Leningrad–Moskau–Kaukasus
Geschichte. "Fall Barbarossa": Verfehlte Ziele Nazideutschlands 1941
Von Dietrich Eichholtz *
Die gefährlichste Kriegsmaschinerie, die je ein Land verräterisch überfiel, trug seit dem 22. Juni 1941 Mord und Brand in die UdSSR, das größte Land der Erde. Der Plan der faschistischen Wehrmacht, in wenigen Monaten, bis zum Einbruch von Herbst und Winter, die Sowjetmacht zu zerschmettern, Staat und Gesellschaftsordnung zu vernichten und statt dessen ein unermeßliches deutsches Kolonialreich zu errichten, war größenwahnsinnig, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Der Wehrmacht schlossen sich früh, geködert mit der Aussicht auf Beteiligung an Raub und Gewinn, Verbände faschismushöriger Mächte an, Armeen und Divisionen aus Italien, Finnland, Rumänien, Ungarn, Verbände aus Spanien und der Slowakei, auch sogenannte SS-Freiwilligenverbände aus besiegten und deutsch-besetzten Ländern.
Es begann ein länderverwüstender Krieg, der fast vier Jahre dauern sollte und viele Millionen Menschen Gesundheit und Leben kostete.
In den Sommerwochen des Juni und Juli 1941 schien die deutsche Plankonzeption zunächst aufzugehen. Zehntausende, Hunderttausende Rotarmisten gerieten in die Gewalt der Eindringlinge. Eine hohe Zahl von ihnen wurde in den Kriegsgefangenenlagern ermordet, starb an Hunger und Krankheiten. Die Verluste auf dem Schlachtfeld waren wahrscheinlich noch bedeutend höher. Das Triumphgeheul der Deutschen erschreckte die Welt.
Doch in der kritischen Geschichtswissenschaft herrscht Klarheit darüber, daß schon in den ersten Wochen und Monaten des Krieges die Brüchigkeit des deutschen Kriegsplans sichtbar wurde. Seine hauptsächlichen Ziele wurden nicht nur verfehlt, sondern mündeten gegen Ende des Jahres 1941 in Niederlagen und wurden während des gesamten Krieges nie erreicht.
Leningrad
Drei riesige Heeressäulen – im Norden, in der Mitte und im Süden der Front – fielen am 22. Juni in die Sowjetunion ein, mit zusammen 19 Panzerdivisionen (mehr als 3600 Panzern) als Stoßkeilen, mit 14 vollmotorisierten Infanteriedivisionen und drei Millionen Infanteristen, die die zertrümmerte sowjetische Abwehrfront »erledigen« und die Rote Armee »in Paketen abwürgen« sollten. Der sich von Anfang an versteifende Widerstand der verzweifelt kämpfenden sowjetischen Verteidiger kostete die Wehrmacht zunehmende Verluste und Ausfälle.
In der zweiten Julihälfte begannen die langwierigen Auseinandersetzungen zwischen der Heeresleitung und Hitler, dem die erreichten Fortschritte in allen Richtungen unzureichend erschienen. Den Vormarsch auf Moskau hielt, nach erzwungenem Aufenthalt schon in Brest und Minsk, wochenlang der sowjetische Widerstand im Raum Smolensk auf. Für Hitler waren vordringlich und wichtiger im Süden der Vormarsch auf Kiew und die ukrainischen Industrie- und Rohstoffgebiete und im Norden die »Erledigung« Leningrads. Die zunehmend ungemütliche Lage war freilich auch der Heeresleitung bekannt: »Die aufreibenden Kämpfe (…) bei den schnellen Truppen, in die unsere nachfolgenden Infanteriedivisionen erst langsam von Westen her eingreifen können, die lange Dauer aller Bewegungen auf den schlechten Straßen und die Ermüdung der ununterbrochen marschierenden und kämpfenden Truppe haben bei den obersten Führungsstellen einen gewissen Rückschlag in der Stimmung erzeugt.« (Halder, 21. Juli).
In seiner Weisung Nr. 33 vom 19. Juli befahl Hitler Verstärkung aus der Mitte für die Gruppe Nord, um die zu vernichtende Großstadt Leningrad einzuschließen und ihre enge Zernierung gegen sowjetische Angriffe aus Estland und aus östlicher Richtung endgültig zu sichern. Leningrad sollte für immer von der Landkarte verschwinden, die Ostsee – mit finnischer Mithilfe – zu einem deutsch beherrschten Meer werden.
