Boomender Markt für Söldner - Falsche Weichenstellung durch den Bundestag?
Ein Beitrag aus der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" *
Andreas Flocken (Moderator der Sendung)
In Krisenregionen und in bewaffneten Konflikten engagieren sich immer mehr private Sicherheitsunternehmen. Denn hier kann man sehr viel Geld verdienen. Deutsche Firmen operieren zurzeit in einer rechtlichen Grauzone. Das soll nach dem Willen des Bundestages jetzt aber anders werden. In der vergangenen Woche (23. April) forderte das Parlament zu später Stunde die Bundesregierung auf, klare Regeln auszuarbeiten. Auf diese Weise sollen Sicherheitsunternehmen besser kontrolliert werden können. Für Kritiker hat der Bundestag mit seiner Entschließung allerdings das Tor für die Aktivitäten deutscher Sicherheitsfirmen nun ganz weit aufgestoßen, anstatt sie einzuschränken. Alexander Richter mit Einzelheiten:
Manuskript Alexander Richter
Es war nicht das erste Mal, dass der Bundestag sich mit privaten militärischen Sicherheitsfirmen befasste. Nun – im dritten Anlauf – nahmen die Regierungs-fraktionen unterstützt von der FDP einen
Antrag an, der „nichtstaatliche militärische Sicherheitsunternehmen kontrollieren" will. Prinzipiell klingt das nach einem vernünftigen Vorhaben, immerhin sorgten in den vergangenen Jahren Firmen wie Blackwater für Negativschlagzeilen.
Unternehmen, die in Kriegs- und Krisengebieten mit Sicherheitsdienstleistungen viel Geld verdienen, haben seit dem Ende des Kalten Krieges einen wah-ren Boom erfahren. Etwa 300 solcher Firmen haben mehrere zehntausend Mitarbeiter im Irak, in Afghanistan, in Südamerika und in vielen Ländern Afrikas im Einsatz. Ihre Auftraggeber sind Unternehmen, Hilfsorganisationen und Re-gierungen. Kritiker bemängeln angesichts dieser Dimensionen, dass das staat-liche Gewaltmonopol mancherorts aufgegeben und Sicherheit käuflich wird. Einige bezeichnen diese Unternehmen und ihre Mitarbeiter als neues Söldner-tum.
Im internationalen Vergleich spielen Firmen aus Deutschland eine eher kleine Rolle – noch muss man sagen. Denn die nun vom Bundestag verabschiedete Erklärung fordert die Bundesregierung auf, die in Deutschland ansässigen Fir-men zu registrieren und Lizenzen zu vergeben. Damit schafft man die Voraus-setzungen, dass Sicherheitsfirmen aus Deutschland auf dem milliardenschwe-ren Markt mitmischen können. Ein Selbstverpflichtungskodex der Branche soll nach den Vorstellungen der Politiker von CDU, CSU, SPD und FDP helfen, dass die Firmen sich als seriöse Auftragnehmer beweisen.
In der Union gibt es auch schon Vorstellungen darüber, in welchen Bereichen die derart kontrollierten deutschen Firmen tätig werden könnten. Eckart von Klaeden, Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Auswärtigen Ausschuss, wo der Antrag federführend erarbeitet wurde, schließt zwar direkte Aufträge von der Bundesregierung aus, sieht aber andere Möglichkeiten:
O-Ton von Klaeden
„Zum Aufgabenfeld kann zum Beispiel gehören, dass internationale Organisa-tionen wie das Rote Kreuz oder die Vereinten Nationen, die bei ihren Aufgaben in bestimmten Regionen ganz besonderen Wert auf Neutralität legen, gerade auf den Schutz durch eine Armee keinen Wert legen, sondern in so einem Fall den Dienst eines seriösen Sicherheitsdienstes in Anspruch nehmen wollen. Also ich kann mir durchaus Konstellationen vorstellen, in denen ein solcher Dienst eine vernünftige und gute Aufgabe erfüllen kann."
Beim Roten Kreuz löst der Vorschlag des CDU-Politikers allerdings Verwunde-rung aus. Man wolle die Dienstleistungen privater Sicherheitsfirmen nicht in Anspruch nehmen. Und bewaffnete Hilfseinsätze seien grundsätzlich kaum mit der Neutralität, so wie sie vom Roten Kreuz propagiert werde, in Einklang zu bringen, teilte die Organisation mit.
Aber diese Unschlüssigkeit ist nicht das einzige Fragezeichen in der verab-schiedeten Bundestagsinitiative. Omid Nouripour von den Grünen bemängelt die Formulierungen, die die Regierungsfraktionen gewählt haben:
O-Ton Nouripour
„Sie sprechen in einem Mischmasch von privaten Sicherheits- und militärischen Unternehmen. Es gibt aber faktisch - also rechtlich zumindest - genau genom-men nach dem Völkerrecht keine privaten Militärunternehmen. Das darf es gar nicht geben.“
Trotzdem will der grüne Verteidigungspolitiker Nouripour privaten Sicherheits-unternehmen die Annahme von Aufträgen im Ausland nicht verbieten. Dieses Totalverbot forderte nur die Linksfraktion im Bundestag in einem Gegenentwurf zum Antrag der Regierungsfraktionen.
