Zu den wichtigsten Informationen aus dem Artikel von Daniel Weber gehört folgendes:
Auszüge aus dem
"Bericht des Bundesrats zu den privaten Sicherheits- und Militärfirmen"
vom 2. Dezember 2005
Quelle: Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesblatt Nr. 2, 17. Januar 06, S. 623-684
Übersicht (Seite 624-625)
Der vorliegende Bericht geht auf ein von Herrn Ständerat Philipp Stähelin am
1. Juni 2004 eingereichtes Postulat 04.3267 «Private Sicherheitsfirmen» zurück.
Darin wird der Bundesrat aufgefordert, eine Standortbestimmung seiner sicherheitspolitischen
Führungsorgane über Herkunft, Einsatz sowie die Vorgehensweise
privater Sicherheitsfirmen im Bereich des traditionell staatlichen Gewaltmonopols
vorzunehmen. Der Bericht soll insbesondere abklären, ob das schweizerische und
das internationale Recht genügen, um den heutigen Herausforderungen zu begegnen.
Der Bericht behandelt auch die in der am 16. Dezember 2004 von Frau Nationalrätin
Ursula Wyss eingereichten Motion 04.3748 «Schaffung rechtlich verbindlicher
Bestimmungen über den Umgang der Schweiz mit privaten Militärunternehmen
und Sicherheitsfirmen» aufgeworfenen Fragen. Diese Motion fordert vom Bundesrat,
über den Umgang und den Einsatz privater Militärunternehmen und Sicherheitskräfte
im Ausland im Auftrag der Schweiz sowie den Übertritt von ehemaligen
Schweizer Offizieren und Spitzenbeamten in solche Firmen rechtlich verbindliche
Bestimmungen zu erlassen. Schliesslich schlägt der Bericht Massnahmen vor, welche
die Schweiz auf der internationalen Ebene ergreifen möchte. Damit wird auch
den Anliegen der am 17. Dezember 2004 eingereichten Motion Wyss 04.3796 «Aufnahme
international gültiger Regeln für private Militärunternehmen und Sicherheitsfirmen
» Rechnung getragen. Diese Motion verlangt vom Bundesrat, dafür zu
sorgen, dass sich die Schweiz auf internationaler Ebene für verbindliche Regelungen
stark macht, welche den Einsatz, die Verantwortlichkeiten und die Einhaltung des
humanitären Völkerrechtes sowie der Menschenrechte durch private Militärunternehmen
und Sicherheitskräfte festlegen.
Das Gewaltmonopol ist eines der Kernelemente des modernen Staates. Obwohl sie
nicht a priori ausgeschlossen werden kann, tangiert eine Privatisierung von Sicherheitsaufgaben
die Grundlagen oder doch wenigstens die Legitimation des Staates.
Sie kann deshalb nur für Randbereiche in Frage kommen. Auch einer Delegation
staatlicher Sicherheitsaufgaben an Private sind enge Grenzen gesetzt, obwohl diese
weniger weit geht als eine Privatisierung, weil die delegierten Aufgaben nach wie
vor im staatlichen Verantwortungsbereich verbleiben. Eine in der Bundesverwaltung
durchgeführte Erhebung zeigt, dass die Delegation staatlicher Aufgaben an private
Sicherheitsunternehmen im Bereich des Bundes eine eher untergeordnete Rolle
spielt. Dennoch ist der Bundesrat bereit zu prüfen, ob es sinnvoll sein könnte, die
Voraussetzungen, welche private Sicherheitsunternehmen erfüllen müssen, um einen
Bundesauftrag zu erhalten sowie die in den einzelnen Vereinbarungen zu regelnden
Fragen in allgemein gültiger Weise festzulegen. Gegenwärtig stehen diese Punkte im
Ermessen der jeweiligen Auftraggeber.
Der Bericht untersucht ausserdem, in welchem Ausmass das kantonale Recht private
Sicherheitsunternehmen einer staatlichen Aufsicht unterstellt. Der Bundesrat lädt
die Kantone dazu ein, ihre diesbezüglichen Vorschriften zu harmonisieren. Schritte
in dieser Richtung werden bereits unternommen, erarbeitete doch die Konferenz der
Kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS) «Musterbestimmungen» zu
dieser Thematik. Der Bericht gibt auch einen Überblick über Bestimmungen des
geltenden Bundesrechts, die für die Aktivitäten privater Sicherheitsfirmen relevant
sein können.
Der Bericht geht aber auch auf die Problematik privater Sicherheitsfirmen ein,
welche die Schweiz als Basis für Aktivitäten in ausländischen Konflikt- und Krisengebieten
nutzen könnten. Der Bundesrat ist bereit zu prüfen, ob eine Bewilligungs-
oder Lizenzierungspflicht für solche Unternehmen sinnvoll sein könnte.
Schliesslich gibt der Bericht einen Überblick über das einschlägige Völkerrecht.
Neben dem zwischenstaatlichen Gewaltverbot und dem Nichteinmischungsgebot
gelten vor allem die Bestimmungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte.
Dabei erweist sich deren Respektierung durch private Sicherheits- und
Militärfirmen bzw. in diesen Bereichen tätige Privatpersonen als Hauptproblem.
Der Bericht zeigt Massnahmen auf, welche die Staaten auf nationaler Ebene ergreifen
könnten, kommt jedoch zum Schluss, dass nationale Regelungen allein nicht
genügen. Es fehlt heute an einem internationalen Dialog bzw. einem zwischenstaatlichen
Prozess, um geeignete Massnahmen zur besseren Respektierung des Humanitären
Völkerrechts und der Menschenrechte erörtern zu können.
