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Piratenabwehr: Ersetzt Merkel den Monsun?

Die Reeder verlassen sich immer öfter auf bewaffnete Sicherheitsteams – die Koalition ist angeblich auf ihrer Seite

Von René Heilig *

Dem Monsun sei Dank – noch schlagen die Wellen bei Windstärken 6 bis 7 zu hoch für die niederbordigen Skiffs der Piraten. Doch das Wetter im Arabischen Meer, vor der somalischen Küste und im Seegebiet um die Seychellen bessert sich – und damit die Aussicht auf fette Beute.

Die Piraten haben die wetterbedingte Kaperpause offenbar genutzt, um ihre Taktik zu verfeinern. In der ersten Augustwoche griffen sie mit einer Rudeltaktik an. Ein Dutzend Skiffs attackierte im südlichen Roten Meer einen Massengutfrachter. Auf dem hatte sich jedoch ein bewaffnetes Kommando eingeschifft. Nach einer halben Stunde ließen die Freibeuter von dem Schiff ab. Eine weitere versuchte Kaperung wurde aus dem Golf von Aden gemeldet. Die deutsche »Greta« der Reederei Nimmrich & Prahm war in Gefahr. Doch auch dieses Schiff hatte ein Sicherheitsteam an Bord. Die drei Briten gaben ein paar Schüsse ab – vorbei war der Spuk.

So machen wir das demnächst immer, ließ sich der Innenpolitiker der Union Hans-Peter Uhl vernehmen. Die Koalition sei sich einig, »dass private Sicherheitsleute an Bord deutscher Handelsschiffe den Schutz vor Piratenüberfällen übernehmen«. Nach der Sommerpause werde die schwarz-gelbe Koalition erforderliche Rechtsgrundlagen schaffen. Fix das Waffenrecht geändert, ein paar Radierungen bei der Gewerbeordnung, die Bundespolizei prüft die Zuverlässigkeit der Gunmen, dann zertifiziert das Wirtschaftsministerium geeignete Unternehmen für den Anti-Piraten-Einsatz. So stellt Uhl sich das alles vor.

In der Tat: Verschiedene Vorfälle belegen, dass sogenannte Vessel Protection Teams derzeit den besten Schutz bieten. Noch kein einziges so bemanntes Schiff wurde bislang gekapert. Dabei kommt es nicht einmal darauf an, die Piraten per »Schlacht« abzuweisen. Die wirklich gefährlichen Freibeuter-Companies verfügen über gute Spione, die wissen, welches Schiff man besser nicht angreift.

Es sollten »weder Bundespolizisten noch Soldaten an Bord deutscher Handelsschiffe zum Einsatz kommen«, entgegnet Merkels Parteifreund Uhl Kritikern. Die Marine leiste ihren Beitrag zum Schutz vor Piraterie bereits im Rahmen der EU-Mission »Atalanta« und die Bundespolizei sei gefragt, wenn es darum gehe, ein gekapertes Schiff mit der Amtshilfe des Militärs zurückzuerobern. Wie leicht das in die Hose geht, wurde ja schon bewiesen.

Die angeblichen Koalitionspläne ziehen einen Grauschleier über klare rechtliche Vorgaben und öffnen damit Wildwest Schott und Luke. Auch um das zu verhindern, meldete sich Josef Scheurig zu Wort. Der ist in der Gewerkschaft der Polizei für die Bundespolizei zuständig und trompetete selbstbewusst: »Natürlich können die Schiffe unter deutscher Flagge durch entsprechende Begleitung wirksam vor Piraten geschützt werden, wenn der Bundespolizei dazu das erforderliche Personal zur Verfügung gestellt wird.« Der oberste GdP-Chef Bernhard Witthaut weiß auch, wo dieses Personal herkommen soll. Durch die Bundeswehrreform werden Zeitsoldaten frei. 500 von ihnen könne man übernehmen und im Crash-Kurs zu Piratenschrecks ausbilden. Verteidigungsstaatssekretär Thomas Kossendey will das prüfen.

