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"Der neoliberale Geist des Vertrags macht nicht an den Grenzen der Europäischen Union Halt" / "Le néolibéralisme qui inspire le traité ne s'arrête pas aux frontières de l'Union européenne"

Pressemitteilung des Französischen Büros von Attac in Paris / Communiqué du Bureau d'Attac

Im Folgenden dokumentieren wir eine Erklärung von Attac Frankreich zum Abstimmungsergebnis beim Referendum über den EU-Verfassungsvertrag vom 29. Mai 2005. Im Anschluss an die deutsche Übersetzung folgt die Erklärung im französischen Original.



DER SIEG EINES AUFRECHTEN UND INFORMIERTEN VOLKES

Pressemitteilung des Französischen Büros von Attac in Paris

Laut vorläufigem Endergebnis hat das “Nein” mit 55 % der Stimmen gegen 45 % “Ja”-Stimmen gesiegt. Die Stimmenthaltung lag mit nur 30 % auf dem niedrigsten je bei einer europäischen Wählerbefragung erreichten Stand.

Das französische Volk hat zum Verfassungsvertrag Nein gesagt. Ein deutlich mehrheitlich demokratisches und europäisches Nein . Mit diesem Ergebnis haben die Bürger und Bürgerinnen zunächst einmal Nein zum Neoliberalismus gesagt, der im Text des Referendums wortgewandt verteidigt und veranschaulicht wurde. Dieses Nein ist gleichzeitig ein Ja zu einem unabhängigen, internationalistisch, sozial, ökologisch und feministisch ausgerichteten Europa; ein Ja zu einem solidarischen Europa: solidarisch mit der übrigen Welt ,an erster Stelle mit dem Süden und mit den zukünftigen Generationen.

Es ist aber auch ein Ja zur Demokratie, die von der Staatspropaganda zusammen mit einem Medienkartell schamlos verhöhnt wurde. Gegenüber den “schwarzen Schafen”, die den Mut besaßen, die von den Parteien des “Ja” mit aller Macht eingehämmerten Argumente nicht für bare Münze zu nehmen, haben fast alle Medienleute eine unerhörte Parteilichkeit und eine demütigende Arroganz an den Tag gelegt. Die Bürgerinnen und Bürger haben mit ihrem Wahlzettel bewiesen, dass sie auf das Eintrichtern von Meinungen allergisch reagieren. Wegen seiner Beispielhaftigkeit hat dieses Ereignis historische Bedeutung und große Auswirkungen auf das übrige Europa und die Welt.

Attac drückt seine Anerkennung aus gegenüber den Tausenden und Abertausenden von BürgerInnen, die sich voll und ganz für die Schlacht um die Volksabstimmung eingesetzt haben: die Mitglieder ihrer einzelnen Zusammenschlüsse, an erster Stelle die Lokalkomitees; die Mitglieder von Bürgerinitiativen für das NEIN; die Mitglieder der anderen politischen, gewerkschaftlichen und assoziativen Organisationen, die mit derselben Entschlossenheit mobilisiert haben, und auch die vereinzelten oder keiner Organisation angehörenden BürgerInnen, die auf nachbarschaftlicher Ebene besonders wirksam gearbeitet haben. Jeder hat auf seine Weise an einer gemeinsamen Dynamik mitgewirkt, um im eigenen Umfeld die Anliegen und den Inhalt des Vertrags zu erklären, und dadurch den Sieg des Nein zu gewährleisten. Dieser Sieg gehört niemandem: er ist der eines aufrechten und informierten Volkes. Anlässlich der Feste zur Siegesfeier des Nein werden Bilanzen der Kampagne zu ziehen und Perspektiven zu erörtern sein.

