.4.1 Einhaltung der Menschenrechte als traditionelle Verpflichtung der Staaten


Als Teil des Völkerrechts verpflichten die Menschenrechte traditionell nur die Staaten gegenüber ihren Bürgern oder anderen Personen. Es ist die Pflicht der Staaten, dafür zu sorgen, dass die Menschenrechte von den für sie handelnden Akteuren respektiert werden.

Bei privaten Sicherheitsunternehmen, die von Staaten beauftragt werden, ohne zugleich auch in die staatlichen Streit- oder Polizeikräfte integriert zu werden, stellt sich insbesondere die Frage, ob sie als staatliche Akteure gelten und deshalb die völkerrechtlich verbrieften Menschenrechte zu beachten haben.

Ähnlich wie beim Humanitären Völkerrecht gilt hier ebenfalls, dass Staaten sich ihrer Menschenrechtspflichten nicht dadurch entledigen dürfen, dass sie gewisse Aufgaben an Private auslagern.

Die internationalen Menschenrechtskonventionen sind zudem auch in Situationen bewaffneter Konflikte anwendbar, wie der Internationale Gerichtshof [105] und der UNO-Menschenrechtsausschuss [106] bestätigt haben. Eine Ausnahme bilden diejenigen Menschenrechte, die gemäss den Vertragsbestimmungen derogierbar sind. Nicht derogierbar sind unter anderem das Recht auf Leben sowie das Verbot der Folter und der unmenschlichen Behandlung. Zudem bildet das Humanitäre Völkerrecht oft die «lex specialis», d.h. es sagt aus, wie ein konkretes Menschenrecht in der Situation eines bewaffneten Konflikts zu verstehen ist.

5.4.2 Direkte Anwendbarkeit der Menschenrechte auch für private Sicherheitsunternehmen?

Wenn private Sicherheitsunternehmen nicht von Staaten, sondern von Privatpersonen oder Firmen beauftragt werden, so sind sie eindeutig keine staatlichen Akteure. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Menschenrechte oder zumindest gewisse Menschenrechte auch auf die Beziehungen zwischen den Angestellten der privaten Sicherheitsunternehmen und anderen Privatpersonen einwirken können. Eine solche Horizontalwirkung der Menschenrechte ist umstritten.

Immerhin sei erwähnt, dass Private auch in Friedenszeiten unmittelbar aufgrund des Völkerrechts für grobe Verletzungen bestimmter Menschenrechte individuell strafbar sein können. Dies wird unter anderem durch das von der Schweiz ratifizierte Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998 [107] bestätigt. Gemäss Artikel 7 des Römer Statuts können auch Private für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, beispielsweise in der Form der Folter oder des zwangsweisen Verschwindenlassens von Personen, strafrechtlich verantwortlich werden.

5.5 Konsequenzen der Verletzung von Völkerrecht

Bisher sieht das Völkerrecht keine strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen vor, die sich direkt auf völkerrechtliche Bestimmungen abstützt, obwohl es gewisse Bestrebungen in diese Richtung gibt. Sehr wohl aber können Individuen direkt gestützt auf das Völkerrecht strafrechtlich verantwortlich werden. Auch trifft die Staaten für von Privatunternehmen verursachte Schäden unter gewissen Umständen eine völkerrechtliche Verantwortung, etwa wenn sie ihre völkerrechtliche Pflicht, auf ihrem eigenen Gebiet keine Aktivitäten auszuüben oder zu dulden, die gravierende grenzübergreifende Schäden verursachen, missachten.

5.5.1 Staatenverantwortlichkeit

Völkerrechtswidrige Handlungen oder Unterlassungen, die Staaten völkerrechtlich zugerechnet werden können, lassen deren so genannte Staatenverantwortlichkeit entstehen. Wichtige Regeln der Staatenverantwortlichkeit finden sich in den das Völkergewohnheitsrecht reflektierenden «Draft Articles on Responsibility of State for Internationally Wrongful Acts» der «International Law Commission» der Vereinten Nationen (ILC).

