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"Nicht Bush, sondern Clinton hat Blackwater staatlich anerkannt"

Gespräch mit Jeremy Scahill. Über Söldnerfirmen im Dienst der US-Kriegsführung, von Privatarmeen ausgearbeitete Lageberichte für den Präsidenten der USA und die Tätigkeit von Zivilisten vieler Länder für US-Militärdienstleister

Jeremy Scahill ist einer der bekanntesten Journalisten alternativer Medien in den USA. Er arbeitet u.a. für das Rundfunk- und TV-Programm Democracy Now! Gemeinsam mit Amy Goodman wurde er für die Dokumentation »Bohren und Töten: Chev­rons und Nigerias Öldiktatur« ausgezeichnet. Auf deutsch erschien soeben sein Buch: Blackwater. Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt; Verlag Antje Kunstmann; München 2008, 350Seiten; 22 Euro



Seit wann und vor allem aus welchem Grund beschäftigen Sie sich mit dem Thema der Privatisierung des Krieges?

1997/1998 habe ich begonnen, für den alternativen Radiosender Pacifica als Reporter zu arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt war ich erstmalig im Irak, den ich in den darauffolgenden fünf Jahren bis 2003 mehrmals besucht habe. Zudem war ich während des Jugoslawien-Krieges als Kriegsberichterstatter tätig. In Jugoslawien hat die Clinton-Regierung private Militärdienstleister eingesetzt. US-Präsident Clinton autorisierte Anfang der 90er Jahre die US-Söldnerfirma MPRI, vor Ort in Kroatien die einheimischen Streitkräfte auszubilden. Sie vertrieben mit der Operation »Sturm« im August 1995 250000 Serben aus der Region Krajna. Entscheidend für den Erfolg war die Beteiligung des privaten Militärunternehmens MPRI.

Blackwater geriet international erstmalig in die Schlagzeilen, als am 31. März 2004 bei einem folgenschweren Angriff vier Blackwater-Söldner im irakischen Falludscha ermordet wurden.

In Ihrem Buch beschreiben Sie in zwei Kapiteln ausführlich die Folgen dieser Aktion und die Tradition des Widerstandes in dieser Stadt, in der Sie mehrmals gewesen sind...

Die Bewohner Falludschas waren bereits als ernst zu nehmende Gegner des früheren britischen Besatzungsregimes in den 20er Jahren bekannt. Ich halte die Ermordung der Blackwater-Leute dort Ende März 2004 für keinen Zufall. Die Leichen der Söldner wurden verbrannt, durch die Straßen geschleift und schließlich an einem Brückengeländer aufgehängt. Eine Woche zuvor hatten die israelischen Militärs den palästinensischen Hamas-Führer Scheich Ahmed Jassin mit einem Luftangriff liquidiert. Der an den Rollstuhl gefesselte Scheich galt als einer der angesehensten sunnitischen Führer in der islamischen Welt. Aus Protest gegen diesen Mord hatten die Bewohner der sunnitischen Stadt Falludscha den Generalstreik ausgerufen. Diejenigen, die die Blackwater-Söldner getötet hatten, nannten sich Scheich-Ahmed-Jassin-Brigade. Sie rechtfertigten die Ermordung der Blackwater-Söldner als Reaktion auf die Exekution des Scheichs.

Meine Beschäftigung mit Blackwater begann mit einer recht einfachen Frage: Warum war das Leben von vier Söldnern, also keinen US-Soldaten oder unbewaffneten Zivilisten, Anlaß genug, eine ganze Stadt zu zerstören? Denn auf Bushs Befehl hin wurde anschließend versucht, Falludscha zu vernichten, als Vergeltung für den Tod dieser vier Blackwater-Söldner. Die Einwohner der Stadt allerdings setzten sich gegen die US-Belagerung zur Wehr und haben die US-Streitkräfte im April 2004 aus ihrer Stadt vertrieben.

Inzwischen ist bekannt geworden, daß die Familienangehörigen dieser vier Blackwater-Bediensteten in den USA gegen den Sicherheitskonzern Klage erheben. Was ist bisher bei diesem Verfahren herausgekommen?