Aufgrund ihrer humanitären Tradition und als Vertragsstaat der Genfer Abkommen
könnte die Schweiz einen sinnvollen Beitrag zur Kodifikation und Präzisierung der
rechtlichen Voraussetzungen und Schranken der Tätigkeit privater Sicherheits- und
Militärunternehmen sowie zur Förderung der Respektierung des Humanitären
Völkerrechts und der Menschenrechte leisten. Sie könnte einen internationalen
Prozess initiieren oder auch als Katalysator wirken. Entsprechende Überlegungen
wurden bereits angestellt und mit dem IKRK abgestimmt. Erste Treffen mit Spezialisten
fanden im Sommer 2005 statt. Im Jahr 2006 soll eine Konferenz mit Regierungsexperten
abgehalten werden. Weitere Massnahmen zur Stärkung und Präzisierung
des einschlägigen Völkerrechts sind vorgesehen. Damit wird der Bundesrat die
Anliegen der zuvor genannten Motion 04.3796 realisieren können.
3.2 Zunehmende Bedeutung privater Militär- und Sicherheitsfirmen im internationalen Umfeld (Seite 640-641)
Zwangsinterventionen privater, nicht-staatlicher Organisationen oder Individuen zur Durchsetzung einer bestimmten Ordnung bzw. Machtstruktur im Ausland sind keineswegs neuartige Phänomene, wie oft aufgrund aktueller Geschehnisse (Irak) angenommen wird.
So stützten z.B. die ab dem 13. Jahrhundert aufstrebenden italienischen Stadtstaaten
ihre Macht fast ausschliesslich auf von sog. Condottieri geführte private Berufsheere,
die vertraglich engagiert wurden. Ein anderes bekanntes Beispiel sind die äusserst
einflussreichen privaten Handelsgesellschaften, die in der ersten Hälfte des
17. Jahrhunderts als Vorläufer oder im Rahmen der britischen und holländischen
Kolonialherrschaft auf dem indischen Subkontinent und in Südostasien in Erscheinung
traten und über mächtige militärische Machtapparate geboten. Selbst 1782,
nachdem die britische Kolonialherrschaft in Indien längst Bestand hatte, verfügte
die dortige britische East India Company über eine Privatarmee von mehr als
100 000 Mann und war damit wesentlich schlagkräftiger als die britischen Kolonialstreitkräfte [20]. Solche nicht in obrigkeitliche Strukturen eingebundene «private Militärorganisationen
» blieben allerdings eher die Ausnahme. Bis ins 20. Jahrhundert
hinein weit verbreiteter war das Söldnerwesen, worunter gemeinhin Personen subsumiert
werden, die sich gegen Entgelt vertraglich verpflichteten, als Kämpfer einer
fremden Macht zu dienen und in deren Kriegen mitzukämpfen [21].
Die jüngsten internationalen Entwicklungen zeigen eine stark zunehmende Bedeutung
privater Dienstleistungen im Militär- und Sicherheitsbereich. Heute hat man es
mit einem grossen Marktpotential und vielen tausenden weltweit zum Einsatz kommenden
Personen zu tun. Der Fall des Irak manifestiert diese Entwicklung besonders
deutlich: Nach Schätzungen standen dort im Frühjahr 2003 rund 15–20 000 Personen
bei privaten Sicherheitsunternehmen unter Vertrag, eine Zahl, die seither noch
weiter gestiegen ist [22]. Der globale Markt umfasst heute etwa 100 international tätige
Unternehmen, die in ebenso vielen Staaten aktiv sind [23]. Das weltweite Marktvolumen
wird auf ca. 100 Milliarden US$ geschätzt, mit einer prognostizierten Verdoppelung
bis zum Jahr 2010 [24]. In einigen Staaten entsprechen die öffentlichen und
privaten Ausgaben für private Sicherheitsunternehmen bereits einem Drittel, gelegentlich
sogar 100 % der Ausgaben für die regulären Streitkräfte. Einzelne Aufträge an private Sicherheitsfirmen erreichen Geschäftsvolumen von mehreren hundert
Millionen US$ [25]. In Krisenstaaten wie Algerien oder Kolumbien geben Privatunternehmen
gegen neun Prozent ihres operationellen Aufwands für Sicherheitsmassnahmen
aus [26]. Im Militär- und Sicherheitsbereich tätige, international operierende
private Firmen stellen ihren Auftraggebern nicht nur logistische Unterstützung,
Personal und Infrastruktur, sondern gelegentlich auch schweres Kriegsgerät wie
Kampfflugzeuge, Panzer und Artillerie zur Verfügung [27].
Der internationale Bedeutungszuwachs privater Dienstleistungen im Militär- und
Sicherheitsbereich hat wesentlich damit zu tun, dass mit dem Ende des Kalten
Kriegs in verschiedenen Regionen Machtvakuen entstanden, die den vollständigen
oder partiellen Zerfall ethnisch oder politisch instabiler Staaten begünstigten. So
genannte «failed states», «failing states» oder auch «weak states» wurden zahlreicher,
d.h. Länder ohne oder mit schlecht funktionierenden Regierungs- und Verwaltungsstrukturen
bzw. staatlicher Ordnungsmacht, in denen das staatliche Gewaltmonopol
in gewissen Regionen oder im ganzen Land in Frage gestellt wird.
Unter dem Eindruck der Risiken verschiedener unter dem Kommando der UNO,
regionaler Organisationen, aber auch einzelner Staaten durchgeführter Interventionen
zur Herstellung einer minimalen Ordnung bzw. Verhinderung humanitärer
Katastrophen (z.B. in Somalia 1992, in Bosnien 1992–1995, in Liberia 1994) entstand
namentlich in den westlichen Demokratien eine Diskussion über den Einsatz
eigener Soldaten oder Polizeikräfte in Kriegs- und Krisengebieten. Die schwer
abschätzbaren Eskalationsrisiken bei Ordnungsinterventionen (Peace-Keeping,
Peace-Building, humanitäre Intervention), aber auch die zunehmende demokratische
Sensibilisierung und Medialisierung der westlichen Gesellschaften führten zu einer
restriktiveren Ausgestaltung der rechtlichen Voraussetzungen für die Entsendung
staatlicher Militär- oder Polizeikräfte. Andererseits benötigen staatliche Vertretungen
sowie die exponierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter supranationaler Organisationen
und NGO’s in Gebieten mit nur sehr schlecht oder gar nicht funktionierenden
staatlichen Ordnungsstrukturen unbestrittenermassen einen besonderen Schutz.