Für den Raum Leningrad gab die Heeresgruppe Mitte in der Folgezeit Kräfte ab, auch Panzerkräfte, die in wochenlangen Kämpfen zwar Schlüsselburg einnahmen und damit Leningrad von Eisenbahn- und Landverbindung abschnitten, aber nicht weiter nach Osten jenseits des Wolchow-Flusses über Seen und Moore vorankamen, wo schon Mitte Oktober Schneefall und bald Fröste von 20 bis 30 Grad und mehr einsetzten. Fahrzeuge fielen in Massen aus, es herrschten Treibstoff- und Lebensmittelmangel. Bis Jahresende gab es keine Winterausrüstung.
Das Vorhaben, das Ostufer des Ladoga-Sees gemeinsam mit den Finnen zu besetzen, scheiterte. Den Vorstoß im September/Oktober über hundert Kilometer bis Tichwin, den östlichsten dort erreichten Punkt (8. November), räumte die Wehrmacht vier Wochen später wieder unter schweren Verlusten. So war es die rettende Eisstraße quer über den Ladoga-See, die »Straße des Lebens«, die im Winter als einziger Weg für Lebensmittel und Waffen für die hungernde Stadt und für Evakuierungen offen gehalten werden konnte.
Moskau
Der Angriff auf Moskau hatte der Heeresleitung seit den ersten Planungen für »Barbarossa« als zentrale Aufgabe und als wahrscheinliche Entscheidung des ganzen Ostkrieges vorgeschwebt. Ende Juli 1941 brach hierüber ein heftiger Streit aus. Hitler zeigte eine deutliche Abneigung dagegen, konzentriert gegen Moskau vorzugehen. Seine feste Absicht, Moskau, ebenso wie Leningrad, »abzuschließen« und aus der Luft zu vernichten (8. Juli), hatte er bisher nicht widerrufen, seit der bis Anfang August andauernde sowjetische Widerstand im Raum Smolensk den Anmarschweg auf Moskau blockierte. Unzufrieden mit dem Zustand der Gesamtfront, gab er Mitte August (12.8.) schließlich doch, ohne sich genauer festzulegen, die Anweisung, Moskau als »Staats-, Rüstungs- und Verkehrszentrum (…) dem Gegner noch vor Eintritt des Winters zu entziehen«.
Bis spät in den August hinein stellte er die Bedingung, vorher mit Leningrad fertig zu werden und im Süden die Krim, Kiew, die ukrainische Industrie (Donezk-Revier, Charkow) und möglichst den Zugang zum Kaukasus-Vorfeld zu erobern. Erst Ende des Monats einigte er sich mit der Heeresleitung, »sobald wie möglich« die Kräfte gegen Moskau zusammenzufassen.
Anscheinend war er verunsichert angesichts der »schwierigsten Aufgabe« des Krieges, die Riesenstadt Moskau, das Herz des Weltsozialismus, zu überrennen und zu vernichten, wo man sich seit langem zur Verteidigung bereit machte. Er sah inzwischen klarer, daß es für einen Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahre 1941 keine Anzeichen gab. Die Rote Armee widerstand nach wie vor auf der gesamten Front von Leningrad bis zur Krim, die Partisanenbewegung im Hinterland breitete sich unaufhaltsam aus, und die Sommermonate waren zu Ende.
Doch hatte am 23. Juli Generalstabschef Franz Halder dem »Führer« suggeriert, daß 1941 noch die Wolga (am Ober- und am Unterlauf) und Baku zu erreichen seien, »Anfang Oktober an der Wolga, Anfang November um Baku, Batum«. Diese Ankündigung konnte zwar kein Klardenkender ernst nehmen; aber Halder kannte zu diesem Zeitpunkt keine Hemmungen mehr, seinen obersten Kriegsherrn zu düpieren. Freilich entsprach auch bei Hitler die Zielvorstellung einer Offensive gegen Moskau der größenwahnsinnigen Annahme, daß man sich nach der Vernichtung der Stadt im weiteren östlichen Raum frei bewegen könne: Man werde, so Halder, »H. Gr. Mitte beiderseits Moskau bis zur Wolga (Saratow – Rybinsk) vorführen«.