Einem Staat zugerechnet werden kann zum einen ein völkerrechtswidriges Verhalten seiner Organe [108]. Zum andern kann ein völkerrechtswidriges Verhalten einer natürlichen Person, einer Gruppe von natürlichen Personen oder einer juristischen Person, die keine Staatsorgane sind, ebenfalls einem Staat zugerechnet werden, wenn die genannten Akteure aufgrund des Rechts dieses Staates ermächtigt sind, hoheitliche Tätigkeiten auszuüben oder wenn sie bei ihren Tätigkeiten faktisch auf Anweisung oder unter der Leitung oder Kontrolle dieses Staates handeln. Zudem wird das Verhalten einer Person oder Personengruppe nach dem Völkerrecht als Handeln eines Staates betrachtet, wenn die Person oder Personengruppe in Abwesenheit oder Ermangelung der öffentlichen Behörden tatsächlich hoheitliche Funktionen wahrnehmen und Umstände vorliegen, welche die Ausübung solcher hoheitlichen Funktionen erforderlich machen (Art. 5, 8 und 9 der ILC Draft Articles).

Die Konsequenz dieser Staatenverantwortlichkeit ist die Verpflichtung zur vollständigen Wiedergutmachung (z.B. Wiederherstellung, Schadenersatz oder Genugtuung) gegenüber anderen geschädigten Staaten oder allenfalls auch gegenüber der «internationalen Gemeinschaft» (Teil 2 der ILC Draft Articles).

Somit können insbesondere Handlungen privater Sicherheitsunternehmen, die von Staaten beauftragt wurden, unter Umständen völkerrechtlich einem Staat zugerechnet werden.

Während die «Draft Articles» der ILC die Staatenverantwortlichkeit gegenüber anderen Staaten oder der internationalen Gemeinschaft umschreiben, gibt es auch für Einzelpersonen die Möglichkeit, vor bestimmten nationalen und internationalen Foren einen Staat zu belangen, der bestimmte Regeln des Völkerrechts verletzt hat (etwa das Humanitäre Völkerrecht oder die Menschenrechte). Die Untersuchung der verschiedenen nationalstaatlichen oder regionalen Möglichkeiten, einen Staat völkerrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, übersteigt jedoch den Rahmen dieses Berichts.

5.5.2 Individuelle völkerstrafrechtliche Verantwortlichkeit

5.5.2.1 Einführung und Rechtsquellen


Gewisse Verletzungen des Völkerrechts resultieren in einer direkt auf Völkerrecht basierenden individualstrafrechtlichen Verantwortlichkeit. Die Rechtsquellen des einschlägigen Völkerstrafrechts sind zum einen bestimmte internationale Verträge wie die Genfer Abkommen [109] oder die UNO-Folterkonvention von 1984 [110]. Zum andern ist das Völkergewohnheitsrecht von herausragender Bedeutung. Dieses wurde durch die nationale und die internationale Praxis fortgebildet. Zur Bildung von Völkergewohnheitsrecht beigetragen haben beispielsweise nationale Gesetze, militärische Handbücher sowie geschriebene und ungeschriebene Rechtsgrundlagen nationaler und internationaler Gerichte wie etwa die nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Ad hoc-Tribunale in Nürnberg und Tokio, aber auch die Tribunale für Ex-Jugoslawien und Ruanda. Die im Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs [111] genannten völkerrechtlichen Verbrechen reflektieren, wie in breiten Kreisen anerkannt wird, Völkergewohnheitsrecht.

5.5.2.2 Die Tatbestände

Die Tatbestände, die für den Einsatz privater Sicherheitsunternehmen in Konfliktsituationen potentiell relevant sein könnten, umfassen die Kriegsverbrechen [112] und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit [113] sowie Einzeltatbestände wie die Folter [114] oder das zwangsweise Verschwindenlassen von Personen [115].