Dieser wird von privaten Firmen im Militär- und Sicherheitsbereich angeboten.
Deren Verluste an Menschenleben finden – anders als im Falle von Angehörigen der
Streitkräfte – keinen Eingang in die Opferstatistik bestimmter Staaten.
Der Bedeutungszuwachs privater Militärfirmen ist aber auch darauf zurückzuführen,
dass sich nach der Überwindung des Kalten Kriegs namentlich die Grossmächte aus
weiter ausgetragenen internen Konflikten zurückgezogen haben. Mangels staatlicher
Unterstützung greifen die stark fragmentierten Bürgerkriegsparteien, die häufig nicht
über das zur Beherrschung und Wartung moderner Waffensysteme erforderliche
«Know How» verfügen, auf private Militärfirmen zurück. Die Angebotsseite
begünstigt diese Entwicklung zusätzlich, setzte doch die starke Redimensionierung
der Streitkräfte in den Staaten des ehemaligen Ostblocks und der NATO, aber auch
in Südafrika nach dem Ende der Apartheid, zahlreiche personelle und materielle
Ressourcen frei.
[Fußnoten]-
20 P.W. Singer, Corporate Warriors, Cornell University Press, Ithaca (N.Y.) 2003, S. 35.
-
21 Eine grosse – auch ökonomische – Bedeutung hatte das Söldnerwesen insbesondere auch
in der Alten Eidgenossenschaft: Im Rahmen der sogenannten «Reisläuferei» traten von
Beginn des 14. bis Ende des 19. Jahrhunderts schätzungsweise 2 Millionen Söldner der
eidgenössischen Orte in fremde Kriegsdienste ein, vgl. Schweizer Lexikon 91, Bd. 2,
Luzern 1992, S. 745 (Stichwort: «fremde Dienste»). Obwohl völkerrechtliche Verträge,
die ausländischen Staaten das Anwerben von Personen auf schweizerischem Gebiet zugestanden,
bereits in der ersten Bundesverfassung vom 12. September 1848 verboten wurden
und kurz danach auch der Eintritt in fremde Militärdienste strafbar wurde, blieb z.B.
die französische Fremdenlegion nach wie vor attraktiv: Man geht davon aus, dass seit
1831 ca. 60 000 Schweizer dort Dienst geleistet haben, ibid., S. 746 (Stichwort: «Fremdenlegion
»).
-
22 Daniel Berger, «The Other Army», The New York Times vom 14.8.2005, nennt für Juni
2005 eine Zahl von 25 000 bewaffneten Personen, die privat engagiert wurden. Vgl. auch
Caroline Holmquist, Private Security Companies. The Case for Regulation,
SIPRI Policy
Paper No.9, Stockholm, Januar 2005, S. 1.
- 23 Holmquist, a.a.O. (Fn. 22), S. 1.
-
24 Singer, a.a.O. (Fn. 20), S. 78.
-
25 Singer, a.a.O., (Fn. 20), S. 80.
-
26 Singer, a.a.O., (Fn. 20), S. 81.
-
27 So offenbar in Angola, vgl. Singer, a.a.O. (Fn. 20), S. 10, mit Verweis auf Al Venter,
«Out of State and Non-State Actors Keep Africa Down», Janes’ Intelligence Review, 11
(01.05.1999).
5 Der völkerrechtliche Rahmen (S. 665-675)
Das Völkerrecht regelt die Aktivitäten privater Sicherheitsunternehmen in Konfliktgebieten
nicht explizit. Spezifische Völkerrechtsnormen gibt es lediglich hinsichtlich
der Söldnerthematik (Ziff. 5.1). Relevant sind jedoch die allgemeinen Regeln des
Völkerrechts, des Humanitären Völkerrechts und unter Umständen der Menschenrechte
(Ziff. 5.2 bis 5.4). Schliesslich auferlegt das Neutralitätsrecht den neutralen
Staaten gewisse Pflichten (Ziff. 5.7).
5.1 Völkerrechtliche Regeln in Bezug auf das Söldnerwesen
5.1.1 Art. 47 des Ersten Zusatzprotokolls von 1977
Das Humanitäre Völkerrecht enthält mit Artikel 47 des Ersten Zusatzprotokolls von
1977 (ZP I) [96], das von der grossen Mehrheit der Staaten ratifiziert wurde, lediglich
eine Bestimmung, die spezifisch Söldner betrifft [97].
Wie dem ersten Absatz dieser Bestimmung zu entnehmen ist, verbietet Artikel 47
ZP I das Söldnerwesen nicht, obwohl dies in den Verhandlungen über diese
Bestimmung v.a. afrikanische Staaten gewünscht hatten. Aufgrund von Artikel 47
ZP I kann Söldnern jedoch der privilegierte Status eines Kombattanten oder Kriegsgefangenen
verweigert werden. Insbesondere können somit Söldner im Gegensatz
zu Kombattanten bzw. Kriegsgefangenen für den blossen Umstand der aktiven
Teilnahme am bewaffneten internationalen Konflikt vom gegnerischen Staat strafrechtlich
zur Verantwortung gezogen werden.
Ein Staat ist jedoch nicht dazu gezwungen, den Kriegsgefangenenstatus zu verweigern;
der Söldner hat lediglich «keinen Anspruch» auf diesen. Auch sind Söldner
selbst bei Verweigerung des Kriegsgefangenenstatus nicht völlig schutzlos, sondern
geniessen etwa den in Artikel 75 ZP I verankerten Mindestschutz, der völkergewohnheitsrechtlichen
Charakter hat.
Die Bedeutung von Artikel 47 ZP I ist in der Praxis jedoch verschwindend klein. Die
sechs in Absatz 2 aufgezählten und kumulativen Bedingungen sind derart restriktiv
und deshalb oft schwierig zu beweisen, dass Arbeitnehmende eines privaten Sicherheitsunternehmens
kaum darunter fallen. Die Mehrheit der privaten Militärunternehmen
bietet zwar inhärent militärische Dienstleistungen an, jedoch nur selten eine
unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten. Nicht zuletzt können Staatsangehörige
einer Konfliktpartei definitionsgemäss keine Söldner sein. Effektiv ist davon auszugehen,
dass selbst von den militärische Funktionen ausübenden und in Konfliktsituationen
tätigen Angestellten privater Sicherheitsunternehmen nur ein geringer Teil
allenfalls als Söldner qualifiziert werden könnte.
