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Friedensratschlag: "Die Preisträger haben ihre Verdienste - ein Friedenspreis ist etwas anderes" - Jan Oberg, TFF: 'Nobel's Peace Prize is not a human rights prize'

Dokumentiert: Zwei Stellungnahmen zur Verleihung des Friedensnobelpreises 2014


Am 10. Oktober 2014 wurden in Oslo feierlich die diesjährigen Träger des Friedensnobelpreises genannt. Die Wahl des Komitees fiel auf zwei verdienstvolle Kämpferinnen und Kämpfer für Menschen- und Kinderrechte: Kailash Satyarthi und Malala Yousafzay. Kritik gab es von Seiten der Friedensbewegung und der Friedensforschung, wie die beiden folgenden Stellungnahmen zeigen. Die erste stammt vom Bundesausschuss Friedensratschlag, der bei aller Sympathie für die Geehrten darauf besteht, dass hier doch kein weiterer Menschenrechtspreis zu vergeben ist, sondern ein Preis - und zwar der höchste und angesehenste weltweit - für besondere Verdienste um den Frieden. In dasselbe Horn stößt auch die Stellungnahme des schwedischen Friedensforschers Jan Oberg, der darauf aufmerksam machte, dass "This prize is not a human rights or do-good price".
Wir dokumentieren im Folgenden die beiden Stellungnahmen:



Friedensnobelpreisvergabe 2014: mut- und ideenlos

Die Preisträger haben ihre Verdienste - ein Friedenspreis ist etwas anderes

Stellungnahme des Bundesausschusses Friedensratschlag

Kassel, 10. Oktober 2014 - Zur heutigen Verkündung des diesjährigen Preisträger des Friedensnobelpreises erklärte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in einer Stellungnahme in Kassel:

Noch nie waren so viele Kandidatinnen und Kandidaten für den Friedensnobelpreis nominiert wie in diesem Jahr: 278 (den bisherigen Rekord hielt 2013 mit 259 Kandidaten).

Erstaunlich, dass das Nobelpreiskomitee mit schlafwandlerischer Sicherheit aus der großen Auswahl wieder einmal eine zwar sympathische, aber falsche Entscheidung traf - indem es zwei Personen auswählte, die jede für sich große Verdienste vorweisen können: für die Beendigung der Kinder- und Sklavenarbeit oder für das Recht von Mädchen auf Bildung und für Geschlechtergerechtigkeit. Zu Recht haben Kailash Satyarthi und Malala Yousafzay schon zahlreiche andere Ehrungen aus Preise erhalten: etwa den Robert F. Kennedy Menschenrechtspreis, den Raoul Wallenberg Menschenrechtspreis, den Sacharow-Preis des Europa-Parlaments, die Auszeichnung "Botschafter des Gewissens" oder den US Glamour Award for Woman of the Year, um nur einige zu nennen.

Die Entscheidung des Nobelpreiskomitees - das sich aus fünf Mitgliedern des norwegischen Parlaments zusammensetzt - kommt nicht unerwartet. Geehrt werden Menschen, die wegen ihrer großen Verdienste um die Menschenrechte bereits zahlreiche Auszeichnungen in aller Welt erhalten haben und eine große Popularität in den Medien genießen.

Wir fragen indessen: Was ist das Spezifische an ihnen, das sie zum "Friedensnobelpreis" qualifiziert. Das Nobelpreiskomitee begründet die Ehrung mit dem Hinweis darauf, dass deren Kampf gegen Unterdrückung und für die Rechte von Kindern einen Beitrag zur "Brüderlichkeit zwischen den Nationen" leistet. Das Testament von Alfred Nobel sagt zum Friedenspreis aber noch sehr viel mehr aus: Der Friedensnobelpreis soll an den vergeben werden, der „am meisten oder am besten für die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verkleinerung stehender Armeen sowie für die Abhaltung und Verbreitung von Friedenskongressen gewirkt hat“.

Gemessen daran ist die diesjährige Vergabe des Friedensnobelpreises eine Fehlentscheidung. Davon gab es in den letzten Jahren schon genug (etwa Barack Obama oder die Europäische Union). Das Nobelpreiskomitee hätte sich damit herausreden können, dass im abgelaufenen Jahr eben kaum etwas für den Frieden getan wurde, dass im Gegenteil kriegerische Entwicklungen, Aufrüstung und Waffenhandel weltweit besorgniserregend zugenommen haben, sodass man Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Fach "Menschenrechte" und "Kinderrechte" kürte. Wir meinen: Es gibt Menschen, die sich für den Frieden einsetzen. Dazu gehören beispielsweise Edward Snowden (der in diesem Jahr den "alternativen Nobelpreis" erhält) oder der Gründer von Wikileaks, Julian Assange, oder die kolumbianische Regierung und die Rebellenorganisation FARC, die sich auf einen schwierigen Friedensverhandlungsweg gemacht haben.

Die Entscheidung in Oslo ist mut- und ideenlos.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)


*****

Nobel's Peace Prize is not a human rights prize

The Nobel Committee again ignores Nobel's will

By Jan Oberg, TFF *


Lund, Sweden October 10, 2014

This prize is not a human rights or do-good price *

The two - excellent - people who are awarded the prize for 2014 have done great work for children's rights but, unfortunately, human rights is not what Alfred Nobel sought to reward.

Therefore the Nobel Committee has, once again, violated the letter as well as the spirit of Nobel's will.

The prize shall award reduction in military violence and end wars

Nobel wanted to reward "the person who shall have done the most or the best work for fraternity between nations, for the abolition or reduction of standing armies and for the holding and promotion of peace congresses." He also used the word "champions of peace".

The Nobel Committe seems to have converted the prize into a "do-good prize".

How uninventive - how non-daring!

Alfred Nobel - clearly - wanted to contribute to peace by reducing militarism and the capacity to kill.

That of course is much more controversial in today's world which spend US$ 1700 million on the military and about 30 for all the UN system and 0,5 for peace.

This very year where wars rage at so many places, this committee is not able to find one or two people among the milions who fight against warfare - for instance civil society people, citizens who never touched a gun and keep their humanity!

Read Nobel's will and you will see

It is time commentators, media people and others do the 5 min research work and read Nobel's will - so we can get a debate about the gross, persistent misuse of Nobel's intentions for other purposes than the one Nobel had in mind: to abolish militarism and thereby end warfare.

Change from an amateur to a professional committee

Furthermore, it can be doubted whether the Nobel Committee is composed correctly. The will states that the committee shall be estanlished by the Norwegian Parliament; it does not say that it shall consist of members of it.

Most people do not know that the "experts" who decide who shall receive the peace prize are former politicians. In contrast to the other Nobel prizes, no one with professional expertise is involved.

Imagine that the prize in, say, medicine or literature was decided by pensioned MPs. Right, it was be absurd. So it is concerning the Peace Prize - for which reason it should not be considered prestigeous before a) the Commitee is changed and b) the will is respected.

* Jan Oberg is the director of the Transnational Foundation for Peace & Future Research, Lund, Sweden


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