Verbrechensbekämpfung auf hoher See ist – geht es um deutsche Handelsschiffe – in der Tat Aufgabe der Bundespolizei. Die Piratenabwehr jedoch scheitert schon daran, dass die Polizei aus guten Gründen alle Kriegswaffen abgeben musste. Die jedoch braucht man für eine glaubhafte Abschreckung auf Distanz. Der deutsche Reederverband spricht von rund 17 000 gefährdeten Passagen pro Jahr. Wie will die Bundespolizei das bewältigen, wo sie doch nicht einmal genügend Möglichkeiten sieht, die Berliner Kollegen bei der Suche nach den Autozündlern zu unterstützen?

Von 100 deutschen Reedereien bestätigten bislang 27, dass sie Hochsee-Bodyguards bezahlen. Doch damit stellen sie ihre Kapitäne mit einem Bein in den Knast. In einer Studie des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages – angefordert von den Grünen – heißt es, dass sich der erste Mann auf der Brücke wegen fahrlässiger Körperverletzung beziehungsweise Tötung strafbar machen kann, so er unangemessene Abwehranweisungen an die Sicherheitskräfte erteilt. Und nicht immer deckt die See alles zu ...

* Aus: Neues Deutschland, 19. August 2011

Bundesregierung will Krieg und Gewalt privatisieren

Attac verurteilt Pläne zum Einsatz von Söldnerfirmen

Die Bundesregierung plant, bewaffnete nichtstaatliche militärische Sicherheitsdienste für den Schutz deutscher Handelsinteressen einzusetzen. Wie aus Koalitionskreisen am Mittwoch bekannt wurde, will die Bundesregierung das Waffenrecht so verändern, dass privaten Sicherheitsfirmen der Umgang mit schweren Waffen erlaubt wird und Söldner deutsche Handelsrouten – beispielsweise vor der Küste Somalias – schützen können.

Hierbei geht es um nichts anderes als um das Outsourcing militärischer Aufgaben. Um Völkerrecht und Grundgesetz zu umgehen, setzt die Regierung auf den Einsatz privater Söldnerfirmen. Damit unterstützt die Bundesregierung die Ausweitung der kriegstreiberischen Geschäfte dieser Firmen, die auch rechtlich in einer Grauzone operieren. Es bereitet heutzutage kaum noch Schwierigkeiten, die Konventionen der Vereinten Nationen oder der Afrikanischen Union zu umgehen, die den Einsatz von Söldnern verbieten.

Deutsche Söldnertrupps sind seit Jahren in den verschiedensten Konfliktgebieten der Welt im Einsatz, unter anderem in Somalia, im Irak und in Afghanistan. Bei den aktuellen Plänen handelt es sich um eine weitere Abgabe des staatlichen Gewaltmonopols – um eine Privatisierung der Gewalt. Durch das Outsourcing wird die parlamentarische Kontrolle umgangen, Kriegsführung vertuscht und eine Berichterstattung über militärische Operationen im Ausland erschwert oder verhindert.

Die Bundesregierung und deutsche Unternehmen sind durch ihre exportorientierte Wirtschaftspolitik mitverantwortlich für die aktuelle Situation in Ostafrika. Investmentbanken wie die Deutsche Bank haben mit Termingeschäften die Grundnahrungsmittelpreise in astronomische Höhen getrieben. Die Folge sind Nahrungsmittelengpässe und Hungersnöte, die den Menschen die Lebensgrundlage rauben.

Anstatt die Ursachen von Piraterie zu bekämpfen und den eigenen außenpolitischen Kurs zu überdenken, will die Bundesregierung nun eine Drohkulisse aufbauen. Das ist nicht akzeptabel. Wir fordern die Bundesregierung dringend auf, die Aufrüstungspolitik zu stoppen, den Plänen der weiteren Privatisierung hoheitlicher Aufgaben eine Absage zu erteilen und dem Export privater Militärdienstleistungen Einhalt zu gebieten.

Quelle: Website von Attac, 18. August 2011; www.attac.de




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