5.1.2 Relevante Instrumente der UNO und einzelner Regionalorganisationen
Die Diskussion des Söldnerwesens in den Vereinten Nationen wurde und wird
wesentlich durch postkoloniale Erfahrungen geprägt. Zur Zeit der Dekolonialisierung
wurden mehrere der damals im Entstehen begriffenen Staatswesen und nach
Unabhängigkeit strebenden Regimes direkt durch Söldnerformationen bedroht. Die
aufgrund dieser Erfahrungen redigierten UNO-Instrumente bezwecken nicht zuletzt
die Verhinderung des Einsatzes von Söldnern gegen legitime Regierungen und deren
Selbstbestimmung.
1970 verabschiedete die UNO-Generalversammlung die Deklaration 2625 (XXV)
über die Prinzipien des Völkerrechts betreffend die freundschaftlichen Beziehungen
und die Zusammenarbeit zwischen den Staaten («Friendly Relations Declaration»).
Diese Deklaration ist nicht formell bindend, wird aber als eines der grundlegenderen
Dokumente der Vereinten Nationen und Interpretation der UNO-Charta angesehen.
Das erste in der Deklaration präzisierte Prinzip ist jenes des (völkergewohnheitsrechtlichen)
Gewaltverbots, also des die Staaten betreffenden Verbots jeder Androhung
oder Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen, die gegen
die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtet
oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbar ist. Eine der Konkretisierungen
lautet:
«Jeder Staat hat die Pflicht, die Organisation oder Förderung der Organisation von
irregulären (Streit-)Kräften oder bewaffneten Banden (‹irregular forces or armed
bands›), einschliesslich von Söldnern, zum Eindringen in das Territorium eines anderen
Staates zu unterlassen.»
Diese Deklaration von 1970 statuiert somit eine staatliche Pflicht, Söldner nicht
gegen die territoriale Integrität oder Unabhängigkeit eines anderen Staates zu verwenden.
Diese explizite Erwähnung des Söldnerwesens durch die UNO-Generalversammlung
stellt ein Novum in der internationalen Behandlung des Söldnerwesens
dar, weil das Völkerrecht sich zuvor mit dieser Thematik gar nicht befasst hatte.
Die Deklaration definiert allerdings nicht, was unter «irregulären (Streit-)Kräften
oder bewaffneten Banden» zu verstehen ist.
Die heutige Afrikanische Union (AU, ehemals «Organisation of African Unity»,
OAU) nahm am 3. Juli 1977 eine Konvention zur Eliminierung des Söldnertums in
Afrika an. Artikel 1 Absatz 1 dieser Konvention definiert Söldner fast wörtlich
gleich wie Artikel 47 ZP I. Dies macht es wie bereits erwähnt in der Praxis schwierig,
jemanden aufgrund der Konvention der AU juristisch als Söldner zu qualifizieren [98].
Die Konvention verbietet den Vertragsstaaten jedoch nicht jeglichen
Gebrauch von Söldnern, wie etwa deren Einsatz gegen dissidente Gruppen im eigenen
Staat [99].
Die UNO-Konvention gegen die Rekrutierung, Nutzung, Finanzierung und Ausbildung
von Söldnern vom 4. Dezember 1989 definiert Söldner in Artikel 1 Absatz 1 in
sehr ähnlicher Weise wie Artikel 47 ZP I. Dadurch ist es in der Praxis auch aufgrund
der Definition der UNO-Konvention schwierig, jemanden als «Söldner» zu qualifizieren.
Immerhin geht die Definition der UNO-Konvention leicht über jene des
Ersten Zusatzprotokolls hinaus, indem sie nicht nur Situationen bewaffneter Konflikte
berücksichtigt, sondern auch auf die organisierte Gewalt zum Sturz einer
Regierung oder zu einer anderen Unterminierung der Verfassungsordnung oder der
territorialen Integrität eines Staates anwendbar ist.
Die UNO-Konvention kriminalisiert die Rekrutierung, Finanzierung, Ausbildung
und den Gebrauch von Söldnern sowie die aktive Teilnahme der Söldner selbst an
organisierter Gewalt. Diese Aktivitäten sind durch die Vertragsstaaten zu verbieten.
Die UNO-Konvention trat erst mehr als ein Jahrzehnt nach ihrer Annahme in
Kraft [100]. Die Schweiz hat die Konvention bisher nicht ratifiziert. Die Frage der
Ratifikation der Konvention war in den 1990er Jahren nicht prioritär, zumal es
bereits damals verschiedene Ansichten über deren Effektivität gab. Die UNO-Konvention
reflektiert kein Völkergewohnheitsrecht, wie die geringe Anzahl Ratifikationen
deutlich macht.
5.1.3 Schlussfolgerung: Völkergewohnheitsrecht verbietet das Söldnerwesen nicht
Während Artikel 47 ZP I und die «Friendly Relations Declaration» der UNO das
Söldnerwesen nicht verbieten, stellen sowohl die Konvention der AU von 1977 wie
auch die UNO-Konvention von 1989 bei weitem keine universell akzeptierten
Rechtsinstrumente dar. Somit verbietet das Völkergewohnheitsrecht das Söldnerwesen
nicht und enthält auch keine spezifisch nur das Söldnerwesen einschränkende
Normen.
Hinsichtlich der Konventionen der AU und jener der UNO ist zu bemerken, dass
mehrere der dort festgelegten Definitionselemente derart restriktiv und schwierig zu
beweisen sind, dass die praktische Relevanz der Konvention selbst für die vertraglich
gebundenen Staaten beschränkt ist. Die beiden Konventionen befassen sich
primär mit Individuen, welche gegen nationale Regierungen vorgehen und sind nicht
zur Regulierung des Einsatzes privater Sicherheitsunternehmen in allgemeinen
Konfliktsituationen bestimmt. Das Konzept des «Söldners» wird aus diesen Gründen
teilweise als veraltet bezeichnet und für ungeeignet befunden, um das weiter entwickelte Phänomen privater Militär- und Sicherheitsunternehmen sinnvoll regeln zu
können.
