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Feldwebel bearbeiten Asylanträge

Bundesamt für Migration in Not – Bundeswehr und Bundespolizei helfen

Von René Heilig *

Die Bundeswehr sucht Soldaten, die dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei der Bearbeitung von Asylanträgen helfen. 130 Bundespolizisten sind dort bereits »eingestellt«.

»Den Menschen im Blick. Schützen. Integrieren.« Mit dem Slogan wirbt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und verspricht eine solide Arbeit. Doch davon gibt es offenbar zu viel für zu wenige Mitarbeiter. Im Bundeshaushalt 2012 und 2013 sind zwar 140 Stellen vorgesehen, die mit Personal aus »Überhangbehörden« besetzt werden sollten, doch bislang konnten nur 14 dieser Stellen besetzt werden. Momentan behilft man sich mit rund 130 abgeordneten und schnell angelernten Bundespolizisten, teilte BAMF-Sprecherin Corinna Rappe dem »nd« am Donnerstag mit.

Ein Behelf, das Amt muss weiter betteln. Gesucht werden »freiwillige, qualifizierte Reservedienstleistende zur Unterstützung bei der Bearbeitung von Asylanträgen«, heißt es nun in einem Schreiben des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr, das »die Lage« militärisch knapp schildert. Danach verzeichnete das BAMF im vergangenen Jahr nahezu eine Verdopplung der Anzahl von Asylanträgen »und ist derzeit nicht selbstständig in der Lage, das Auftragsaufkommen in adäquater Bearbeitungszeit zu bewältigen«.

Die Bewerber reichen nicht, das ist klar. Weshalb ein ähnliches Schreiben auch an die aktive Truppe ging. Demnach werden zusätzlich Soldaten mit Feldwebeldienstgraden gesucht, die »eine temporäre administrative Personalunterstützung leisten«.

»Wie verzweifelt müssen die sein ...?«, fragen Bundeswehr-Bedienste kopfschüttelnd auf dem Insider-Blog »Augen geradeaus« des Journalisten Thomas Wiegold. Und in der Tat ist die Verzweiflung beim BAMF gewaltig. Bei der Stiftung »Pro Asyl« weiß man: Seit 2007 war das Ansteigen der Asylbewerberzahlen absehbar, doch die Zuständigen im Bund einschließlich der Haushälter im Bundestag haben nicht reagiert. Gebraucht werden dringend qualifizierte Entscheider wie technisches Personal, weiß man auch bei »Pro Asyl«. »Die Entscheidung, nach der Bundeswehr zu rufen, ist dennoch absurd«, sagte der stellvertretende »Pro-Asyl«-Geschäftsführer Bernd Mesovic gegenüber »nd«. Er hält diese Amtshilfe auch für ein »problematisches Zeichen in Richtung Öffentlichkeit. Beim Thema Asyl ist man schnell bei Notstandsbehauptungen und wenn jetzt sogar die Bundeswehr eingreifen muss, wirkt das wie eine Flutkatastrophe an der Oder.«

Die Soldaten bleiben Soldaten, auch wenn sie in Zivil Dienst verrichten. BAMF-Sprecherin Rappe betont: »Ein Einsatz dieses Personals als Asylentscheider war zu keinem Zeitpunkt angedacht und wird nicht stattfinden.« Ein schmaler Grad, denn die Soldaten bereiten Entscheidungen vor, wenn sie Personalien und Dokumenten überprüfen, Termine vergeben und »im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung« Fotos machen und Fingerabdrücke nehmen. Zudem erwartet man von den Soldaten eine »Vorgangsbearbeitung gemäß Einarbeitung«, die »Beantwortung von Anfragen und Erteilen von Auskünften an Behörden« und einiges mehr, das durchaus als inhaltliche Arbeit gesehen werden kann.

Der Amtshilfeeinsatz des Militärs scheint juristisch fragwürdig. Im Artikel 35 des Grundgesetzes heißt es zwar: »Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe.« Doch ist die Bundeswehr nur eine x-beliebige Behörde? Man sollte bei dem Einsatz nicht auf den Absatz 2 des Artikels 35 reflektieren. Danach kann man die Streitkräfte zur Beherrschung einer »Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall« anfordern. Mit Sicherheit wird man jeglichen Bezug auf Artikel 87a vermeiden, wonach die Streitkräfte im Verteidigungs- und Spannungsfall gerufen werden. Eine nach Artikel 91 »drohende Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung« ist zu verneinen, zumal das auch nicht Sache des Militärs wäre.

Für die Truppe kommt der BAMF-Hilferuf gelegen. Man hat durch die Bundeswehrreform eine »Personalschwemme«. Nun neigt sich auch noch der Afghanistaneinsatz seinem Ende, da wird Beschäftigung in der Etappe gesucht.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 6. Dezember 2013


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