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Was nicht verboten ist ...

Ein Amerikaner informierte in Berlin über die Privatisierung des Krieges

Von Tom Mustroph *

Man weiß es eigentlich, zumindest ahnt man einiges – aber es ist doch etwas anderes, wenn man aus dem Munde eines profunden Kenners der Materie erfährt, wie zunehmend Privatarmeen als Global Player auftreten und ihr Unwesen treiben dürfen.

Der postmoderne Staat kann viele Dinge nicht mehr, die der moderne Staat noch vermochte. Er kann (oder will) nicht mehr für eine ausreichende Grundsicherung seiner Bürger sorgen, auf Mindeststandards bei Tarifverträgen drängen oder die Sicherheit der Rente garantieren. Krankenversorgung und öffentlicher Personennahverkehr sind ihm in Ballungszentren noch wichtig, in Randlagen eher nicht organisierbar.

Inzwischen stellt sich heraus: Der postmoderne Staat kann nicht einmal mehr ordentlich Krieg führen. Er will vielleicht – wenn man sich etwa an das Trommeln der rot-grünen Regierung für Einsätze auf dem Balkan und in Afghanistan erinnert –, aber außerhalb seines eigenen Territorialgebiets fällt ihm dies schwer. Die parlamentarische Kontrolle über den Einsatz der Streitkräfte – so schwach ausgeprägt und umgehbar sie auch immer sein mag – ist Hindernis für einen effizienten Einsatz der Militärmaschine, vor allem deshalb, weil der dreckige Kriegsalltag gerade nicht mit der Poesie der Mandatsbegründung in Einklang zu bringen ist.

Das Dilemma von Krieg führen zu wollen, aber ihn nicht »richtig« führen zu können, hat zu einer Renaissance der vornationalstaatlichen Zustände geführt, zur Wiedergeburt der Figur des Söldners. 170 private »Sicherheitsfirmen« sollen nach Auskunft des US-amerikanischen Journalisten und Buchautors Jeremy Scahill (»Blackwater. Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt«, Kunstmann Verlag) in Irak aktiv sein. Ihre auf 180 000 Personen geschätzte Einsatzstärke übersteigt die der staatlichen Truppen (157 000 US-Militärs, ca. 8000 Soldaten anderer Nationen). Die »Coalition of the Billing« (Koalition der Rechnungssteller) ist damit gewichtiger als die der »Coalition of the Willing«.

Meist stellen die Firmen in Aussicht, Kasernen zu bauen und Kasernentore zu bewachen, Ölmanager und Botschafter zu beschützen, Polizisten und Soldaten zu trainieren. Größte Fische im irakischen Teich sind DynCorp (eine Milliarde Dollar Umsatz durch Pentagon-Kontrakte laut Firmenangaben allein 2007 im Nahen Osten, davon der größte Teil in Irak), Blackwater (insgesamt 500 Millionen Dollar für den Schutz von US-Regierungsbeamten im »Krieg gegen den Terror«, davon der größte Teil im Irak; Angabe Scahill) und Caci (66 Millionen, 2003 bis 2006; vor allem Ausbildung; Angabe foreignpolicy.com).

Die Budgets der Sicherheitsdienste nehmen sich bescheiden aus gegenüber den Umsätzen der größten Kriegsprofiteure. Der Ölmulti Halliburton, zeitweise geführt von US-Vizepräsident Dick Cheney, steht mit Verträgen im Wert von über 17 Milliarden Dollar im Irak zu Buche, der Investmentfonds Veritas Capital mit 1,4 Milliarden (beides Angabe Eagle Eye, jeweils 2003 bis 2006), Bauriese Bechtel (mit Ex-Außenminister George Shultz verbunden) setzte bis zu seinem Ausstieg in Irak 2,3 Milliarden Dollar um. Doch immerhin zehn Prozent des gesamten Wiederaufbaubudgets sollen bei der Sicherheitsbranche landen. Viele der Firmen sind allerdings nicht wegen der Qualität ihrer Arbeit bekannt geworden, sondern wegen massiver Überschreitung des selbst für Invasionsstreitkräfte Erlaubten. Caci-Personal etwa war in den Folterskandal von Abu Ghoreib verwickelt und wurde – anders als die US-Soldaten – aber nicht strafrechtlich verfolgt. Personenschützer von Blackwater richteten im September 2007 ein Massaker auf dem Nissur-Platz in Bagdad an und töteten 17 Zivilisten. Branchenführer DynCorp wiederum ist für seinen brutalen Einsatz im »Krieg gegen die Drogen« in Lateinamerika bekannt.

Gegenwärtig präsentieren sich die Söldnerfirmen nur als Sicherheitsexperten. Doch die Grenzen zum heißen Gefecht sind fließend. Im Einzelfall wurden sie bereits überschritten. Das Outsourcing von Kampfeinsätzen ist logische Konsequenz. Sie bietet dem kriegswilligen Staat den Vorteil, dass er – anders als für seine Soldaten – die Verantwortung für seine Auftragnehmer ablehnen kann. Der erste US-Statthalter im Irak, Paul Bremer (geschützt natürlich von Blackwater) erließ bei seinem Abgang die Order, dass kein Angehöriger eines privaten Sicherheitsdienstes unter Strafverfolgung gestellt werden dürfe.

Doch was geschieht, wenn diese Truppen, deren Heimatbasis nicht Mogadischu oder Kandahar, sondern Virginia oder Oklahoma ist, sich bewusst werden, dass sie nicht nur nicht verantwortlich gemacht werden können von den Vertretern ihrer Opfer, sondern gleichfalls nicht von ihren Auftraggebern? Sie werden zu – Schillers »Wallenstein« fällt einem ein – dem »Auswurf fremder Länder«. Wer ihm angehört, »darf über den Bürger kühn wegschreiten wie der Feldherr über der Fürsten Haupt«, sagt der Erste Jäger aus »Wallensteins Lager« und fährt fort: »Was nicht verboten ist, ist erlaubt.« Wallensteins Truppe hielt folgende Motivation zusammen: »Ein Reich von Soldaten wollt’ er gründen, die Welt anstecken und entzünden, sich alles vermessen und unterwinden.« Ein Staat, der solch eine Entwicklung wieder erlaubt, ist nach Aussage des Machttheoretikers Niccolo Machiavelli nur noch ein schwaches Gebilde: »Ein Herrscher, der sich auf Söldner stützt, wird niemals auf festem Boden stehen und sicher sein.«

* Aus: Neues Deutschland, 14. Februar 2008


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