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Stunde der Taktiker

Verhandlungen über Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag gestartet

Von Ines Wallrodt *

Einen Monat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum EU-Reformvertrag von Lissabon haben am Montag die Verhandlungen für ein neues Begleitgesetz begonnen.

Die Große Koalition will die Novellierung des Begleitgesetzes zum Vertrag von Lissabon so schnell wie möglich über die Bühne kriegen. Am Montag haben in Berlin Vertreter der Regierungsfraktionen, der Länder und der Opposition erstmals darüber verhandelt. Die Schlussabstimmung für das Gesetz ist noch in der Sommerpause für den 8. September geplant, am 18. September soll der Bundesrat beschließen. Damit könnte die deutsche Ratifikationsurkunde noch vor dem irischen Referendum über den EU-Vertrag am 2. Oktober hinterlegt werden.

Die Idee, das Begleitgesetz im überparteilichen Einvernehmen zu regeln, hat stilistische und politische Gründe. Dafür spricht zum einen der Gegenstand -- es geht um die Rechte des Parlaments --, zum anderen sollen alle Seiten einbezogen werden, um neuerlichen Klagen vorzubeugen. CSU-Querulant Peter Gauweiler drohte allerdings vorsorglich damit, sollte er mit der Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils nicht zufrieden sein.

Arbeit steht in den nächsten Wochen vor allem der Union bevor: Die CSU drückt mit weitgehenden Forderungen zur parlamentarischen Mitbestimmung, aber auch die Länder machen Ansprüche geltend. Strittig sind vor allem die Punkte, die das Bundesverfassungsgericht nicht verpflichtend vorgeschrieben hat. Dies betrifft die Verbindlichkeit von Stellungnahmen von Bundestag und Bundesrat oder auch die Anregung des Gerichts, ein Verfahren zur Überprüfung von EU-Recht auf Grundgesetzkonformität zu installieren. SPD und CDU wollen nur die -- unstrittigen -- Mindestanforderungen in das Gesetz packen. Alles darüber hinaus gehende wollen sie offiziell auf die nächste Legislaturperiode verschieben. »Ein Draufsatteln« schloss der SPD-Europapolitiker Axel Schäfer vehement aus.

Noch will sich die CSU damit nicht abspeisen lassen. Sie fordert mehr, genauso wie die LINKE. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer gab gegenüber der »Süddeutschen Zeitung« als Verhandlungsziel an, das Urteil nicht nur »eins zu eins«, sondern mit einem »Plus« umsetzen zu wollen. Die CSU ist zwar bereit, von einigen ihrer 14 Punkte abzurücken, der Kern aber bleibt: Die Regierung soll an europapolitische Stellungnahmen des Bundestags gebunden werden. Sie dürfe nur aus »zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen« hiervon abweichen. Zudem verlangt die CSU, dass der Lissabon-Vertrag nur nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichtsurteils gelten soll. Dieser Vorbehalt solle gemeinsam mit der Zustimmung zur Ratifizierung in Rom hinterlegt werden.

Auch die Länder machen Druck. So wollen Hessen und Bayern nur zustimmen, wenn mehr als die Mindestanforderungen aus dem Karlsruher Urteil umgesetzt würden.

* Aus: Neues Deutschland, 4. August 2009


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