Attac spricht allen Attac-Bewegungen in der Welt seinen tiefsten Dank aus, an erster Stelle denen in Europa, die in vielfältiger Gestalt eine unerschütterliche Solidarität für den Kampf unserer Vereinigung an den Tag gelegt haben. Den Europäischen Freiwilligen für das französische Nein aus einem Dutzend Länder, die in ganz Frankreich an zahlreichen Treffen teilgenommen haben, gilt unsere besondere Anerkennung. Durch ihre solidarische Anwesenheit wurden die verleumderischen Unterstellungen der Parteien des Ja entkräftet und der Sinn des Engagements von Attac als echt bezeugt: nicht gegen Europa, sondern für ein anderes, gemeinsam aufzubauendes Europa. Damit ist ein weiterer Schritt zum Aufbau eines öffentlichen europäischen Raums gemacht worden. Im Rahmen der Aktivitäten der Europäischen Freiwilligen steht Attac Frankreich selbstverständlich den Attac-Vereinigungen der Länder zur Verfügung, in denen Volksabstimmungen organisiert werden, angefangen bei Luxemburg, Portugal und Dänemark, um sie in ihrem Kampf zu unterstützen.

Der Sieg des Nein stellt alle Beteiligten vor neue Verantwortlichkeiten: jedem in seiner je spezifischen Situation obliegt es nun, dem ungeheuren Elan der Bevölkerung gewachsen zu sein, zu dessen Entstehung er beigetragen hat.

Attac Frankreich wird sowohl innerhalb der eigenen Organisation als auch zusammen mit den Kollektiven, mit denen es in Verbindung steht, unverzüglich an der Entwicklung der Grundelemente einer der europäischen Politik arbeiten, die den am 29. Mai ausgesprochenen Erwartungen entsprechen. Attac Frankreich wird auch den anderen Attac-Vereinen Europas das Abhalten eines Konvents von Attac von Europa Anfang Herbst vorschlagen. Dieser Konvent könnte eine gemeinsame europäische Plattform erarbeiten, die dann jeder Regierung vorzulegen ist. Das Europäische Sozialforum 2006 in Athen wird aus diesem Grund für Attac, für die Sozialen Bewegungen und die europäischen Völker von besonderer Bedeutung sei.

Der neoliberale Geist des Vertrags macht nicht an den Grenzen der Europäischen Union Halt. Er wird auch auf einem noch höheren Niveau - und mit einer besonderen Heftigkeit - von den internationalen Organisationen getragen: den G-8, dem IWF, der Weltbank, der OECD und der WTO. Mit diesem Referendum haben die Bürger einen entscheidenden Schritt gemacht : sie haben die Zusammenhänge zwischen der landesweit geführten und der europaweit beschlossenen Politik erkannt. Diese Einsicht muss sich auf die ganze Welt ausdehnen. Zwei wichtige Termine müssen daher Gegenstand einer schnellen und ausgreifenden Mobilisierung werden: die Zusammenkunft der G-8 in Schottland im Juli, und die der WTO in Hongkong im Dezember, wo zusätzlich die Liberalisierung der Landwirtschaft und der Dienstleistungen (GATS) auf der Tagesordnung steht. Attac wird den Kollektiven für das französische Nein vorschlagen, sich an diesen beiden großen Kämpfen zu beteiligen, sowie unter anderem an denen für internationale Steuern, gegen die Steueroasen, gegen die GMO und für das Wasser.

Noch vorher müssen wir die an eine Provokation grenzenden Herausforderung aufgreifen, die Tony Blair mit dem ultraliberalen Arbeitsprogramm für den britischen EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr an uns gerichtet hat. Wir müssen uns kraftvoll an der Demonstration vom 16. und 17. Juni in Brüssel anlässlich des letzten Europarats unter luxemburgischem Vorsitz beteiligen, den der geistige Sohn von Margaret Thatcher übernimmt. Er wird ein spürbares Zeichen dafür liefern müssen, dass er die Botschaft der Wähler verstanden hat.

Attac ruft alle Bürger, die geglaubt haben, mit einem JA zum Verfassungsvertrag gegen den Neoliberalismus ankämpfen zu können und für das soziale Europa einzutreten, dazu auf, sich mit uns im Kampf zu vereinen. Sie werden dabei auf der richtigen Seite stehen.