Im Januar 2005 haben die Angehörigen der vier getöteten Söldner in North-Carolina bei einem Bundesgericht am Sitz der Konzernzentrale Klage gegen die Firma Blackwater erhoben. Nach Auffassung der Familien ist Blackwater für den Tod der Söldner verantwortlich, denn sie wurden ohne ausreichende Bewaffnung und ohne gepanzerte Fahrzeuge nach Falludscha geschickt. Außerdem sie ihre Einheit für diesen Auftrag personell unterbesetzt gewesen. Mit juristischer Vehemenz ist Blackwater daraufhin gegen die Familien vorgegangen. Der erste Anwalt, den Blackwater zur Verteidigung des Unternehmens engagierte, war ein Jurist namens Fred Fielding. Der verfügt über einschlägige Erfahrungen. Er war schon der persönliche Anwalt von US-Präsident Nixon und übt diesen Job heute für Bush aus. Blackwater streitet eine eigene Verantwortung für den Tod der Söldner keineswegs ab. Allerdings spricht der Konzern den Angehörigen jegliche Klageberechtigung ab. Aus der Sicht Blackwaters besitzt die Firma bei solchen Verfahren eine ähnliche Immunität wie die US-Streitkräfte. Eine Gerichtsentscheidung ist bisher noch nicht erfolgt; es dürften Jahre vergehen, bis es wegen der immensen politischen Bedeutung zu einem endgültigen Rechtsspruch kommt. Gegenwärtig wird Blackwater in diesem Fall von Kenneth Starr vertreten, der als Ermittler für die Republikaner in den 90er Jahren das Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton vorangetrieben hat.

Blackwater hat sich unmittelbar nach dem Falludscha-Vorfall mit einflußreichen Lobbyberatern und PR-Firmen zusammengetan, um propagandistisch den eigenen Einfluß zu erhöhen. Ist solch ein Vorgehen charakteristisch für die Firma?

Durchaus. Unlängst hat Blackwater die PR-Firma Burson-Marsteller anheuert, deren Chef Mark Penn als wichtiger Berater im Präsidentschaftswahlkampf für Hillary Clinton tätig ist. Penn gilt als einer der wirkungsvollsten Spinmaster, also einer der mächtigsten Meinungsmacher in den USA, jedoch agierte Penn bisher traditionell für die demokratische Partei. Burson-Marsteller wurde von Blackwater im vergangenen September nach dem Massaker auf dem Bagdader Nisur-Platz engagiert, um den nun weltweit in Mißkredit geratenen Konzern aus den negativen Schlagzeilen herauszubringen. Eine ganze Armee von Anwälten und PR-Unternehmen wird inzwischen von Blackwater finanziert, um das eigene Image aufzupolieren. Man möchte den Eindruck auslöschen, eine Söldnerfirma zu sein. Statt dessen bemüht sich der Konzern um ein harmloses Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit als »Mitwirkende für Frieden und Stabilität«.

Zu diesem Zweck hat Blackwater zusammen mit anderen privaten Militärdienstleistern wohl auch einen eigenen Branchenverband aus der Taufe gehoben. Wie funktioniert das?

Seit August 2004 arbeitet Blackwater mit einem Branchenverband aller privaten Militärfirmen namens International Peace Operations Association (IPOA) zusammen. Als deren Logo fungiert die Zeichnung eines schlafenden Löwen, die gut aus einem Disney-Animationsfilm stammen könnte. IPOA ist von Anfang an mit bedeutenden Lobby-Firmen aus dem Bereich der republikanischen Partei verbunden, wie z. B. der Alexander Strategy Group, die von Leuten aus dem Umfeld des ehemaligen Fraktionsführers der Republikaner Tom DeLay gegründet wurde. Mit Hilfe dieser Gruppe gelang es, den Vorfall in Falludscha zu einer ergiebigen Einkommensquelle umzufunktionieren. Nachdem die vier Blackwater-Leute am 31.März 2004 getötet worden waren, sprach Blackwater-Chef Erik Prince, begleitet von Lobbyisten am 1. April bereits beim US-Kongreß vor, und im Juni erhielt Blackwater einen 300 Millionen Dollar schweren Auftrag zur Absicherung des US-Besatzungsregimes im Irak. Dieser lukrative Vertrag war dank der schwergewichtigen Lobbybemühungen und mit Hilfe maßgeblicher politischer Kontakte zustande gekommen.

