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Eid-Genossenschaft

Was ungesagt bleibt, wenn die "Gesellschaft für bedrohte Völker" ausgezeichnet wird

Die "Gesellschaft für bedrohte Völker" mit Sitz in Göttingen erfreut sich in verschiedenen politischen Lagern einer gewissen Akzeptanz. Dies kommt daher, dass sie sich immer dann zu Wort meldet, wenn irgendwo in der Welt ethnische Konflikte auftreten, "ethnische Säuberungen", Vertreibungen oder gar Völkermord drohen. Nicht immer bedient sich die Gesellschaft gesicherter Quellen oder seriöser Gewährsleute. Manchmal, so scheint es uns, betätigt sie sich gar als Anstifter militärischer Interventionen, so z.B. als sie im Vorfeld des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien Anfang 1999 eine Großdemonstration mit albanischen Exilorganisationen gegen den "Völkermord" der Serben an den Kosovo-Albanern organisierte, in deren Verlauf die NATO zum militärischen Eingreifen aufgefordert wurde.
Nun hat die "Gesellschaft für bedrohte Völker" in Person des Vorsitzendenden Tilman Zülch den auch in der Friedensszene angesehenen "Göttinger Friedenspreis" erhalten. Thomas Rothschild war bei der Preisverleihung dabei und kommentiert den Vorgang in der Wochenzeitung "Freitag" äußerst kritisch. Ein Grund für uns den Beitrag im Folgenden zu dokumentieren.



Thomas Rothschild

Eid-Genossenschaft

DIE GRÜNEN UND IHRE FREUNDE - Was ungesagt bleibt, wenn die "Gesellschaft für bedrohte Völker" ausgezeichnet wird


Der Frühling stand vor der Tür. Die grüne Politikerin Uschi Eid, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und G 8-Afrika-Beauftragte des Bundeskanzlers, fand warme Worte für einen Preisträger. Sie hatte die Laudatio "sehr gerne übernommen", weil sich - "wie könnte es anders sein" - in ihrem "eigenen politischen Wirken immer wieder fruchtbare Berührungen ergeben haben". Das Lob galt nicht nur der "Gesellschaft für bedrohte Völker", der Eid den Göttinger Friedenspreis 2003 der Stiftung Dr. Roland Röhl überreichen durfte, sondern auch der "visionären Einzelperson", die hinter dieser Organisation steht, dem "tatkräftigen" Tilman Zülch.

Die grüne Politikerin musste sich schon ins Zeug legen, um vom Glanz des Gepriesenen ein wenig abzubekommen. Zwei Jahre vor ihr hatte bereits der "Bund der Vertriebenen" Tilman Zülch eine Plakette verliehen, "für den Einsatz um die Menschenrechte der deutschen Vertriebenen". Mittlerweile gehört Zülch dem Beratungsgremium der Vertriebenen an.

Dass er 1963 stellvertretender Vorsitzender des Sozialdemokratischen Hochschulbundes an der Universität Hamburg war, besagt wenig. Er wäre nicht der Einzige mehr oder weniger Linke, der inzwischen ganz rechts gelandet ist. Umgekehrt muss es nicht allzu viel bedeuten, dass die rechtsextreme Zeitung Junge Freiheit die "Gesellschaft für bedrohte Völker" als "Vertreter und Unterstützer bedrohter Nationalitäten und Stammesvölker und ethnischer und religiöser Minderheiten" lobt. Man kann sich nicht immer gegen Beifall von der falschen Seite schützen. Was zählt ist der Klartext. Die Aufforderung Uschi Eids, "den Ausspruch (sic!) ›Nie wieder Auschwitz‹ als einen zentralen politischen Auftrag zu verstehen", war Zülchs "Gesellschaft für bedrohte Völker" längst nachgekommen, etwa mit dem unmissverständlichen Hinweis: "In der Weltgeschichte (!) ist die Vertreibung der Deutschen aus Osteuropa 1945 bis 1948 der schwerste Fall". Wer ein Ohr für Zwischentöne hat, sollte auch ohne Mühe verstehen, was gemeint ist, wenn Zülch in diesem Zusammenhang vom "Tribunal der Siegermächte" und von "Kriegsverbrechen alliierter Regierungen" spricht.

Uschi Eid geriet in ihrer Laudatio in Begeisterung. Die "Gesellschaft für bedrohte Völker" sei "als Organisation sehr gut aufgestellt" und engagiere sich "politisch und ideologisch unabhängig, und das ist ihr Gütesiegel". Politisch und ideologisch unabhängig, fürwahr. Deshalb wurde bereits 1995 - acht Jahre vor Eids Lobesworten - öffentlich, dass der ehemalige Verwalter des Ghettos in Kolomea (Polen), der für den Tod von 30.000 Juden mitverantwortlich sein soll, im Beirat der "Gesellschaft für bedrohte Völker" arbeitet.

Letztere wirbt damit, dass sie nach Amnesty International die zweitgrößte Menschenrechtsorganisation in Mitteleuropa sei. Das muss auch Amnesty imponiert haben. In deren Satzung wird festgelegt, das Vermögen der Organisation solle bei einer eventuellen Auflösung zur Hälfte an die "Gesellschaft für bedrohte Völker" fallen.

Nun könnte man zu Gunsten von Eid hoffen, dass sie von all dem nichts gewusst hat, als sie ihre Laudatio für den "sehr geehrten Herrn Zülch" sprach. Ganz leicht ist ein Mann wohl nicht zu durchschauen, der im Laufe der Jahre unter anderem vom Serbischen Bürgerrat in Sarajevo, vom deutschen Bundespräsidenten Rau und von der Sudetendeutschen Landmannschaft geehrt wurde. Auf die Anfrage, ob es Dokumente gebe, die die mehrfach gegen die "Gesellschaft für bedrohte Völker" erhobenen Vorwürfe - nachzulesen unter www.antifaschistische-nachrichten.de oder www.german-foreign-policy.com - widerlegten, teilte Frau Eids Büro mit, dass ihm "keine expliziten ›Entlastungs-Dokumente‹ bezüglich der gegen die ›Gesellschaft für bedrohte Völker‹ erhobenen Vorwürfe vorliegen", um sich darüber irritiert zu zeigen, welche "Anliegen" und "Motive" man habe, darüber Auskünfte zu erbitten.

Im Übrigen ist Eid nicht die einzige Grüne, der die "Gesellschaft für bedrohte Völker" und Tilman Zülch am Herzen liegen. Auch Ludger Volmer, ehemaliger Staatsminister im Auswärtigen Amt, gab sich die Ehre, Zülchs Organisation einzuladen, als es galt, die deutsche Asien-Politik vorzustellen.

Aus: Freitag: Die Ost-West-Wochenzeitung 29, 11. Juli 2003


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