Attac ist eine auf Aktionen ausgerichete Volkserziehungsbewegung und wird es bleiben. Für politische Neuzusammen-setzungen ist Attac nicht zuständig. Attac wird hingegen insbesondere bei der Ausarbeitung von Alternativen zum Neoliberalismus auf französischer wie auf europäischer und auf internationaler Ebene seine Aufgabe wahrnehmen, Vorschläge zu unterbreiten und anzuspornen. Dieser neuer Arbeitsbereich wird die Mitwirkung all seiner Zusammenschlüsse, all seiner Mitglieder und Lokalkomitees erfordern.

Attac ruft zur Organisierung einer Rundreise durch die EU-Länder auf. Attac Frankreich wird in diesen Ländern das französische NEIN erläutern, auf europäischer Ebene zum Zusammenschluss beitragen und Alternativen ausarbeiten. Attac Frankreich ruft alle anderen Organisationen auf, den gleichen Weg zu gehen.

Attac, Paris, 29 Mai 2005, 22 Uhr http://www.attac.fr/a5116
Übersetzung : ehrenamtliche Übersetzer coorditrad at attac.org, Angelika Gross, Michèle Mialane u.a.


LA VICTOIRE D'UN PEUPLE DEBOUT ET INFORMÉ

Communiqué du Bureau d'Attac

Selon des résultats provisoires, le « non » aurait gagné avec 55 % des voix contre 45 % au « oui ». Les abstentions ne s'élèveraient qu'à 30 %, chiffre le plus bas de toutes les consultations européennes depuis qu'il en existe.

Le peuple français vient de dire non au traité constitutionnel. Un non très majoritairement démocratique et européen. Ce faisant, les citoyennes et les citoyens ont d'abord dit non au néolibéralisme, dont le texte soumis à référendum constituait une éloquente défense et illustration. Ce non est en même temps un oui à une Europe indépendante, internationaliste, sociale, écologique et féministe ; un oui à une Europe solidaire : solidaire avec le reste du monde, en premier lieu avec le Sud, et avec les générations futures.

Mais c'est aussi un oui à la démocratie, honteusement tournée en dérision par une propagande d'Etat agissant de conserve avec un système médiatique dont la quasi totalité des acteurs a fait preuve d'une partialité inouïe et d'une morgue insultante à l'égard des « moutons noirs » qui avaient l'audace de ne pas prendre pour argent comptant les arguments d'autorité assénés par les partis du « oui ». Les citoyennes et les citoyens ont démontré avec leur bulletin de vote qu'ils étaient allergiques au bourrage de crâne. C'est pourquoi cet événement, par sa valeur d'exemple, a une portée historique, aux très importantes répercussions dans le reste de l'Europe et du monde.

Attac rend hommage aux dizaines et dizaines de milliers de citoyens qui se sont dépensés sans compter dans la bataille du référendum : les membres de ses diverses instances, en premier lieu de ses comités locaux ; les membres des collectifs unitaires ; les membres des autres organisations politiques, syndicales et associatives qui se sont mobilisés avec la même détermination ; et aussi les citoyens isolés ou inorganisés qui ont accompli un travail de proximité particulièrement efficace. Chacun, à sa manière, dans une dynamique unitaire a ¦uvré, pour expliquer autour de lui les enjeux et le contenu du traité, et donc pour assurer la victoire du non. Cette victoire n'appartient à personne : elle est celle d'un peuple debout et informé. Les fêtes de la victoire du NON seront l'occasion de faire le bilan de la campagne et de débattre des perspectives.

