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Reeder fordern Söldner

Bundesregierung bereitet Zertifizierung privater Militärfirmen vor

Von Hermannus Pfeiffer *

Die Zahl der Piratenüberfälle auf deutsche Schiffe nimmt zu. Eine Entsendung von Polizisten oder Soldaten hält die Bundesregierung weiterhin für unmöglich. Nun sollen Söldner das Sicherheitsloch stopfen. Hierfür würde eine Zertifizierung geprüft, sagte der Maritime Koordinator der Bundesregierung, Hans-Joachim Otto, am Mittwoch auf einem Anti-Piraten-Gipfel in Berlin.

Der Einsatz von privaten Piratenschützern ist allerdings längst gängige Praxis. Auf jedem zehnten Handelsschiff weltweit fahren laut Dienstleistungsgewerkschaft ver.di inzwischen private, bewaffnete Wachleute mit. Reeder nennen noch höhere Zahlen. Die Internationale Schifffahrtorganisation (IMO), ein Ableger der Vereinten Nationen, stellt es den Staaten seit kurzem frei, Söldner einzusetzen, knüpft aber Forderungen an einen solchen Einsatz. So müssten die Regierungen »die Bedingungen festlegen, unter denen der Einsatz Autorisierter bewilligt« werde. Eine entsprechende Regelung hat die Bundesregierung bislang versäumt.

Das soll sich nun ändern. Der Parlamentarische Staatssekretär und Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Hans-Joachim Otto (FDP), hat einen »Prüfauftrag« an die Bundesregierung gestellt, »den Einsatz von privaten Sicherheitskräften zu prüfen«, erklärte eine Sprecherin auf Anfrage am Donnerstag. Das Ministerium sehe in Söldnern an Bord »eine Alternative«, die angesichts der Zahlen als Zwischenlösung denkbar sei.

Otto hatte am Mittwoch (20. Juli) mit Vertretern der Bundesregierung, des Verbandes Deutscher Reeder, der Seemannsmission, des Bundeswehrverbands, der Gewerkschaft der Polizei und ver.di sowie Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu einem Meinungsaustausch zum Thema »Schutz vor Piratenangriffen« getagt. Das Gespräch knüpfte an ein erstes, weitgehend folgenloses Gipfeltreffen der maritimen Wirtschaft und Politik im Januar dieses Jahres an.

Reeder und Gewerkschafter hatten die Bundesregierung im Vorfeld aufgefordert, mehr zum Schutz ihrer Schiffe vor Piratenangriffen zu unternehmen. »Wir brauchen dringend Marinesoldaten und Bundespolizisten, die mit bewaffneten Teams auf unsere Schiffe gehen«, sagte Ralf Nagel, Chef des Verbandes Deutscher Reeder. Die Zahl der Überfälle habe sich weltweit seit dem Jahr 2006 auf nahezu 450 verdoppelt, so Nagel. Der Einsatz von Marinesoldaten der Bundeswehr auf Schiffen sei nach einem EU-Mandat rechtlich möglich.

Eine Begleitung deutscher Schiffe durch Soldaten oder Polizisten – wie es die Polizeigewerkschaft wünscht – sei logistisch unmöglich, argumentierte Otto in Berlin. Dafür sei die Zahl der Schiffe zu groß. Die deutsche Flotte ist mit mehr als 3000 Schiffen die drittgrößte der Welt.

Die Gewerkschaft ver.di hält dagegen Söldner eher für einen Teil der »Ausweitung des Problems« und beklagt eine »halbherzige Atalanta-Mission«. Seit 2008 beteiligt sich die Deutsche Marine an der Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias. Zwar könne das Problem der Piraterie »nicht auf See, sondern nur an Land gelöst werden«, so ver.di-Experte Dieter Benze, doch gäbe es »Defizite« auch auf hoher See.

Weitere Beschlüsse wurden auf der Zusammenkunft nicht getroffen. Überraschenderweise hatte ein Großteil der Verbände nur zweitrangige Ersatzvertreter geschickt. Schuld sei die Parlamentarische Sommerpause, hieß es aus Teilnehmerkreisen.

* Aus: Neues Deutschland, 22. Juli 2011


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