Somit sind die allgemeingültigen, eben nicht spezifisch nur die Söldner betreffenden
Völkerrechtsnormen zu prüfen, um allfällige den Einsatz und das Verhalten privater
Sicherheitsunternehmen regelnde Völkerrechtsnormen zu finden.
5.2 Allgemeines Völkerrecht
5.2.1 Allgemeine Prinzipien des Völkerrechts
Gemäss dem völkergewohnheitsrechtlichen, in Artikel 2 Absatz 4 der UNO-Charta
verankerten Gewaltverbot ist es Staaten verboten, in den internationalen Beziehungen
Gewalt anzudrohen oder anzuwenden, die gegen die territoriale Unversehrtheit
oder politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtet oder sonst mit den Zielen der
Vereinten Nationen unvereinbar ist. Ausnahmen sind die individuelle oder kollektive
Selbstverteidigung (Artikel 51 UNO-Charta) oder eine Resolution des UNOSicherheitsrats
nach Kapitel VII der UNO-Charta. Wie bereits erwähnt besagt die
«Friendly Relations Declaration» der UNO von 1970 zudem, dass Staaten die
Organisation oder Förderung der Organisation irregulärer (Streit-)Kräfte oder
bewaffneter Banden, einschliesslich Söldnern, zum Eindringen in das Territorium
eines anderen Staates zu unterlassen haben. Die Staaten dürfen das Gewaltverbot
und das Interventionsverbot («obligation of non-intervention») weder durch eigene
Streitkräfte noch durch den Gebrauch privater Sicherheitsunternehmen verletzen.
5.3 Humanitäres Völkerrecht
5.3.1 Was ist der Inhalt des Humanitären Völkerrechts?
Das Humanitäre Völkerrecht wird auch das Recht der bewaffneten Konflikte,
Kriegsvölkerrecht oder «ius in bello» genannt. Es ist nur in bewaffneten Konflikten
anwendbar. Das Ziel dieses Rechtsgebiets ist die Milderung der Leiden potentieller
Opfer und anderer negativer Effekte der Kriegsführung.
Zu den wichtigsten Rechtsquellen des Humanitären Völkerrechts gehören die vier
Genfer Abkommen von 1949 [101] und ihre beiden Zusatzprotokolle von 1977 [102] sowie
die Haager Landkriegsordnung von 1907 [103] und mehrere Konventionen, die spezifische
Waffen verbieten oder deren Gebrauch einschränken. Praktisch alle Staaten der
Erde haben die Genfer Abkommen ratifiziert, und auch die beiden Zusatzprotokolle
sind für die grosse Mehrzahl der Staaten, einschliesslich der Schweiz, bindend.
Auch das Haager Recht geniesst breite Anerkennung. Ein relativ grosser Teil des
Humanitären Völkerrechts ist denn auch völkergewohnheitsrechtlich verbindlich.
Die auf internationale bewaffnete Konflikte anwendbaren humanitärvölkerrechtlichen
Bestimmungen sind immerhin erheblich zahlreicher und detaillierter als diejenigen,
die in internen Konflikten Anwendung finden.
Das Humanitäre Völkerrecht enthält einerseits bestimmte Regeln, die im Hinblick
auf sich im Machtbereich einer Konfliktpartei aufhaltende Personen (insbesondere
die Zivilbevölkerung in besetzten Gebieten und Gefangene) zu beachten sind, etwa
das Verbot der Folter, das Verbot der unmenschlichen Behandlung, das Verbot des
Transfers der Zivilbevölkerung, oder die Freilassung von Gefangenen nach Ende des
bewaffneten Konflikts. Weiter limitiert das Humanitäre Völkerrecht die Art und
Weise der in bewaffneten Konflikten völkerrechtlich zulässigen Kampfführung. So
sind etwa Angriffe auf geschützte Personen und Objekte wie etwa Zivilpersonen,
zivile Objekte sowie Personal oder Objekte des Roten Kreuzes verboten. Angriffe
auf militärische Ziele sind zudem dann verboten, wenn damit zu rechnen ist, dass
dadurch Zivilpersonen oder zivile Objekte unverhältnismässig zu Schaden kommen.
Auch ist der Gebrauch bestimmter Waffen verboten, wie beispielsweise die Anwendung
biologischer oder chemischer Waffen. Ebenso sind bestimmte Methoden der
Kampfführung wie etwa die Perfidie oder der Missbrauch des Emblems des Roten
Kreuzes ausgeschlossen. Besatzungsmächte haben weitere, spezifische Pflichten
hinsichtlich der Bevölkerung und Verwaltung der besetzten Gebiete.
5.3.2 Anwendbarkeit des Humanitären Völkerrecht auf private Sicherheitsunternehmen
Das Humanitäre Völkerrecht richtet sich nicht nur an Staaten. Es enthält auch
zahlreiche Bestimmungen, die von Individuen und sogar Zivilpersonen zu beachten
sind. Das vielleicht bekannteste Beispiel ist der allen vier Genfer Abkommen [104]
gemeinsame Artikel 3, wonach Zivilisten, Angehörige bewaffneter Streitkräfte,
welche die Waffen gestreckt haben sowie Personen, die wegen Krankheit, Verwundung
oder Gefangennahme nicht (mehr) kampffähig sind, menschlich zu behandeln
sind und nicht Angriffen auf Leib und Leben, Verstümmelungen, Folter oder grausamer
Behandlung ausgesetzt werden dürfen. Alle Individuen, die aktiv an internen
oder internationalen bewaffneten Konflikten teilnehmen, müssen – unabhängig von
ihrer Nationalität – bestimmte Mindestregeln der Kriegsführung beachten, ob sie
nun Mitglieder von Streitkräften, spontan zur Waffe greifende Zivilpersonen oder
Angestellte privater Sicherheitsunternehmen sind. Dasselbe gilt für Individuen, die
im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt gefangen genommene Personen
beaufsichtigen.