Letztlich hat der Blackwater-Aufstieg mit einer Schießausbildungsanlage in North Carolina begonnen. Wie ist Blackwater zu dem großen Einfluß gelangt, den das Unternehmen heute hat?

Zunächst einmal sollte man berücksichtigen, daß Blackwater erst seit 1997, also gerade zehn Jahre, im Geschäft ist. Die ursprüngliche Idee des Unternehmens bestand darin, sich Vorteile aus den Privatisierungs- beziehungsweise Out-Sourcing-Programmen der Regierung zu verschaffen. Es begann mit der Schußwaffen- und Sicherheitsausbildung für US-Streitkräfte und für Strafverfolgungsbehörden in der Zeit der Clinton-Regierung. Nicht George W. Bush, sondern Bill Clinton hat Blackwater als staatlich anerkannte Firma legitimiert. Daran erkennt man, daß sich dieser sogenannte neue Industriezweig tatsächlich auf beide großen US-Parteien stützen kann. Nach den Anschlägen des 11.September eröffnete Blackwater ein neues Geschäftsfeld, indem die Firma Söldner anbot. Ich möchte hinzufügen, daß die CIA schon seit Jahrzehnten in allen Teilen der Welt für verdeckte Operationen Vertragsunternehmen engagiert. Nach dem 11. September 2001 hat die CIA diesen Gesellschaften signalisiert, daß sie ausgebildete Spezialisten aus militärischen Sondereinheiten für den Einsatz in Afghanistan braucht. So wurden Blackwater-Leute in einem Geheimvertrag mit der CIA für Missionen in der Grenzregion zwischen Afghanistan und Pakistan rekrutiert. Das war das erste bekannt gewordene Indiz, daß sich Blackwater in ein Söldnerunternehmen verwandelt hat.

Was ist mit den angeheuerten afghanischen Hilfstruppen, die für die Drecksarbeit eingesetzt wurden? Waren die auf den Gehaltslisten der CIA, oder wurden sie von Blackwater bezahlt?

Mir ist nicht bekannt, daß Blackwater mit einheimischen Milizen oder Splittergruppen zusammengearbeitet hat. Unbestreitbar hingegen ist die jahrelange Kooperation der CIA mit Ahmad Schah Massud, dem sogenannten Löwen des Panschir-Tales. Einer der gegenwärtigen Spitzenmanager von Blackwater, Cofer Black, war nach dem 11. September bei der CIA verantwortlich für die Terrorismusbekämpfung. Cofer Black hat in diesem Zusammenhang eng mit den Fraktionen der afghanischen Nordallianz und auch mit Ahmad Schah Massud kooperiert. Cofer Black, heute die Nummer zwei bei Blackwater, hat seinerzeit das geheime Auslieferungsprogramm der CIA geleitet, bei dem Gefangene illegal verschleppt und letztlich staatlich sanktionierter Folter ausgesetzt wurden. Cofer Black ist knietief verwickelt in den Sturz des Taliban-Regimes. Blackwaters Funktion in Afghanistan war nicht, mit lokalen Fraktionen zusammenzuarbeiten, sondern die Einsatzmissionen der CIA innerhalb Afghanistans zu verteidigen und zu schützen.

Sie beschreiben in Ihrem Buch Blackwater als Paradebeispiel für eine raumgreifende Kommerzialisierung des Krieges. Läßt sich dieser Prozeß beenden oder zumindest aufhalten?

Meines Erachtens sind wir erst am Anfang. Es handelt sich hier um ein vollständig neues Modell der Kriegführung. Einige Leute betten diese aktuelle Entwicklung in historische Zusammenhänge ein und ziehen einen unangemessenen Vergleich mit der französischen Fremdenlegion...

Was stimmt an dieser Gegenüberstellung nicht?

