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Hawk-Probleme schon seit 2004 bekannt

Verteidigungsminister soll sich persönlich für Drohnen-Anschaffung eingesetzt haben / Opposition kritisiert Millionenschaden und Behinderung der Aufklärung *

Verteidigungsminister Thomas de Maizière ist als Anhänger der umstrittenen Drohnen-Technologie zu Militärzwecken bekannt. Nun könnte ihm sein Einsatz für die Anschaffung der Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“ noch einige Probleme bereiten. Der CDU-Politiker habe das inzwischen gescheiterte Millionen-Projekt zur Chefsache erklärt, obwohl bereits bekannt war, dass es für die unbemannten Flugkörper keine Zulassung geben würde.

Wie der „Focus“ in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, waren dem Ressort von de Maiziere diese Schwierigkeiten bereits Ende 2011 bekannt. Dies gehe aus einer vertraulichen Mitteilung des Ministeriums an den Verteidigungsausschuss hervor, berichtet das Magazin. De Maiziere ist seit März 2011 Verteidigungsminister. Wie unterdessen die „Bild“-Zeitung schreibt, habe de Maiziere in dieser Woche den Mitgliedern des Haushaltsausschusses berichtet, sich trotz der erheblichen und bekannten Probleme bei der Zulassung für die Fortsetzung des Projekts entschieden zu haben.

Noch früher wusste offenbar die Bundeswehr Bescheid. Wie die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ meldet, war man auf der Hardthöhe bereits vor dem Vertragsabschluss darüber informiert. Sowohl Flugsicherung als auch Industrie und die Zulassungsstelle der Bundeswehr hätten seit 2004 mehrfach darauf hingewiesen, dass es ohne Kollisionsschutz-System keine Zulassung im zivilen Luftraum geben werde.

Der Vertrag über die Entwicklung der Drohne wurde 2007 in der großen Koalition unter Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) abgeschlossen. Anfang der Woche hatte sein Ressort den Ausstieg aus dem Projekt „Euro Hawk“ verkündet. Der Bund hat bisher mehr als 560 Millionen Euro in die Anschaffung investiert; zu zahlen sind Medienberichten zufolge noch weitere 94 Millionen Euro aufgrund vertraglicher Verpflichtungen. Insgesamt war mehr als eine Milliarde Euro für die Anschaffung von fünf „Euro Hawk“-Drohnen geplant.

Die Opposition nutzt derweil die Hawk-Pleite, um den Druck auf die Bundesregierung und auf de Maiziere zu erhöhen. SPD und Grüne warfen ihm am Samstag vor, die Spitze seines Hauses habe über ein Jahr lang Aufklärungsversuche des Bundesrechnungshofes massiv behindert. SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann machte de Maizière für „den Verlust von Steuergeldern in dreistelliger Millionenhöhe“ verantwortlich.

Der für den Verteidigungsetat zuständige Haushaltspolitiker der Grünen, Tobias Lindner, sagte: „Es drängt sich der Verdacht der Vertuschung auf höchster Ebene auf.“ Die Staatssekretäre des Ministeriums hätten in mehreren Gesprächen mit dem Bundestag seit Sommer 2012 immer wieder deutlich gemacht, dass sie zur vollständigen Übergabe von „Euro Hawk“-Daten an den Rechnungshof nicht bereit seien.

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Carsten Schneider, sagte: „Wenn der Verteidigungsminister vorsätzlich die Aufklärung dieses Desasters verhindert hat, wird es Zeit, dass sich die Bundeskanzlerin für die Angelegenheit interessiert.“ Die Linkspartei hatte bereits vor einigen Tagen den Rücktritt de Maizieres gefordert. Nach der „grandiosen Fehlinvestition“ sei ein „Ministerwechsel“ fällig, so Linken-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn am Mittwoch in Berlin. Es seien „schon Minister für sehr viel weniger zurückgetreten“.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 18. Mai 2013


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