Attac exprime sa profonde gratitude à tous les mouvements Attac du monde, en premier lieu à ceux d'Europe, qui, sous de multiples formes, ont fait preuve d'une solidarité sans faille à l'égard du combat de notre association. Les Volontaires européens pour le non français, venus d'une douzaine de pays, et qui ont sillonné la France de meeting en meeting, méritent notre reconnaissance particulière. Démentant par leur présence fraternelle les allégations calomnieuses des partis du oui, ils ont authentifié le sens de l'engagement d'Attac : non pas contre l'Europe, mais pour une autre Europe à construire ensemble. S'est ainsi renforcé un début d'espace public européen appelé à s'élargir. Dans le cadre des Volontaires européens, Attac France se tient évidemment à la disposition des Attac des pays dans lesquels vont être organisés des référendums, à commencer par le Luxembourg, le Portugal et le Danemark, pour les aider dans leur combat.

La victoire du non place tous ses acteurs devant des responsabilités nouvelles : il leur appartient, chacun avec sa spécificité, d'être à la hauteur de l'immense élan populaire qu'ils ont contribué à faire naître.

Pour sa part, Attac France va immédiatement engager, tant en son sein qu'en liaison avec les collectifs auxquels l'association participe, un travail de définition des politiques européennes répondant aux attentes qui se sont exprimées ce 29 mai. Attac France va également proposer aux autres Attac d'Europe la tenue, au début de l'automne, d'une Convention des Attac d'Europe. Cette Convention pourrait déboucher sur une plate-forme européenne commune, à soumettre à chaque gouvernement. Le Forum social européen 2006 à Athènes prend de ce fait une dimension particulière pour Attac, pour les mouvements sociaux et pour les peuples européens.

Le néolibéralisme qui inspire le traité ne s'arrête pas aux frontières de l'Union européenne. Il est également porté, à un niveau encore plus élevé, et avec une particulière virulence, par les organisations internationales : le G-8, le FMI, la Banque mondiale, l'OCDE et l'OMC. La prise de conscience - grand acquis citoyen du référendum - de la filiation entre les politiques nationales menées en France depuis plus de vingt ans et celles décidées au niveau européen doit maintenant s'étendre au niveau mondial. Deux importants rendez-vous doivent, à cet égard, faire l'objet d'une mobilisation rapide et élargie : la réunion du G-8 en Ecosse en juillet, et celle de l'OMC, à Hongkong en décembre, où la libéralisation supplémentaire de l'agriculture et des services (AGCS) sera à l'ordre du jour. Attac va proposer aux collectifs pour le non français de s'inscrire dans ces deux grands combats, ainsi que dans ceux des taxes internationales, des paradis fiscaux, des OGM et de l'eau, entre autres.

Dans un avenir encore plus immédiat, il nous appartient de répondre au défi, frôlant la provocation, que Tony Blair nous lance en proposant un programme de travail ultralibéral pour la présidence britannique de l'UE du second semestre. Nous devons être nombreux à la manifestation de Bruxelles, les 16 et 17 juin, à l'occasion du dernier Conseil européen de la présidence luxembourgeoise qui passera le relais au fils spirituel de Margaret Thatcher. Il devra donner des signes tangibles que le message des électeurs aura été bien reçu.

Attac demande aux citoyens qui ont voté oui en croyant rapprocher l'heure de l'Europe sociale et combattre le néolibéralisme de se joindre à nous tous pour livrer ces combats. Ils y ont toute leur place.

Attac est un mouvement d'éducation populaire tourné vers l'action, et le restera. Les recompositions politiques ne sont pas de son ressort. En revanche, et en particulier dans l'élaboration des alternatives au néolibéralisme, tant au niveau français et européen qu'international, Attac va renforcer son rôle de proposition et d'aiguillon à partir du chantier que l'association va mettre en route, et qui impliquera toutes ses composantes, tous ses adhérents et ses comités locaux.

Attac appelle à l'organisation d'un tour des pays de l'Union. Attac France sillonnera ces pays pour expliquer le NON français, rassembler des forces à l'échelle européenne, mettre au point des alternatives. Attac France appelle toutes les autres organisations à faire de même.

Attac, Paris, 29 mai 2005, 22 h.
http://www.attac.fr/a5116


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