5.5.2.3 Nationale Gerichtsbarkeit zur Durchsetzung des Völkerrechts

Bei der Durchsetzung des Völkerstrafrechts stützen nationale Gerichte ihre Zuständigkeit traditionellerweise vor allem auf die folgenden Prinzipien: das Territorialprinzip (Verbrechen wurde auf dem Gebiet des Gerichtsstaats verübt), das aktive Personalprinzip (Verübung durch einen eigenen Staatsbürger), das passive Personalprinzip (Verübung gegen einen eigenen Staatsbürger) und das Weltrechtsprinzip (besonders schwere Verbrechen gegen das Völkerrecht ohne Notwendigkeit eines Bezugs zum Gerichtsstaat).

Einige Konventionen enthalten die Pflicht für die Vertragsstaaten, bestimmte Konventionsverletzungen durch ihre eigenen Gerichte strafrechtlich verfolgen zu lassen. Die Genfer Abkommen [116] und die UNO-Folterkonvention [117] verpflichten die Vertragsstaaten zudem zur strafrechtlichen Verfolgung schwerer Verstösse gegen die beiden Abkommen. Diese Verpflichtung stützt sich auf das Weltrechtsprinzip, gilt also selbst dann, wenn das Verbrechen in einem anderen Land und nicht gegen oder durch eigene Staatsangehörige verübt wurde.

Die schweizerische Gesetzgebung sieht dementsprechend bei schweren Verletzungen der Genfer Abkommen, Völkermord, weiteren Kriegsverbrechen und Folter unter gewissen Voraussetzungen eine auf dem Weltrechtsprinzip gründende schweizerische Strafgerichtsbarkeit vor. Eine Revision des Strafrechts zur Errichtung der Strafgerichtsbarkeit auch bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist als eine Folgemassnahme der Ratifikation des Römer Statuts durch die Schweiz im Gange.

5.5.2.4 Internationale Gerichtsbarkeit

Da viele Staaten ihren Verpflichtungen zur strafrechtlichen Verfolgung völkerrechtlicher Verbrechen bislang nicht nachgekommen sind, errichtete die internationale Gemeinschaft mehrere Ad hoc-Tribunale sowie den ständigen Internationalen Strafgerichtshof. Eine Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs ist jedoch gemäss Römer Statut [118] nur dann gegeben, wenn ein Verbrechen auf dem Territorium eines Vertragsstaats oder durch eine seiner Staatsbürgerinnen oder Staatsbürger verübt wurde, oder wenn der UNO-Sicherheitsrat dem Strafgerichtshof einen Fall zur Beurteilung überwiesen hat. Zudem ist der Internationale Strafgerichtshof nicht zuständig, wenn die behaupteten Straftaten im Rahmen eines ernsthaften nationalen Strafverfahrens untersucht werden. Auch kann der Internationale Strafgerichtshof aufgrund seiner begrenzten Ressourcen nur eine kleine Zahl der schwersten völkerrechtlichen Verbrechen untersuchen.