5.3.3 Staatliche Pflichten hinsichtlich privater Sicherheitsunternehmen
Der den vier Genfer Abkommen gemeinsame Artikel 1 bestimmt, dass die Vertragsstaaten
verpflichtet sind, die Genfer Abkommen unter allen Umständen einzuhalten
und deren Einhaltung durchzusetzen. Somit haben die Staaten einerseits dafür zu
sorgen, dass alle staatlichen Akteure das Humanitäre Völkerrecht einhalten. Darüber
hinaus haben die Vertragsstaaten der Genfer Abkommen die Pflicht, auch darauf
hinzuwirken, dass Dritte, seien dies nun andere Staaten oder Private, das Humanitäre
Völkerrecht beachten. Staaten können sich ihren humanitärvölkerrechtlichen Verpflichtungen
nicht dadurch entziehen, dass sie bestimmte Aufgaben an private
Unternehmen auslagern. Vielmehr haben sie dafür zu sorgen, dass private Sicherheitsunternehmen,
die sie in Konfliktsituationen einsetzen, die ihren Gesellschaftssitz
im betreffenden Staat haben oder die auf ihrem Territorium agieren, das Humanitäre
Völkerrecht respektieren. Zudem sind die Vertragsstaaten dazu verpflichtet,
unabhängig vom Tatort oder der Nationalität des Täters oder der Opfer insbesondere
schwere Verletzungen der Genfer Abkommen zu ahnden.
5.4 Die Menschenrechte
5.4.1 Einhaltung der Menschenrechte als traditionelle Verpflichtung der Staaten
Als Teil des Völkerrechts verpflichten die Menschenrechte traditionell nur die
Staaten gegenüber ihren Bürgern oder anderen Personen. Es ist die Pflicht der Staaten,
dafür zu sorgen, dass die Menschenrechte von den für sie handelnden Akteuren
respektiert werden.
Bei privaten Sicherheitsunternehmen, die von Staaten beauftragt werden, ohne
zugleich auch in die staatlichen Streit- oder Polizeikräfte integriert zu werden, stellt
sich insbesondere die Frage, ob sie als staatliche Akteure gelten und deshalb die
völkerrechtlich verbrieften Menschenrechte zu beachten haben.
Ähnlich wie beim Humanitären Völkerrecht gilt hier ebenfalls, dass Staaten sich
ihrer Menschenrechtspflichten nicht dadurch entledigen dürfen, dass sie gewisse
Aufgaben an Private auslagern.
Die internationalen Menschenrechtskonventionen sind zudem auch in Situationen
bewaffneter Konflikte anwendbar, wie der Internationale Gerichtshof [105] und der
UNO-Menschenrechtsausschuss [106] bestätigt haben. Eine Ausnahme bilden diejenigen
Menschenrechte, die gemäss den Vertragsbestimmungen derogierbar sind. Nicht
derogierbar sind unter anderem das Recht auf Leben sowie das Verbot der Folter
und der unmenschlichen Behandlung. Zudem bildet das Humanitäre Völkerrecht oft
die «lex specialis», d.h. es sagt aus, wie ein konkretes Menschenrecht in der Situation
eines bewaffneten Konflikts zu verstehen ist.
5.4.2 Direkte Anwendbarkeit der Menschenrechte auch für private Sicherheitsunternehmen?
Wenn private Sicherheitsunternehmen nicht von Staaten, sondern von Privatpersonen
oder Firmen beauftragt werden, so sind sie eindeutig keine staatlichen Akteure.
In diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Menschenrechte oder zumindest gewisse
Menschenrechte auch auf die Beziehungen zwischen den Angestellten der privaten
Sicherheitsunternehmen und anderen Privatpersonen einwirken können. Eine solche
Horizontalwirkung der Menschenrechte ist umstritten.
Immerhin sei erwähnt, dass Private auch in Friedenszeiten unmittelbar aufgrund des
Völkerrechts für grobe Verletzungen bestimmter Menschenrechte individuell strafbar
sein können. Dies wird unter anderem durch das von der Schweiz ratifizierte
Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998 [107] bestätigt. Gemäss
Artikel 7 des Römer Statuts können auch Private für Verbrechen gegen die Menschlichkeit,
beispielsweise in der Form der Folter oder des zwangsweisen Verschwindenlassens
von Personen, strafrechtlich verantwortlich werden.
5.5 Konsequenzen der Verletzung von Völkerrecht
Bisher sieht das Völkerrecht keine strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen
vor, die sich direkt auf völkerrechtliche Bestimmungen abstützt, obwohl es
gewisse Bestrebungen in diese Richtung gibt. Sehr wohl aber können Individuen
direkt gestützt auf das Völkerrecht strafrechtlich verantwortlich werden. Auch trifft
die Staaten für von Privatunternehmen verursachte Schäden unter gewissen Umständen
eine völkerrechtliche Verantwortung, etwa wenn sie ihre völkerrechtliche
Pflicht, auf ihrem eigenen Gebiet keine Aktivitäten auszuüben oder zu dulden, die
gravierende grenzübergreifende Schäden verursachen, missachten.
5.5.1 Staatenverantwortlichkeit
Völkerrechtswidrige Handlungen oder Unterlassungen, die Staaten völkerrechtlich
zugerechnet werden können, lassen deren so genannte Staatenverantwortlichkeit
entstehen. Wichtige Regeln der Staatenverantwortlichkeit finden sich in den das
Völkergewohnheitsrecht reflektierenden «Draft Articles on Responsibility of State
for Internationally Wrongful Acts» der «International Law Commission» der Vereinten
Nationen (ILC).
