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So geht Weltpolizei

Josef Blatter ausgehebelt

Von Uschi Diesl *

Zunächst die gute Nachricht: Der Allmächtige im nachweislich korrupten Fußballweltverband tritt zurück, womöglich noch in diesem Jahr. Und jetzt die schlechte: Er wurde als Mann der Lateinamerikaner, Afrikaner und nicht zuletzt als »Mann Putins« abserviert. Vom Weltpolizisten USA. Mit tatkräftiger Unterstützung der üblichen Verbündeten.

Josef Blatter hat die Umwandlung eines Ballspiels mit proletarischen Wurzeln in ein monströses Business maßgeblich vorangetrieben. Auf manchem Bolzplatz ist über das Blattersche Gewinnstreben jeder Spaß verlorengegangen. Insofern ist der korpulente Schweizer mit dem extraordinären Privatvermögen ein Vertreter der Mächte des Bösen.

Andererseits war Blatter an einer im Weltmaßstab etwas gleichmäßigeren Verteilung der horrenden Profite gelegen, die sein Verband mit der Ausrichtung von WM-Endrunden einstrich. Zuletzt wurden diese unter seinem Patronat an Afrika, Südamerika, Russland und Arabien vergeben. Der Patriarch muss so etwas wie einen siebten Sinn für die »Peripherie« haben, ob aus Expansionsgier oder womöglich gar einem rudimentären Gerechtigkeitsempfinden, sei dahingestellt. So oder so mussten die imperialistischen Platzhirsche sein Gebaren als Kampfansage verstehen.

Der Hebel, mit dem sie ihn aus dem Amt beförderten, war schnell zur Hand. Zwar ist die Mafia das Grundmodell kapitalistischen Wirtschaftens – Geschäftsfreunde mehren ihr Privateigentum zum Schaden des Gemeinwohls, indem sie persönliche Absprachen treffen –, aber es gibt doch Unterschiede, was die Manieren angeht. Wenn in den USA geschmiert wird, dann bitte unter Beteiligung der angeschlossenen Rechtsabteilungen. Kein Vergleich etwa zur ungeschlachten Korruption im Süden des Kontinents!

Dazu kommt: Wo auch immer einer sich nicht an die elaborierten Regeln im Global Game hält – er muss nur einen Teil seines Wirtschaftsverbrechens über die USA abwickeln und gegen deren Interessen verstoßen, schon landet er in den Mühlen der dortigen Justizbehörden. Da reicht die Versendung einer E-Mail über einen Server, der zufällig in der Prärie von Oregon steht. Im vorliegenden Fall sollen Bestechungsgelder über Konten bei New Yorker Banken geflossen sein. So geht Weltpolizei.

Nicht zuletzt ist mit der Entmachtung Blatters die nächste Runde im Putin-Bashing eingeläutet. Schließlich ist die Einhaltung der Verträge mit dem nächsten WM-Gastgeber, auf der Blatter weiterhin Kraft seiner Wassersuppe bestehen dürfte, ein eklatanter Bruch des Völkerrechts, aber mindestens. Anders als die Besetzung Palästinas beispielsweise. Frisch drauflos forderte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt am Mittwoch schon mal die Neuvergabe der WM 2018. Beim Trockenlegen des FIFA-Sumpfes sei der europäische Verband »nicht automatisch ein Heilsbringer«, ließ sie noch wissen. Es bräuchte »einen unbelasteten Nachfolger«. Jerry Cotton, übernehmen Sie.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 04. Juni 2015

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