Es verging aber noch Woche um Woche an Kämpfen vor allem an der Südfront, bis am 2. Oktober unter dem Decknamen »Taifun« die Feuerwalze von sechs Großverbänden, voran Panzerarmeen, insgesamt 78 Divisionen mit 1,8 Millionen Mann, auf einer Breite von mehr als 500 Kilometern über Wjasma und Brjansk gegen Moskau losbrach, das von Norden und Süden weiträumig eingeschlossen werden sollte. Schon am nächsten Tag verkündete Hitler im Sportpalast, es handele sich diesmal um den »letzten Hieb«, den man dem Feind versetze, und erklärte, »daß dieser Gegner bereits gebrochen ist und sich nie mehr erheben wird«.
Die Abläufe der nächsten zwei Monate sind bekannt. Gerade eine Woche lang bejubelte die deutsche Führung die Anfangserfolge der Offensive, die, nach Halder, einen »geradezu klassischen« Verlauf nahm. In diesen Tagen, die für beide Seiten äußerst verlustreich waren, organisierte die Rote Armee ihre Verteidigungsfront vor Moskau neu. Das Oberkommando berief die bewährten Generale G. K. Schukow und I. S. Konew zu Befehlshabern der verstärkten Westfront und der neugebildeten Kalininfront. Die folgenden Wochen des Oktober waren eine Zeit des blutigen Abringens beider Seiten. Die Wehrmacht kam gefährlich nahe an Moskau heran, auf weniger als 100 Kilometer. Das Ausmaß der Erschöpfung der deutschen Kräfte wurde aber jetzt voll erkennbar, als das Nachschubwesen – Treibstoff, Munition, Winterausrüstung – mehr oder weniger zusammenbrach, wegen der neuen Entfernungen und der fehlenden Versorgungsstützpunkte, vor allem aber wegen der einsetzenden Schlammperiode. Überall »stecke die Truppe im Dreck« (Halder). Die Verluste stiegen sprunghaft, bald auch durch Erfrierungen.
Zur gleichen Zeit baute die Rote Armee eine immer aktivere Gegenwehr auf. Frische sibirische Divisionen kamen heran. Die Verteidigung durch die Moskauer selbst wurde organisiert (Volkswehr). Moderne Panzer (T-34) tauchten in vermehrter Anzahl auf. Eine wirksamere Panzerabwehr bekämpfte jetzt die deutschen Panzer. Die neue kriegsindustrielle Basis in den Gebieten der Wolga, des Urals, Westsibiriens, Kasachstans und Mittelasiens war im Entstehen. Unter ungeheuren Opfern der gesamten Bevölkerung wurde in dieser Zeit bereits die große sowjetische Winteroffensive vorbereitet.
Sensationell wirkte auf die Welt, besonders auf die westlichen Alliierten, daß in Kampf und Not dieser Zeit am 6. und 7. November in Moskau der 24. Jahrestag der Oktoberrevolution begangen wurde: am 6. November in einer Sitzung des Obersten Sowjets in der U-Bahn-Station Majakowskaja, am 7. November mitten auf dem Roten Platz mit einer Truppenparade. Beide Male sprach Stalin; was er sagte, wurde in London gehört und gelangte auch in Deutschland bis in die Kreise des antifaschistischen Widerstands.
Die deutsche Heeresleitung verharrte indessen in ihrer Realitätsblindheit. Als sie die Spitzen der Heeresgruppen und Armeen in einer geheimen Zusammenkunft in Orscha am 13. November mit den alten weitgesteckten Zielen der Offensive und einem Appell an die Opferbereitschaft der Truppe und ihren »soldatischen Willen« für ihre Fortsetzung zu motivieren suchte, stieß sie bei den Truppenführern auf Widerstand. Sie kannten den erbärmlichen Zustand ihrer Soldaten besser, die bei hohen Verlusten immer noch ohne Winterkleidung und ohne Aussicht auf feste Winterstellungen waren.
