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Söldner für deutsche Schiffe

Private Militärdienste sind ein gutes Geschäft – auch für deutsche Unternehmen

Von Hermannus Pfeiffer, Hamburg *

Trotz zahlreicher Piratenüberfälle sieht die Bundesregierung einen Einsatz der Bundespolizei auf deutschen Handelsschiffen eher skeptisch. Anders als im Luftverkehr gebe es bei Handelsschiffen keine besondere Schutzpflicht des Staates, hieß es am Freitag aus Regierungskreisen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) befürwortet den Einsatz privater Sicherheitsdienste. Allerdings sollen deutsche Reeder dabei nur Söldner von Firmen einsetzen dürfen, die eine staatliche Zulassung haben.

Der hierzulande verbotene Einsatz von privaten Piratenjägern ist weltweit längst Praxis. Auf jedem zehnten Handelsschiff fahren nach Angaben der Gewerkschaft ver.di bewaffnete Söldner mit. Reeder nennen noch höhere Zahlen: Sicherheitsdienste kämen die Unternehmen unterm Strich billiger als Versicherungsprämien und Lösegelder. Aus Sicht der Reeder erscheint es alternativlos, die Piraten-Bekämpfung »in professionelle Hände zu legen«, sagt Claus Brandt, Experte der Beratungsgesellschaft PWC. 27 deutsche Reedereien setzen bereits bewaffnete private Sicherheitsdienste ein, weitere sechs Reedereien unbewaffnete Wachleute. Eigner nutzen dabei das Seerecht aus: Lediglich auf Schiffen unter Schwarz-Rot-Gold gilt deutsches Recht. Von den 3659 Schiffen mit bundesdeutschen Eigentümern fahren jedoch nur 570 unter deutscher Flagge.

Im privaten Sicherheitsgeschäft auf See tummeln sich bekannte internationale Größen. Zu den ersten Firmen, die das Geschäftsfeld Piratenabwehr für sich erschließen wollten, gehört Blackwater. Das Unternehmen, das sich in Irak einen zweifelhaften Ruf erwarb, tritt heute unter dem Namen »Xe Services« auf. Erfahrungen auf See konnte die Firma zunächst nicht vorweisen. Inzwischen hat Blackwater/Xe eine Reihe ehemaliger Marinesoldaten unter Vertrag, meldet der Infodienst »Streitkräfte und Strategien«. Trotzdem, so Piratenexperte Michael Weisfeld, haben viele Reeder »wenig Vertrauen zu den international tätigen Sicherheitsfirmen«. Sie fordern daher eine staatliche Zertifizierung und dürften im Regelfall lieber auf deutsche Militärfirmen setzen.

Der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) wiegelt ab, das Interesse der Mitgliedsfirmen sei »verhalten«. Dazu dürfte die unsichere Rechtslage beitragen. So sind Kriegswaffen für private Militärfirmen in Deutschland tabu. Außerdem erfordern Pirateneinsätze eine aufwendige Logistik. Die Teams gehen vor der Südspitze Indiens oder vor Tansania auf hoher See von eigenen Versetzbooten an Bord und fahren drei, vier Tage mit, um später auf der anderen Seite des Gefahrengebietes wieder auszusteigen. Schnellfeuerwaffen und Maschinengewehre bringen Sicherheitsleute mit. Der Transport solcher Kriegswerkzeuge durch Häfen und Flughäfen dürfte nur in wenigen Fällen legal ablaufen.

Die Münchner Firma Result Group bietet auf ihrer Internet-Seite die »Begleitung von Schiffen in High-Risk-Areas« wie den Golf von Aden und Indonesien an. Das Unternehmen soll von einem Hauptkommissar der bayrischen Polizei gegründet worden sein und wirbt mit seinen 60 »hoch qualifizierten Experten«, die früher unter anderem für das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr oder die GSG 9 der Bundespolizei gearbeitet hätten.

Konkurrent International Security Network (ISN), eine GmbH aus dem badischen Rheinmünster, wirbt gleich mit einem kürzlich erfolgten Besuch des Generals a.D. Ulrich Wegener. Der frühere Chef der Spezialpolizeieinheit GSG 9 soll sich von der »taktischen und strategischen Leistungsfähigkeit« beeindruckt gezeigt haben. Innerhalb von 48 Stunden könne ISN Einsatzkräfte und ihr üppiges Equipment weltweit einsetzen.

Rolf Uesseler, Autor des Standardwerkes über private Militärfirmen (»Krieg als Dienstleistung«), befürchtet, dass See-Söldner »die Demokratie zerstören« könnten. Und die Gewerkschaft ver.di hält private Piratenjäger eher für einen Teil der »Ausweitung des Problems«. Es drohe eine Gewaltspirale auf dem Meer.

* Aus: Neues Deutschland, 27. August 2011


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