Ganz einfach. Blackwater besitzt im Gegensatz zur Fremdenlegion keinerlei Loyalität einem Staat gegenüber. Die einzige Treuepflicht der Firma gilt einer Ideologie, und das sind nun mal völlig unterschiedliche Ansätze. Gäbe es zum Beispiel einen linksgerichteten Präsidenten in den USA, würde Blackwater keineswegs für eine linksgerichtete Administration tätig werden. Die Existenz von Blackwater entspringt einer Doppelstrategie. Einerseits will man eine Menge Geld machen und andererseits eine angriffslustige, imperialistische US-Außen- und Innenpolitik unterstützen. Diese Firma versucht, bei den Kriegseinsätzen nicht nur ihr Geschäft zu machen, sondern sie tritt zugleich für die Ideologie der globalen Überlegenheit der USA ein. Und genau das unterscheidet sie von einem militärischen Verband wie der französischen Fremdenlegion. Es geht bei Blackwater um eine immense Profitrate und zudem um eine ideologische Orientierung auf einen sehr begrenzten Ausschnitt der US-amerikanischen politischen Kultur.

Vor kurzem war zu lesen, daß die täglich dem US-Präsidenten vorgelegten vertraulichen Lageberichte mittlerweile von Privatunternehmen verfaßt werden. Ist es nur noch ein kleiner Schritt, bis der militärisch-industrielle Komplex selbst die Kriegsziele definiert?

Ich würde mir wünschen, wenn das mehr US-Amerikaner begreifen würden. Wir stecken mittendrin in der radikalsten Privatisierungsphase in der Geschichte der USA. Das gilt für alle Strukturen der sogenannten Inneren Sicherheit, den sogenannten Heimatschutz, die Geheimdienste und die Kriegsmaschinerie. Zu den Lageberichten des Präsidenten möchte ich Ihnen folgendes sagen: In den USA gibt es sechzehn verschiedene Nachrichtendienste. Siebzig Prozent ihrer Haushaltsmittel sind mittlerweile an den Privatsektor weitergeleitet und ausgelagert. Blackwater hat gerade einen eigenen privaten Nachrichtendienst nach dem Muster der CIA gegründet und bietet auf dem offenen Markt für die großen börsennotierten US-Unternehmen und zahlungswillige Regierungen CIA-typische Dienstleistungen an. Vertragsunternehmen agieren inzwischen auf allen Ebenen des US-Nachrichtendienstapparates. Verhör- und Folterspezialisten privater Unternehmen finden sich in den versteckten Geheimgefängnissen. Wenn man den letzten Meldungen glauben darf, sind sie auch an der Verhörmethode des sogenannten Waterboarding beteiligt, mit der Terrorverdächtige gequält werden. Beschäftigte von Privatunternehmen befinden sich im direkten Kriegseinsatz, und ihre Nachrichtenanalysten verfassen auch die von Ihnen erwähnten präsi­dialen Lageberichte. Mit einem Treueeid auf einen Staat hat das alles nichts zu tun. Die einzige Loyalität gilt den Profiten, dem Unternehmenschef und, so die Firmen börsennotiert sind, den Anteilseignern. Selbst für einen mediengläubigen Durchschnittsbürger in den USA ist das eine äußerst besorgniserregende Entwicklung. Der Unternehmenszweck rangiert vor dem Nationalinteresse. Allerdings ist das keine neue Entwicklung, denn das US-Empire ist schon immer ein Staat der Privatunternehmen gewesen.

Läßt sich die Privatisierung von Transportdienstleistungen als Anfangspunkt begreifen? Sind die eigentlichen Militärdienstleister wie Blackwater erst später auf den Zug aufgesprungen?