Die Wehrmacht trat zwar in der zweiten Novemberhälfte zu einem letzten Versuch an, weiter auf Moskau vorzudringen. Im Norden gelangte sie noch näher an die Stadt heran, auf wenig mehr als 20 Kilometer. Es meldeten aber vermehrt Truppenteile, sie seien nicht mehr in der Lage, weiter vorzugehen. Auch die 2. Panzerarmee vor Tula war »am Ende« und weigerte sich, über Tula hinaus vorzugehen (21./24. November). Halder hatte schon am 19. November für Hitler notiert: »H.Gr. Mitte: Durch Versorgungs- und Witterungsschwierigkeiten zum Stillstand gekommen.«
Die Schlacht um Moskau war zu Ende. Doch es blieb den Deutschen keine Zeit für die erhoffte Winterpause. Am 5./6. Dezember begann die sowjetische Winteroffensive, die in vier Wochen die Wehrmacht um 200 bis 250 Kilometer nach Westen zurückwarf und sich bis zum Frühjahr 1942 zu einer allgemeinen Offensive von der Leningrader Front bis zur Halbinsel Kertsch entwickelte. Bei Moskau drangen die Sowjettruppen, an Artillerie und Flugzeugen hier überlegen, in erbitterten Kämpfen, aber unaufhaltsam vor. Der deutsche Rückzug nahm vielfach den Charakter einer Flucht an, bei der Kriegsmaterial in Massen zurückblieb. Das gesamte Vorfeld von Moskau wurde freigekämpft und blieb seitdem vom Feinde frei.
Die Verteidigung von Moskau und die schließliche Vertreibung der Wehrmacht in breiter Front war der erste bedeutende Sieg der Roten Armee. Sein Ruf ging um die ganze Welt und festigte die Gewißheit ihrer Freunde und Alliierten von der Standhaftigkeit und Unbesiegbarkeit der Sowjetunion.
Rostow – Tor zum Kaukasus
Anfang November, als »Taifun« bereits am Herbstwetter und an Versorgungsschwierigkeiten litt, rechneten sich Hitler und die Heeresleitung gute Möglichkeiten aus, an der Front der Heeresgruppe Süd weitreichende Pläne noch im Jahre 1941 zu erreichen. Schwere Niederlagen der Roten Armee waren dort das erschreckende Resultat deutscher Erfolge im September und Oktober. Zwischen dem 17. und 19. September geriet Kiew in deutsche Hand; in dem eisernen Ring um die Stadt verlor die Rote Armee außer den Gefallenen wochenlanger Kämpfe fast eine halbe Million Gefangene. Charkow und ein großer Teil des Donez-Industriegebietes gingen im Oktober verloren. Die 1. Panzerarmee, einer der stärksten deutschen Offensivverbände, rollte indessen das Nordufer des Asowschen Meeres auf (Mariupol; Taganrog). Die 11. Armee besetzte bis Mitte November die Krim, mit Ausnahme der noch viele Monate verteidigten Festung Sewastopol.
Seit Ende Oktober/Anfang November trieb die Heeresleitung die Heeresgruppe Süd weiter vor nach Osten, nach Rostow. Das Tor zum Kaukasus sollte aufgesprengt werden. Hitler und das OKH verlangten kategorisch, »daß die Gebiete um Maikop (1. Panzerarmee) und Stalingrad (17. Armee) unter allen Umständen noch in diesem Winterhalbjahr in Besitz genommen werden müßten.« Für Maikop sei »natürlich die Ölfrage die Triebfeder, für Stalingrad die mit großer Entschiedenheit betonte Notwendigkeit, der russischen Führung hier die letzte große Nordsüdverbindung zu zerschlagen«. Man hoffte auf günstiges Wetter und eine einigermaßen erträgliche Versorgungslage (3./4. November).
Die Befehlshaber der Heeresgruppe Süd und der 1. Panzerarmee gaben der Heeresleitung zu »bedenken«, daß die Panzerarmee das Ziel Rostow ohne Verstärkung und Auffrischung des Materials nur mit großen Schwierigkeiten erreichen werde und zu umfassenden Operationen nicht mehr in der Lage sei. Die Truppe sei schwer erschöpft, Panzer und Kraftfahrzeuge seien nach 10000 bis 20000 Kilometer Fahrleistung »am Ende«, der Pferdebestand sei dezimiert und unterernährt, die Versorgung mit Benzin und Verpflegung immer unsicherer geworden.
Die Einnahme von Rostow sei unter diesen Umständen »der letzte Einsatz«, das Äußerste, woran zu denken sei. Eine Pause von drei bis vier Wochen sei nötig. Gründliche Auffrischung und Instandsetzung der Panzer und Fahrzeuge für den Einsatz im nächsten Jahr sei nur in der Heimat möglich. Reserven für eine Sicherung der befohlenen Aktionen seien nicht vorhanden.