Einem Staat zugerechnet werden kann zum einen ein völkerrechtswidriges Verhalten
seiner Organe [108]. Zum andern kann ein völkerrechtswidriges Verhalten einer natürlichen
Person, einer Gruppe von natürlichen Personen oder einer juristischen Person,
die keine Staatsorgane sind, ebenfalls einem Staat zugerechnet werden, wenn die
genannten Akteure aufgrund des Rechts dieses Staates ermächtigt sind, hoheitliche
Tätigkeiten auszuüben oder wenn sie bei ihren Tätigkeiten faktisch auf Anweisung
oder unter der Leitung oder Kontrolle dieses Staates handeln. Zudem wird das
Verhalten einer Person oder Personengruppe nach dem Völkerrecht als Handeln
eines Staates betrachtet, wenn die Person oder Personengruppe in Abwesenheit oder
Ermangelung der öffentlichen Behörden tatsächlich hoheitliche Funktionen wahrnehmen
und Umstände vorliegen, welche die Ausübung solcher hoheitlichen Funktionen
erforderlich machen (Art. 5, 8 und 9 der ILC Draft Articles).
Die Konsequenz dieser Staatenverantwortlichkeit ist die Verpflichtung zur vollständigen
Wiedergutmachung (z.B. Wiederherstellung, Schadenersatz oder Genugtuung)
gegenüber anderen geschädigten Staaten oder allenfalls auch gegenüber der «internationalen
Gemeinschaft» (Teil 2 der ILC Draft Articles).
Somit können insbesondere Handlungen privater Sicherheitsunternehmen, die von
Staaten beauftragt wurden, unter Umständen völkerrechtlich einem Staat zugerechnet
werden.
Während die «Draft Articles» der ILC die Staatenverantwortlichkeit gegenüber
anderen Staaten oder der internationalen Gemeinschaft umschreiben, gibt es auch für
Einzelpersonen die Möglichkeit, vor bestimmten nationalen und internationalen
Foren einen Staat zu belangen, der bestimmte Regeln des Völkerrechts verletzt hat
(etwa das Humanitäre Völkerrecht oder die Menschenrechte). Die Untersuchung der
verschiedenen nationalstaatlichen oder regionalen Möglichkeiten, einen Staat völkerrechtlich
zur Verantwortung zu ziehen, übersteigt jedoch den Rahmen dieses
Berichts.
5.5.2 Individuelle völkerstrafrechtliche Verantwortlichkeit
5.5.2.1 Einführung und Rechtsquellen
Gewisse Verletzungen des Völkerrechts resultieren in einer direkt auf Völkerrecht
basierenden individualstrafrechtlichen Verantwortlichkeit. Die Rechtsquellen des
einschlägigen Völkerstrafrechts sind zum einen bestimmte internationale Verträge
wie die Genfer Abkommen [109] oder die UNO-Folterkonvention von 1984 [110]. Zum
andern ist das Völkergewohnheitsrecht von herausragender Bedeutung. Dieses
wurde durch die nationale und die internationale Praxis fortgebildet. Zur Bildung
von Völkergewohnheitsrecht beigetragen haben beispielsweise nationale Gesetze,
militärische Handbücher sowie geschriebene und ungeschriebene Rechtsgrundlagen
nationaler und internationaler Gerichte wie etwa die nach dem Zweiten Weltkrieg
errichteten Ad hoc-Tribunale in Nürnberg und Tokio, aber auch die Tribunale für
Ex-Jugoslawien und Ruanda. Die im Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs [111] genannten völkerrechtlichen Verbrechen reflektieren, wie in breiten
Kreisen anerkannt wird, Völkergewohnheitsrecht.
5.5.2.2 Die Tatbestände
Die Tatbestände, die für den Einsatz privater Sicherheitsunternehmen in Konfliktsituationen
potentiell relevant sein könnten, umfassen die Kriegsverbrechen [112] und die
Verbrechen gegen die Menschlichkeit [113] sowie Einzeltatbestände wie die Folter [114]
oder das zwangsweise Verschwindenlassen von Personen [115].
5.5.2.3 Nationale Gerichtsbarkeit zur Durchsetzung des Völkerrechts
Bei der Durchsetzung des Völkerstrafrechts stützen nationale Gerichte ihre Zuständigkeit
traditionellerweise vor allem auf die folgenden Prinzipien: das Territorialprinzip
(Verbrechen wurde auf dem Gebiet des Gerichtsstaats verübt), das aktive
Personalprinzip (Verübung durch einen eigenen Staatsbürger), das passive Personalprinzip
(Verübung gegen einen eigenen Staatsbürger) und das Weltrechtsprinzip
(besonders schwere Verbrechen gegen das Völkerrecht ohne Notwendigkeit eines
Bezugs zum Gerichtsstaat).
Einige Konventionen enthalten die Pflicht für die Vertragsstaaten, bestimmte Konventionsverletzungen
durch ihre eigenen Gerichte strafrechtlich verfolgen zu lassen.
Die Genfer Abkommen [116] und die UNO-Folterkonvention [117] verpflichten die Vertragsstaaten
zudem zur strafrechtlichen Verfolgung schwerer Verstösse gegen die
beiden Abkommen. Diese Verpflichtung stützt sich auf das Weltrechtsprinzip, gilt
also selbst dann, wenn das Verbrechen in einem anderen Land und nicht gegen oder
durch eigene Staatsangehörige verübt wurde.
Die schweizerische Gesetzgebung sieht dementsprechend bei schweren Verletzungen
der Genfer Abkommen, Völkermord, weiteren Kriegsverbrechen und Folter unter
gewissen Voraussetzungen eine auf dem Weltrechtsprinzip gründende schweizerische
Strafgerichtsbarkeit vor. Eine Revision des Strafrechts zur Errichtung der
Strafgerichtsbarkeit auch bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist als eine
Folgemassnahme der Ratifikation des Römer Statuts durch die Schweiz im Gange.
