"Blackwater" im Kielwasser der NATO
Umstrittener privater Militärdienstleister will ins Geschäft der Piratenbekämpfung einsteigen
Von Susanne Härpfer *
Der umstrittene private Militärdienstleister Blackwater will ins Geschäft der Piratenbekämpfung
einsteigen. Dies berichtete jetzt der altehrwürdige Schifffahrts-Versicherer Lloyds in London.
Demnach soll Blackwater bereits ein Schiff für diese Zwecke umgerüstet haben.
Keith Winstanley, der oberste Kommandeur der Royal Navy in der Golfregion, hat nach Angaben der
britischen Zeitung »Telegraph« Reeder dazu aufgerufen, die neuen Blackwater-Dienste zur
Piratenbekämpfung in Anspruch zu nehmen. Vor diesem Hintergrund bekommt die aktuelle Analyse
des niederländischen »Hague Center for Strategic Studies« eine besondere Bedeutung: »Allen
Piraterie-Statistiken ist zu misstrauen.« Aus Versicherungsgründen seien immer wieder Zahlen
manipuliert, Überfälle nicht registriert bzw. im Gegenteil besonders penibel jede Form der Attacke
gemeldet worden. Gerade jetzt kann diese Warnung nicht oft genug wiederholt werden. Denn man
argumentiert mit nur vermeintlich neutralen Zahlen, um auch Entscheidungen über Militäreinsätze
herbeizuführen.
Dr. Kieling von Thyssen Krupp Marine Systems bestätigte dieses Phänomen unlängst auf der
internationalen Fachkonferenz »Maritime Security and Defence international« in Hamburg. Die
meisten Piratenüberfälle verzeichne man mitnichten in diesen Wochen und Monaten, die habe es
schon zwischen 2000 und 2003 gegeben. Trotzdem hat die NATO erst jetzt eine Mission gegen
Piraten in den Gewässern vor Ostafrika gestartet. Und auch das Europäische Parlament hat den
Einsatz von Kriegsschiffen vor Somalias Küste beschlossen. Es wäre der erste maritime EUMilitäreinsatz
überhaupt und laut BBC möglicherweise nur der Anfang für weitere in anderen
Regionen. China, Vietnam und Libyen hätten dies bislang allerdings verhindert – was eine weitere
Erklärung für die Blackwater-Pläne sein könnte.
Schifffahrtsexperte Theodorus Niemeijer berichtete in Hamburg von einem Consultingauftrag des
»Hague Centers for Strategic Studies« für ein Unternehmen, das mit seinem Schiff ins Niger-Delta
wollte. Vor allem die Manager hätten einen »besonders verantwortungslosen großen Appetit auf
Risiko gezeigt« und aus reinem Profitstreben vorhandene Gefahren heruntergespielt oder ganz
verneint. Kein verantwortungsbewusster Kapitän würde sich und seine Mannschaft derart verheizen
lassen. Auch deshalb kommt wohl »Blackwater« ins Spiel. Solchen Militärdienstleistern würden
Reeder vermutlich auch eher als Vertretern von Marine oder Polizei mitteilen, wenn Waffen oder
gefährlichere Güter wie Giftmüll oder radioaktive Materialien an Bord sind, die möglicherweise sogar
illegal verschifft werden.
In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins »CD Sicherheitsmanagement« berichtet ein Experte
über ein Schiff des niederländischen Tochterunternehmens einer deutschen Reederei, das im Golf
von Aden von Piraten überfallen worden ist. Bei den Verhandlungen hätten ihnen »im Gegensatz zu
den Verbindungsoffizieren der alliierten Streitkräfte unter Führung der Task Force 150 aus Dubai«
deutsche Kräfte geholfen. Und da die US-Amerikaner und Briten das sogenannte Hawala-Banking
eliminiert hätten, bei dem irgendwo auf der Welt einem Araber Bargeld übergeben wird, der es an
seinen Empfänger weiterleitet, sei auch die Lösegeldübergabe schwierig gewesen.
Der Überfall auf das Schiff, so der deutsche Unterhändler, sei kein Zufall gewesen: »Mittlerweile sind
wir überzeugt, dass die Schiffe ganz gezielt ausgesucht werden. Die Hintermänner, die den Auftrag
erteilen, wissen bestens darüber Bescheid, wann sich ein Frachtschiff wo befindet. Diese Leute
sitzen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in Afrika.«
Auch die NATO habe den maritimen Einsatz am Horn von Afrika von langer Hand geplant; die
Durchführung sei aber erst durch eine UN-Resolution vom Juni dieses Jahres möglich geworden,
kann man aus Brüssel hören. Der Allianz sei nach den Anschlägen vom 11. September 2001
aufgegangen, welche Defizite im maritimen Sektor bestanden, wie Kapitän Klaus Beyer auf der
Konferenz in Hamburg erzählt. Deshalb habe man vor zwei Jahren ein »quick reaction team«
gebildet. In Italien habe man mit Unterwasserfahrzeugen geübt, Häfen zu sichern. Seiner Erfahrung
nach habe die Industrie unterschätzt, wie viel investiert werden müsse, bevor ein Produkt in diesem
Bereich auch wirklich einsetzbar sei. Außerdem habe sich herausgestellt, dass manche
Neuentwicklung nicht habe verschifft werden können, weil sonst gegen
Ausfuhrkontrollbestimmungen verstoßen worden wäre.
* Aus: Neues Deutschland, 5. November 2008
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