Ein kurzer Rückblick in die neuere Geschichte der USA hilft hier weiter. Nehmen wir den sogenannten Golfkrieg 1990/1991 als Beginn dieser unheilvollen Entwicklung. Der jetzige Vizepräsident der USA, Dick Cheney, war damals Verteidigungsminister unter George Bush senior. Bei dem damaligen Angriff kam auf 60 US-Soldaten ein privater Dienstleister. Das Verhältnis heute: 150000 eingesetzten US-Militärs stehen 180000 Vertragsbeschäftigte gegenüber. Das ist kein Zufall, sondern beabsichtigt. Cheney hatte damals bei Halliburton eine Millionen Dollar teure Studie zur umfangreichen Privatisierung von Militärdienstleistungen in Auftrag gegeben. Während der 90er Jahre wurde er dann Halliburton-Boß, während Bill Clinton Halliburton und die anderen Firmen mit Verträgen versorgte. Mit dem Amtsantritt von George W. Bush jr. 2001 wurde das Programm ausgedehnt. Nun ging es nicht mehr nur darum, die LKW-Transporte, das Kartoffelschälen und die Wäschereien zu privatisieren, sondern zentrale Einsatz- und Kampffunktionen vertraglich auf private Dienstleistungsfirmen wie Blackwater zu übertragen. Sicherlich gibt es einen Unterschied zwischen Transportlogistik und dem militärischen Personenschutz für US-Statthalter einschließlich der Bewachung diverser Hochsicherheitsareale im Irak. Eine arme nepalesische Köchin, die für die Versorgungs- und Baufirma Kellogg, Brown & Root (KBR) US-Soldaten bekocht, ist nicht mit einem schwerbewaffneten ehemaligen Elitesoldaten der US-Marine gleichzusetzen, der für Blackwater arbeitet.

Warum allerdings arbeitet diese Frau aus Nepal für KBR in Irak? Das macht sie, damit der US-Soldat auf Iraker anlegen kann. Die Logik hinter diesem Privatisierungsprogramm besteht darin, Zivilpersonen aus allen Ländern der Welt anzuheuern, um Tätigkeiten auszuüben, die historisch vom Militär selber erledigt wurden. Früher hat sich die Armee selbst um die Reinigung der Wäsche und das Kantinenwesen sorgen müssen, heute machen das Zivilisten, denen man dann andichten kann, sie hätten mit einer Verwicklung in Militäroperationen nichts zu tun. Aber genau das haben sie. Sie sorgen für die Freisetzung von Soldaten, die im Irak Kampfaufgaben bis hin zur Tötung der Einheimischen übernehmen können.

Die Privatisierung des Krieges setzt offenbar einen profitablen Teufelskreis in Gang. Durch den Einsatz der modernen Söldnerverbände werden ganze Regionen destabilisiert, und um diesem Problem beizukommen, werden noch mehr private Militärfirmen verpflichtet?

Abgesehen davon, daß über eine Million Iraker inzwischen durch die Kriegshandlungen getötet wurden, besteht die eigentliche Perversität darin, daß Menschen aus über einhundert Ländern der Welt, die für US-Unternehmen im Irak arbeiten, zum großen Teil aus Staaten kommen, die selber entweder ökonomisch durch die USA aus dem Gleichgewicht gebracht oder militärisch angegriffen wurden. Das ist ähnlich widerwärtig wie die Kinderarbeit in Ausbeutungsbetrieben in Haiti, wo Kinderkleidung für die Modefirma Nike produziert wird. Aber genau dieses Vorgehen hat Konjunktur. Es gibt keinen Mangel an ausgebeuteten Menschen auf dem Globus, ebenso fehlt es nicht an Ländern, die destabilisiert oder ökonomisch und militärisch mit den USA in Konfrontation sind. Die Zahl menschlicher Wesen, die man anwerben kann, ist allein durch die Zahl der Lebenden begrenzt. Die Kommerzialisierung des Krieges ist ein ernsthaftes internationales Problem und eine Bedrohung für die friedensliebenden Menschen der Welt. Zugleich wirft die damit einhergehende Schwächung nationalstaatlicher Strukturen Fragen für diverse Nationalregierungen auf. Was machen die, wenn ihre Soldaten für doppelten Sold von Privatunternehmen abgeworben werden und nicht mehr den offiziellen Streitkräften zur Verfügung stehen?

Interview: Dago Langhans

Jeremy Scahill: Blackwater – Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt; Verlag Antje Kunstmann; München 2008; 350 Seiten; 22,00 €

* Aus: junge Welt, 23. Februar 2008


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