Das OKH lehnte eine Pause ab; es sei »möglichst Stalingrad« zu erreichen. Man »rechnet nicht mehr mit aktiven Maßnahmen des sehr geschwächten Feindes«, so lautete das Urteil von oberster Stelle. (3. November)
Als die 1. Panzerarmee am 21. November nach einer wegelosen Regenperiode schließlich die letzten 50 Kilometer zurückgelegt und Rostow besetzt hatte, war schon klar, daß schwere Gegenangriffe bevorstanden. Trotzdem lautete die Weisung der Heeresgruppe jetzt, daß das Ölgebiet um Maikop zu nehmen und von Kertsch aus die 11. Armee Richtung Kaukasus über die Meerenge überzusetzen hätte – allerdings »je nach Versorgungslage«.
Das Unternehmen scheiterte vollständig. Der Rückzug der Panzerarmee am 28. November aus der Stadt und ihre Vertreibung aus dem Gebiet um die Don-Mündung bis weit nach Westen in eine Stellung bei Taganrog wurde schnell in der ganzen Welt bekannt. Weniger bekannt sind die näheren Umstände dieser blamablen Niederlage, an der anscheinend auch die Einwohner Rostows ihren rühmlichen Anteil hatten (siehe Kasten).
Für Hitler, dem Heeresleitung und OKW neben den Aussichten auf Stalingrad und das Kaukasusöl gerade noch großmäulig über Ziele nach der Einnahme Moskaus vorgetragen hatten (Jaroslawl, Wologda), bedeutete der Rückzug von Rostow und vom Don eine Katastrophe, einen »auch stimmungsmäßig schweren Einbruch« im Hauptquartier. Die nicht aufgegebene Hoffnung, den Kaukasus noch vor Jahresende zu erreichen, war zerstoben.
In ihrem Jahresbericht für 1941 gaben die Teilnehmer der Tagung der Kontinentale Öl AG am 3. Januar 1942 ihren Unmut darüber zu Protokoll, daß sie nun einstweilen vergeblich darauf gerechnet und sich darauf vorbereitet hatten, an das kaukasische Erdöl zu kommen. Erst recht konnte davon keine Rede sein, im Iran und Irak an die britisch beherrschten Ölquellen zu gelangen. Hiermit rechneten sie freilich fest für 1942.
Damit war der strategische Ansatz dieser Interessenten für den weiteren Verlauf des Ostfeldzuges mit bemerkenswerter Deutlichkeit vorgegeben.
Der geplante – und auch so angekündigte – »Blitzkrieg« gegen die UdSSR fand nicht statt. Statt mit einem »Endsieg« nach drei bis vier Monaten endete das Jahr 1941 für die Wehrmacht mit dem Fehlschlag ihrer wichtigsten Zielsetzungen: mit dem erfolglosen Versuch, Leningrad auszuhungern und zu vernichten, mit der historischen Niederlage vor Moskau und mit dem Scheitern ihres Vorstoßes in Richtung auf den Kaukasus.
Ein Jahr sollte es noch dauern, bis sich in der Schlacht von Stalingrad das Ende des blutigen faschistischen »Barbarossa«-Abenteuers ankündigte.
* Dietrich Eichholtz schrieb am 22.6.2011 an dieser Stelle über den Beginn des Überfalls Nazideutschlands auf die Sowjetunion. Weitere Beiträge von ihm finden sich in der jW-Broschüre »Barbarossa. Raubkrieg im Osten« (Berlin 2011, 5,80 Euro, im jW-Shop erhältlich, Bestellungen an ni@jungewelt.de), in der der hier veröffentlichte Text vorabgedruckt wurde.
»Bratpfannen gegen Panzer«
Bericht Bertolt Brechts von der abendlichen Zusammenkunft einiger antifaschistischer Schriftsteller im kalifornischen Haus von Lion Feuchtwanger am 3. Dezember 1941 (aus: Arbeitsjournal):
» … ich unterstreiche, wie die erste militärische Niederlage der Nazis, die im Donezbecken, verknüpft ist mit dem Widerstand der Rostower Zivilbevölkerung, über die sich die Nazis jammernd beschweren. Die Rostower Arbeiter scheinen die Panzertruppen mit Bratpfannen in den Stiegenhäusern erschlagen zu haben. Sie nehmen den Krieg als Privatsache. … Die Nazis nennen das empört ›ungesetzlich‹, und (Heinrich) Mann sagt vergnügt: ›Ja, Tanks sind erlaubt, aber nicht Bratpfannen.‹«
Aus: junge Welt, 30. September 2011
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