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Der Krieg – lauter Herrentage

Einsatz ohne Ziel?

Von Marianne Bäumler *

„Die Politikbedürftigkeit des Militärischen“. Schon dieser vage Untertitel des so schön handlich kleinformatigen Buchs „Einsatz ohne Ziel“ von Klaus Naumann steht im irritierenden Widerspruch zum angenehm konkreten Format der Reihe der Hamburger Edition „Institut für Sozialforschung“ aus dem Hause Jan Philipp Reemtsma, dessen umfassende Studie "Vertrauen und Gewalt" 2008 weit über die Soziologen - Welt hinaus nachhaltig beeindruckte. Während man allerdings z.B. das gesellschaftsanalytisch so gelungene Werk vom dort ebenfalls forschenden Professor Heinz Bude, „Die Ausgeschlossenen“ mit Wonne aufgrund seines plastischen realitätsnahen Stils lesen kann, und lebhafte Empörung empfindet angesichts eines auf Profit fixierten Wirtschaftssystems, das so verheerend sich auswirkt und immer mehr Menschen mit eigendynamischer Härte an den Rand drängt, so entsteht nach der Lektüre des neuen Bandes von Klaus Naumann aus dem selben Institut das dürftige gegenteilige Resultat: die gänzlich leblose Aneinanderreihung von formelhaften Sätzen über die angeblichen Zwecke der Bundeswehr am Hindukusch und anderswo sind langweilig und berühren in keiner Weise.

„Aus der klassischen Landesverteidigung ist eine global ausgreifende und präventiv orientierte Sicherheitsvorsorge geworden.“, konstatiert cool und immanent der Meinungsmacher, Jahrgang 1949, so als habe er mit seiner Kritikfähigkeit aus der Studentenbewegung völlig gebrochen. Wie ein amerikanischer opinion leader besteht er auf „einer erweiterten militärischen Denkungsart“. Kaum zu glauben, dass sich der Autor mit solch einem Text, der an erzwungene Gebrauchanweisungs-Floskeln erinnert, dem Thema wahnhafter globaler Gewalt, einem sinnlosen Verbluten auf allen Seiten ernsthaft auseinandersetzen wollte. Nein, im Gegenteil: Ganz rigide schimpft er darüber, dass die Wehrpflicht nur noch „auf neun Monate reduzierte Dienstzeit auf eine Art Schnupperkurs zurechtstutzt.“ sei.

Völlig unklar erscheint zum einen, an welche Zielgruppe Naumann sich wendet mit solchen allgemeinen Sätzen über das deutsche Militär: „...auch die Führungsstrukturen selbst zeigen erhebliche Schwächen.“ Oder er mäkelt ohne klaren eigenen Standpunkt: „...die Zwänge und Selbstbindungen einer ‚Politik der Zurückhaltung’ führen unter den Bedingungen einer global und präventiv ausgerichteten Sicherheitspolitik zu problematischen Ergebnissen.“ Was soll das denn konkret heißen? Wieso konnte kein verantwortliches Lektorat uns davor bewahren, dass sich Naumann lamentierend um „die Elitefähigkeit des Militärs“ sorgt, in einem besserwisserischen Tonfall den uns alle vor expandierenden Auslandseinsätzen schützenden „Parlamentsvorbehalt“ gar mit einer „Führungskultur ...des verantwortungsscheuen Absicherns“ diffamiert! In diesem merkwürdig ungriffigen Stil geht es auf 125 Seiten so weiter, fast könnte man diesen inzwischen so überaus diplomatisch nichtssagenden Historiker - der früher durchaus gut durchdachte Bücher geschrieben hat - mit seinem Namensvetter, dem General des Heeres verwechseln, der sich in den achtziger Jahren über „weinerliche Soldaten“ beklagte. Sind denn Teile des einst so kritischen Instituts inzwischen zur PR – Agentur der „Führungsakademie der Bundeswehr“ avanciert? In welcher Parallelwelt leben eigentlich manche Herren, geht es bei solcher Ernstfall-Logik, die im Wesentlichen die Rüstungsindustrien global in Schwung hält, um eine Art wertfreies „Militärhandwerk“?

Klaus Naumann – so scheint es - gefällt sich in seiner zynischen Prophetie:„Die große Ernüchterung über die Sicherheitspolitik steht noch aus. Keiner weiß, ob sie von einem Knall oder einem Winseln begleitet sein wird.“ Nichts gegen einen Kampf gegen Terror, eine Uno - Welt-Polizei wäre für uns alle dringend vonnöten. Aufgeblasene Wischiwaschi – Rhetorik jedoch, nur um Buchseiten zu füllen, braucht in diesen schlimmen Zeitläuften bestimmt niemand.

Klaus Naumann: Einsatz ohne Ziel, Hamburger Edition, 2008, 12 €

* Diese Rezension wurde bereits vor zwei Jahren geschrieben, hat aber nichts von ihrer Frische verloren.


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