Fußnoten
  • 96 Zusatzprotokoll vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) (mit Anhängen), SR 0.518.521.
  • 97 Artikel 47 trägt den Titel «Söldner» und lautet:
    «1. Ein Söldner hat keinen Anspruch auf den Status eines Kombattanten oder eines Kriegsgefangenen.
    2. Als Söldner gilt,
    a) wer im Inland oder Ausland zu dem besonderen Zweck angeworben ist, in einem bewaffneten Konflikt zu kämpfen,
    b) wer tatsächlich unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt,
    c) wer an Feindseligkeiten vor allem aus Streben nach persönlichem Gewinn teilnimmt und wer von oder im Namen einer am Konflikt beteiligten Partei tatsächlich die Zusage einer materiellen Vergütung erhalten hat, die wesentlich höher ist als die den Kombattanten der Streitkräfte dieser Partei in vergleichbarem Rang und mit ähnlichen Aufgaben zugesagte oder gezahlte Vergütung,
    d) wer weder Staatsangehöriger einer am Konflikt beteiligten Partei ist noch in einem von einer am Konflikt beteiligten Partei kontrollierten Gebiet ansässig ist,
    e) wer nicht Angehöriger der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei ist und
    f) wer nicht von einem nicht am Konflikt beteiligten Staat in amtlichem Auftrag als Angehöriger seiner Streitkräfte entsandt worden ist.»
  • 98 Artikel 1 Absatz 2 der Konvention qualifiziert als Verbrechen etwa die Organisation, Finanzierung, Ausbildung oder andere Unterstützung oder Beauftragung von Söldnerbanden, wenn dies mit dem Ziel des bewaffneten Kampfs gegen einen Prozess der Selbstbestimmung oder gegen die territoriale Integrität eines anderen Staates geschieht. Auch Gruppen, Vereinigungen oder gar Vertragsstaaten können diese Verbrechen begehen. Ein Verbrechen ist auch das allenfalls passive Zulassen von Söldneraktivitäten durch einen Staat in von ihm kontrolliertem Gebiet, oder etwa die Ermöglichung des Transits oder Transportes von Söldnern. Artikel 3 verwehrt Söldnern den Status eines Kombattanten oder Kriegsgefangenen. Artikel 6 bestimmt sodann, dass Vertragsstaaten die Rekrutierung, Ausbildung, Finanzierung und Ausrüstung von Söldnern sowie Söldneraktivitäten durch Staatsangehörige oder Ausländer auf dem Territorium der betroffenen Staaten verhindern sollen.
  • 99 24 afrikanische Staaten haben den Vertrag ratifiziert, darunter z.B. Ägypten, Nigeria, Senegal, Sudan und Tunesien, nicht jedoch etwa Südafrika, Sierra Leone oder Libyen.
  • 100 Gegenwärtig sind 26 Staaten durch die UNO-Konvention gebunden, einschliesslich etwa Angola, Neuseeland, Nigeria und die Demokratische Republik Kongo (früher: Zaire). Sechs europäische Staaten haben die Konvention ratifiziert (Belgien, Italien, Kroatien, Ukraine, Weissrussland, Zypern) und vier unterschrieben (Deutschland, Polen, Rumänien, Serbien-Montenegro). Militärisch einflussreiche westliche Staaten wie die USA, Grossbritannien und Frankreich, aber auch Russland und die Volksrepublik China, sahen bisher von einer Ratifikation ab.
  • 101 SR 0. 518.12; 0.518.23; 0.518.42; 0.518.51
  • 102 SR 0.518.521; 0. 518.522
  • 103 SR 0.515.21; 0.515.22
  • 104 SR 0.518.12; 0.518.23; 0.518.42; 0.518.51
  • 105 Gutachten vom 9. Juli 2004, «Conséquences juridiques de l’édification d’un mur dans le territoire palestinien occupé».
  • 106 General Comment No. 31 vom 29. März 2004.
  • 107 SR 0.312.1
  • 108 Hierbei ist es irrelevant, ob das staatliche Organ legislative, exekutive, judikative oder andere Funktionen ausübt, welche Position es in der Staatsorganisation einnimmt, und ob es einer zentralen oder föderalen Einheit unterstellt ist (Art. 1, 2 und 4 der ILC Draft Articles).
  • 109 SR 0.518.12; 0.518.23; 0.518.42; 0.518.51
  • 110 SR 0.105
  • 111 SR 0.312.1
  • 112 Kriegsverbrechen sind völkerrechtlich kriminalisierte Verletzungen des Humanitären Völkerrechts, wie etwa die im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt verübte Folterung von Gefangenen, die Tötung unbewaffneter Zivilpersonen oder die Plünderung von Wertgegenständen.
  • 113 Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind im Wesentlichen systematisch und im grossen Massstab begangene Menschenrechtsverletzungen.
  • 114 SR 0.105
  • 115 Am 23.09.2005 nahm eine intersessionelle Arbeitsgruppe des UNOMenschenrechtsausschusses einen Konventionsentwurf zum Schutz aller Personen gegen das gewaltsame Verschwindenlassen an: http://www.ohchr.org/english/issues/disappear/group/index.htm. 116 SR 0.518.12; 0.518.23; 0.518.42; 0.518.51
  • 117 SR 0.105
  • 118 SR 0.312.1



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