Ein Totalverbot wird aber außerhalb der
Linksfraktion für unrealistisch und für nicht durchsetzbar gehalten. So etwa von Michael Brzoska, Direktor des Hamburger Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik. Er argumentiert, dass mittlerweile die Unterstützungsleistungen der privaten Sicherheitsfirmen für das Militär weder im In- noch im Ausland wegzudenken seien. Entscheidend sei aber die Frage, welche Aufgaben den Unternehmen übertragen und wie sie kontrolliert würden. Brzoska glaubt aber nicht, dass die verabschiedete Bundestagserklärung in allen Punkten den richtigen Weg weise. Der Konfliktforscher hat unter anderem erhebliche Zweifel an der geforderten Selbstverpflichtungserklärung der Branche:
O-Ton Brzoska
„Die Situation im Irak hat gezeigt, dass die Firmen nicht in der Lage sind, sich gegenüber ihren Mitgliedsfirmen, die sich nicht an den Kodex halten, durchzusetzen. Und insofern ist eine Selbstregulierung aus meiner Sicht gescheitert."
Die Erfahrung gibt Michael Brzoska recht: Die internationale Vereinigung der privaten militärischen Sicherheitsfirmen, die International Peace Operations Association hat einen solchen Kodex. Aber seit 2001 wurden diese Verhaltensrichtlinien etwa ein Dutzend Mal geändert.
Doch Michael Brzoska sieht nicht nur die von den Regierungsfraktionen und FDP geforderte Selbstverpflichtungserklärung äußerst skeptisch. Er vermisst in der Bundestagsentschließung auch konkrete Vorschläge, wie eventuelle Verstöße strafrechtlich verfolgt werden könnten.
Dass das deutsche Strafrecht bislang allenfalls unter großen Schwierigkeiten auf private militärische Sicherheitsfirmen anwendbar ist, bestätigt Rechtsprofessor Rainer Keller. Bevor eine deutsche Staatsanwaltschaft tätig werden könne, müssten in der Regel mehrere Voraussetzungen erfüllt sein: So muss u.a. die Tat in dem Land, wo sie begangenen wurde, ebenfalls unter Strafe stehen. Ist das nicht der Fall ist, so sind der deutschen Justiz – von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen – in der Regel die Hände gebunden.
Aber der Hamburger Professor weist noch auf einen ganz anderen Aspekt hin: Kein deutscher Staatsanwalt könne im Ausland ermitteln, ohne dass die dortigen Behörden damit einverstanden seien. Doch selbst wenn die Tat in beiden Ländern unter Strafe steht und wenn es eine Kooperationsbereitschaft gibt: dann muss das ganze Verfahren auch noch deutschen Ansprüchen entsprechen, so Rainer Keller:
O-Ton Keller
„Also wenn die etwa dort einen Zeugen oder Beschuldigte vernehmen und diese unter Druck setzen, dann ist es nicht ohne weiteres in Deutschland verwertbar. Das ist ein weiteres Problem. Das ganze ist also sehr kompliziert, sehr voraussetzungsreich und deshalb ist die Chance, da effektiv zu ermitteln, nicht ausgeschlossen, aber sehr beschränkt."
Im Klartext: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Deutscher für in Krisen- oder Kriegsgebieten begangene Verbrechen von einem deutschen Gericht verurteilt wird, ist äußerst gering.
Hierfür gibt es Beispiele. So berichtet der Autor Franz Hutsch in seinem gerade erschienen Buch „Exportschlager Tod" von einem Deutschen, der Ende 2001 im Norden Afghanistans als Söldner an der Ermordung gefangener Taliban beteiligt gewesen sein soll. Kornelius – so nennt der Autor den Söldner – habe in der Bundeswehr und in der Fremdenlegion gedient und sich schließlich von General Dostums Milizen in Afghanistan anwerben lassen. 2001 habe Kornelius 90 Schuss auf einen Container abgefeuert, in dem Gefangene zusammengepfercht gewesen seien, heißt es in dem Buch. Von einem Gericht sei der Mann deswegen nie belangt worden.
Es mag sein, dass die Tat von Kornelius ein verabscheuungswürdiger Einzelfall ist. Realität aber ist inzwischen, dass bewaffnete Angehörige von privaten militärischen Sicherheitsfirmen in Kriegs- und Krisengebieten Straftaten begehen, und die Unternehmen mehr und mehr in Bereiche vordringen, die bisher dem staatlichen Gewaltmonopol unterstanden. Insofern stellt sich die Frage, ob die Politik nicht viel stärker gegen diese bedenkliche Entwicklung vorgehen sollte. Die jetzt im Bundestag verabschiedete Erklärung zur Kontrolle nichtstaatlicher militärischer Sicherheitsunternehmen wird ihrem Anspruch nicht gerecht. Sie ist vielmehr darauf ausgerichtet, deutschen Firmen den Weg in den Markt der Sicherheitsdienstleistungen im Ausland freizumachen – wohin das letztlich führt, kann heute noch niemand sagen.
* Quelle: NDR, Das Forum STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN, gesendet am 02.05.2009 /19.20-19.50 Uhr
Im Internet: www.ndrinfo.de
Hier geht es zu den beiden in dem Beitrag erwähnten Anträgen:
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