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Gelingt es Putin Obamas Kriegsabenteuer zu stoppen?

Zu den Ergebnissen des G20-Treffens in Petersburg

Von Willi Gerns

Als Schwerpunkt des Meinungsaustauschs zwischen den Staatschefs der zwanzig wirtschaftlich stärksten Länder der Welt, waren eigentlich die Probleme der globalen kapitalistischen Wirtschaftskrise und Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung vorgesehen. Die Kriegspläne der Obama-Administration gegen Syrien haben dieses Thema dann allerdings total überlagert. Obama war mit dem Ziel in die Stadt an der Newa gekommen, eine breite „Allianz der Willigen“ unter Führung der USA für seine unter Missachtung des UN-Sicherheitsrats vorgesehene militärische Aggression gegen Syrien zu schmieden. Dem Gastgeber der Zusammenkunft, dem russischen Präsidenten Putin, ging es dagegen darum, dieses Forum noch einmal zu nutzen, um den drohenden Krieg möglichst zu verhindern und dem Völkerrecht Geltung zu verschaffen. Was sind die Resultate dieser Bemühungen?

Mit Blick auf das Vorhaben Obamas kommt „SpiegelOnline“ (6.9.) zu dem Schluss: „Die Mission ist gescheitert: Nicht nur der russische Gastgeber Putin erwies sich als störrisch – auch andere Nationen bleiben skeptisch.“ Daran ist Richtiges, aber es ist nicht die ganze Wahrheit In der Syrien-Debatte haben lediglich der französische Sozialdemokrat (!) Hollande, die mittelalterliche Feudal-Diktatur Saudi-Arabien (Finanzier und Waffenlieferant für die Al-Kaida-Terroristen), die Türkei (als Rückzugsgebiet und Waffenschleuse für die Terroristen bereits am Krieg beteiligt), und Kanada klar erkennen lassen, dass sie sich an dem völkerrechtswidrigen Kriegsabenteuer beteiligen wollen. Das ist zweifellos ein Misserfolg für Obama, denn eine breite und repräsentative „Koalition der Willigen“ ist das nicht gerade.

Allerdings ist es ihm dann doch noch gelungen, sich am Rande des Treffens von zehn Teilnehmern einen „Persilschein“ für den eigenen „Militärschlag“ gegen Syrien unterzeichnen zu lassen. Neben den erwähnten Kriegswilligen sind dies Australien, Japan, Süd-Korea, Italien, Spanien und Großbritannien. Der britische Premier Cameron hätte sich dabei gern auch in die „Koalition der Willigen“ eingereiht. Für dieses Vorhaben hatte er sich jedoch bekanntlich vom Parlament seines Landes bereits eine derbe Klatsche abholen müssen.

Kanzlerin Merkel hatte das Papier zunächst nicht unterzeichnet. Dies wohl angesichts der anstehenden Bundestagswahlen und dem Umstand, dass siebzig Prozent der Deutschen gegen den Krieg der USA in Syrien sind. Unter dem Druck der USA, aber auch der reaktionärsten deutschen Medien, die diesen Persilschein übrigens zur Täuschung der Öffentlichkeit zu einem „G“2O-Papier“ umfälschen, hat die Bundesregierung dann einen Tag später das Papier für Obamas Krieg dennoch unterzeichnet. Auf dem Treffen der EU-Kriegsminister in Vilnius haben diese sich ebenfalls für das Papier ausgesprochen.

Als Begründung berufen sich die Unterzeichner auf angeblich überzeugende Beweise dafür, dass die syrische Regierung Chemiewaffen eingesetzt habe. Da stellt sich die Frage, warum denn diese nicht der Öffentlichkeit vorgelegt werden? Offenbar wurden sie von den Geheimdiensten konstruiert und sind noch weniger stichhaltig als die beim Irakkrieg vorgelegten „Beweise“ über Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins, die sich dann als gefälscht herausstellten. Zudem fragt jeder Kriminalist bei einem Verbrechen als erstes nach dem Motiv. Und Putin hat beim Treffen noch einmal überzeugend darauf hingewiesen, dass die syrische Regierung, deren Truppen die Aufständischen mehr und mehr zurückdrängen, ein solches Motiv nicht haben kann. Zudem, was sollte sie bewegen, ausgerechnet bei Anwesenheit der UN-Kontrolleure Chemiewaffen einzusetzen. Interesse daran konnten nur die Aufständischen haben, die verzweifelt nach einem Vorwand suchen, die westlichen Mächte zu ihrer Luft- und Raketenwaffe zu machen.

Was das Anliegen von Obamas Widerpart Putin angeht, so ist es ihm beim G20-Gipfel nicht gelungen, Obama von seinem Vorhaben eines den völkerrechtswidrigen Krieges gegen Syrien abzubringen. Der russische Präsident hat jedoch in Petersburg sich und sein Land als überzeugende Verfechter des Friedens und des Völkerrechts profiliert. Und dabei steht er nicht allein. Eine besonders kategorische Position gegen das Kriegsabenteuer Obamas haben neben Russland, China, Indien, Indonesien, Argentinien, Brasilien und Südafrika bezogen. Putin erklärte zudem, Russland werde Syrien im Falle einer ausländischen Intervention weiterhin mit Waffenlieferungen und Wirtschaftskooperation sowie durch die Lieferung von Hilfsgütern für die Zivilbevölkerung helfen.

Mit seinem am Montag (9. Sept.) unterbreiteten, und von der syrischen Regierung unterstützten Vorschlag, die syrischen C-Waffen unter internationale Kontrolle zu stellen, ist es Präsident Putin nun möglicherweise doch noch gelungen, Obama die Lunte am Pulverfass des Nahen Ostens aus der Hand zu nehmen. „Dieser Vorschlag ist ein guter Ausweg aus der komplizierter gewordenen Situation für alle interessierten Seiten“, stellte dazu Michail Margelow, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Föderationsrats (Oberhaus des russischen Parlaments) fest. Ihm zufolge hat der US-Senat die Gespräche über einen Militärschlag bereits verschoben und auch Präsident Obama Bereitschaft angedeutet, die Vorbereitungen militärischer Operationen auszusetzen, „sollte die Weltgemeinschaft die syrischen Chemiewaffen unter internationale Kontrolle stellen“.

Putins Vorschlag bietet Obama die Möglichkeit, der sich unter dem Druck der Friedenskräfte in den USA und der weltweiten Proteste gegen den Krieg, - in die sich erstmals auch ein Pabst offen und unmissverständlich eigereiht hat, – die sich anbahnende Niederlage im US-Kongress zu vermeiden und sein Gesicht zu wahren.

All das ist Ausdruck dafür, dass sich die Kräfteverhältnisse in der Welt verändern. Die Bäume des Weltgendarmen USA und seiner imperialistischen Satelliten wachsen nicht mehr in den Himmel. Das darf die Friedenskräfte allerdings nicht in Sicherheit wiegen. Noch größere Anstrengungen sind notwendig um die sich bietende Chance zur Verhinderung des Krieges Realität werden zu lassen.

10. September 2013


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