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Geldsäcke und Not

Warum der Schulterschluß der Bundesregierung mit der Bill-Gates-Stiftung und großen Agrar- und Lebensmittelkonzernen den Kampf gegen Hunger nicht befördern kann

Von Benjamin Beutler *

Der gelernte Arbeitsvermittler Dirk Niebel macht seinem Beruf alle Ehre. Mit Vollgas baut der Entwicklungsminister deutsche Entwicklungszusammenarbeit in einen Auftragsbeschaffer für die Agrar- und Lebensmittelindustrie um. »Zwei Milliarden mangelernährte Menschen weltweit sind ein Skandal. Gerade Mangelernährung im Kindesalter führt zu dauerhaften Schäden. Deshalb bündeln wir gemeinsam mit Bill Gates und der Wirtschaft die Kräfte gegen den Hunger in der Welt«, zeigte der Bundeswehr-Fallschirmjäger der Reserve zu Wochenbeginn auf der Suche nach neuen Absatzmärkten Entschlossenheit. Für seinen Kreuzzug für die Hungernden der Welt setzt der Ex-FDP-Generalsekretär auf potente Partner. Bei einem »CEO Roundtable« war der Chef des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit US-Multimilliardär Gates sowie Wirtschaftsvertretern deutscher und internationaler Konzerne des Agrobusiness und der Ernährungsindustrie (ABEI) zusammengetroffen.

In vertrauter Runde gibt man sich spendabel. Über 80 Millionen Euro sollen für die »Stärkung der Ernährungssicherheit« lockergemacht werden, informierte das BMZ. Rund 20 Millionen Euro steuert das Ministerium bei, 20 Millionen Euro von der Bill&Melinda Gates Stiftung. Weitere 40 Millionen wollen die ABEI zahlen. »Ich begrüße die Führungsrolle, die Deutschland für die globale Entwicklung einnimmt«, strahlte Gates, mit 66 Milliarden US-Dollar reichster Mann der Vereinigten Staaten, auf der anschließenden Pressekonferenz. »Die Entwicklungsinvestitionen und Partnerschaften mit der Privatwirtschaft haben geholfen, viele erfolgreiche Programme zu finanzieren und Millionen Menschen aus Hunger und Armut zu holen«, posaunte der »Philanthrop« und Microsoft-Wunderknabe, der als Mitvorsitzender und Treuhänder der nach ihm und seiner Frau Melinda benannten Stiftung nach Berlin geflogen war. Bereits im April 2011 hatte das BMZ mit der Bill&Melinda Gates Stiftung »Memorandum of Understanding« die Zusammenarbeit bei ländlicher Entwicklung, Gesundheit, Trink- und Abwasser, Stadtentwicklung sowie Mikrofinanzen unter Dach und Fach gebracht. Seitdem lassen Berlin und die Gates-Stiftung bei den Verlierern von Globalisierung und Freihandel Hand in Hand Brunnen bohren, Aids-Kranke behandeln und für die »grüne Revolution« in der Landwirtschaft forschen.

Die jüngst beschlossenen Millionen fließen in die Initiative »German Food Partnership« (GFP). Damit haben die Konzerne ihren Fuß in Ministerien, Parlament und Kanzleramt gesetzt. Die 2009 gegründete GFP ist eine öffentlich-private Partnerschaft (PPP), wobei »deutsche und internationale Unternehmen der Agrar- und Ernährungsindustrie, Verbände und Stiftungen, der öffentliche Sektor sowie Unternehmen aus Schwellen- und Entwicklungsländern gemeinsam daran arbeiten, die Rohstoff- und Nahrungsmittelsicherung zu verbessern«. Bayer, Syngenta und Metro machen sich den Kampf gegen Hunger zunutze. Deren Lobby-Arbeit zahlt sich aus. Politiker wie Niebel oder Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) sind der Überzeugung, das auf Gewinn ausgerichtete Kerngeschäft von Bayer und Monsanto könnte in Afrika, Asien oder Lateinamerika einen entscheidenden Beitrag für volle Teller und Tische sorgen, warnt der Agrarexperte vom katholischen Hilfswerk Misereor, Benjamin Luig, in einer Studie. »Die strukturellen Ursachen des Hungerproblems werden ebenso ausgeblendet wie der Zusammenhang zwischen den proklamierten »guten Taten« von Konzernen und deren eigentlichem Geschäftsmodell«, so Luig. Statt Kleinbauern Vorteile zu verschaffen, sitzen die Gewinner im Norden. Gemüsebauern in Simbabwe und Kenia, die für Supermärkte in Europa produzieren, erhalten 14 Prozent vom Ladenpreis. Die Supermärkte kassieren 45 Prozent. Durch PPPs, erklärt Luig, erhalten Bayer&Co »Marktzugang und Durchsetzung von industriefreundlichen Regelungen auf Länderebene«. Einfluß rechnet sich. 2006 wurden aus Deutschland Pestizide im Wert von 4,7 Milliarden Dollar verschifft. Jährlich sterben, vor allem im globalen Süden, rund 355000 Menschen an Agrogiften, rechnet die Weltgesundheitsorganisation vor.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 31. Januar 2013


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