5.5.2.4 Internationale Gerichtsbarkeit
Da viele Staaten ihren Verpflichtungen zur strafrechtlichen Verfolgung völkerrechtlicher
Verbrechen bislang nicht nachgekommen sind, errichtete die internationale
Gemeinschaft mehrere Ad hoc-Tribunale sowie den ständigen Internationalen
Strafgerichtshof. Eine Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs ist jedoch
gemäss Römer Statut [118] nur dann gegeben, wenn ein Verbrechen auf dem Territorium
eines Vertragsstaats oder durch eine seiner Staatsbürgerinnen oder Staatsbürger
verübt wurde, oder wenn der UNO-Sicherheitsrat dem Strafgerichtshof einen Fall
zur Beurteilung überwiesen hat. Zudem ist der Internationale Strafgerichtshof nicht
zuständig, wenn die behaupteten Straftaten im Rahmen eines ernsthaften nationalen
Strafverfahrens untersucht werden. Auch kann der Internationale Strafgerichtshof
aufgrund seiner begrenzten Ressourcen nur eine kleine Zahl der schwersten völkerrechtlichen
Verbrechen untersuchen.
Fußnoten-
96 Zusatzprotokoll vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über
den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) (mit Anhängen),
SR 0.518.521.
-
97 Artikel 47 trägt den Titel «Söldner» und lautet:
«1. Ein Söldner hat keinen Anspruch auf den Status eines Kombattanten oder eines
Kriegsgefangenen.
2. Als Söldner gilt,
a) wer im Inland oder Ausland zu dem besonderen Zweck angeworben ist, in einem
bewaffneten Konflikt zu kämpfen,
b) wer tatsächlich unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt,
c) wer an Feindseligkeiten vor allem aus Streben nach persönlichem Gewinn teilnimmt
und wer von oder im Namen einer am Konflikt beteiligten Partei tatsächlich
die Zusage einer materiellen Vergütung erhalten hat, die wesentlich höher ist als
die den Kombattanten der Streitkräfte dieser Partei in vergleichbarem Rang und
mit ähnlichen Aufgaben zugesagte oder gezahlte Vergütung,
d) wer weder Staatsangehöriger einer am Konflikt beteiligten Partei ist noch in einem
von einer am Konflikt beteiligten Partei kontrollierten Gebiet ansässig ist,
e) wer nicht Angehöriger der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei ist und
f) wer nicht von einem nicht am Konflikt beteiligten Staat in amtlichem Auftrag als
Angehöriger seiner Streitkräfte entsandt worden ist.» -
98 Artikel 1 Absatz 2 der Konvention qualifiziert als Verbrechen etwa die Organisation,
Finanzierung, Ausbildung oder andere Unterstützung oder Beauftragung von Söldnerbanden,
wenn dies mit dem Ziel des bewaffneten Kampfs gegen einen Prozess der Selbstbestimmung
oder gegen die territoriale Integrität eines anderen Staates geschieht. Auch
Gruppen, Vereinigungen oder gar Vertragsstaaten können diese Verbrechen begehen. Ein
Verbrechen ist auch das allenfalls passive Zulassen von Söldneraktivitäten durch einen
Staat in von ihm kontrolliertem Gebiet, oder etwa die Ermöglichung des Transits oder
Transportes von Söldnern. Artikel 3 verwehrt Söldnern den Status eines Kombattanten
oder Kriegsgefangenen. Artikel 6 bestimmt sodann, dass Vertragsstaaten die Rekrutierung,
Ausbildung, Finanzierung und Ausrüstung von Söldnern sowie Söldneraktivitäten
durch Staatsangehörige oder Ausländer auf dem Territorium der betroffenen Staaten verhindern
sollen.
-
99 24 afrikanische Staaten haben den Vertrag ratifiziert, darunter z.B. Ägypten, Nigeria,
Senegal, Sudan und Tunesien, nicht jedoch etwa Südafrika, Sierra Leone oder Libyen.
-
100 Gegenwärtig sind 26 Staaten durch die UNO-Konvention gebunden, einschliesslich etwa
Angola, Neuseeland, Nigeria und die Demokratische Republik Kongo (früher: Zaire).
Sechs europäische Staaten haben die Konvention ratifiziert (Belgien, Italien, Kroatien,
Ukraine, Weissrussland, Zypern) und vier unterschrieben (Deutschland, Polen, Rumänien,
Serbien-Montenegro). Militärisch einflussreiche westliche Staaten wie die USA, Grossbritannien
und Frankreich, aber auch Russland und die Volksrepublik China, sahen bisher
von einer Ratifikation ab.
-
101 SR 0. 518.12; 0.518.23; 0.518.42; 0.518.51
-
102 SR 0.518.521; 0. 518.522
-
103 SR 0.515.21; 0.515.22
-
104 SR 0.518.12; 0.518.23; 0.518.42; 0.518.51
-
105 Gutachten vom 9. Juli 2004, «Conséquences juridiques de l’édification d’un mur dans le
territoire palestinien occupé».
-
106 General Comment No. 31 vom 29. März 2004.
-
107 SR 0.312.1
-
108 Hierbei ist es irrelevant, ob das staatliche Organ legislative, exekutive, judikative oder
andere Funktionen ausübt, welche Position es in der Staatsorganisation einnimmt, und ob
es einer zentralen oder föderalen Einheit unterstellt ist (Art. 1, 2 und 4 der ILC Draft
Articles).
-
109 SR 0.518.12; 0.518.23; 0.518.42; 0.518.51
-
110 SR 0.105
-
111 SR 0.312.1
-
112 Kriegsverbrechen sind völkerrechtlich kriminalisierte Verletzungen des Humanitären
Völkerrechts, wie etwa die im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt verübte
Folterung von Gefangenen, die Tötung unbewaffneter Zivilpersonen oder die Plünderung
von Wertgegenständen.
-
113 Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind im Wesentlichen systematisch und im grossen
Massstab begangene Menschenrechtsverletzungen.
-
114 SR 0.105
-
115 Am 23.09.2005 nahm eine intersessionelle Arbeitsgruppe des UNOMenschenrechtsausschusses
einen Konventionsentwurf zum Schutz aller Personen gegen
das gewaltsame Verschwindenlassen an:
http://www.ohchr.org/english/issues/disappear/group/index.htm.
116 SR 0.518.12; 0.518.23; 0.518.42; 0.518.51
-
117 SR 0.105
-
118 SR 0.312.1