Neue Gefahr durch Drohnen?
Interview mit dem Physiker Jürgen Altmann *
Jürgen Altmann, Physiker und
Friedensforscher, arbeitet an der
Technischen Universität Dortmund. Das Interview mit ihm führte für "nd" Harald Neuber.
Verteidigungsminister Thomas
de Maizière hat die Bewaffnung
der Bundeswehr mit Drohnen angekündigt.
Ist das so einfach?
Die Bundeswehr hat schon mehrere
Typen von Drohnen zur Aufklärung.
Drohnen auch mit Waffen
auszustatten, würde die deutsche
Rüstungsindustrie leicht schaffen –
und sie wünscht sich solche Aufträge.
Die Datenübertragung von
Videokameras und anderen Sensoren
zur Bodenstation gibt es
schon, die Waffenfernsteuerung
müsste dazu entwickelt werden.
Dass das geht, demonstrieren Systeme
der USA und Israels, neuerdings
auch Irans und Chinas.
Welche Regeln bestehen generell
für neue Waffensysteme?
Viele verschiedene. Zunächst ist
durch die Staaten zu prüfen, ob
neue Mittel oder Methoden der
Kriegführung dem Völkerrecht
widersprechen würden. Unter dem
Vertrag über konventionelle
Streitkräfte in Europa, dem KSEVertrag,
müssen neue Kampfpanzer,
-flugzeuge, und -hubschrauber,
gepanzerte Kampffahrzeuge
und Artilleriesysteme den anderen
Vertragsstaaten mitgeteilt werden,
die neuen Systeme dürfen inspiziert
werden. Ähnliche Informationen
sind auch unter dem Wiener
Dokument der Organisation für Sicherheit
und Zusammenarbeit in
Europa (OSZE) den anderen Staaten
zu übermitteln. Dem Waffenregister
der UNO sind Exporte und
Importe solcher Waffen zu melden,
dazu gehören auch Kriegsschiffe
einschließlich U-Booten und Flugkörpern.
Wenn neue Systeme nicht
unter die jeweiligen Definitionen
fallen, sollte die Regelungslücke
durch Anpassung der Abkommen
geschlossen werden.
Die Regierung sagt, dass bestehende
Kontrollabkommen nicht
greifen. Ist dem so?
Nein, sowohl der KSE-Vertrag als
auch das Wiener Dokument der
OSZE sowie das UNO-Waffenregister
gelten für bemannte wie für
unbemannte Waffensysteme. Allerdings
ist der KSE-Vertrag seit
2007 durch Russland suspendiert
und sollte reaktiviert werden. Beim
KSE-Vertrag sind die Definitionen
der begrenzten Waffensysteme
unabhängig davon, ob eine Mannschaft
an Bord ist oder nicht. Das
Wiener Dokument der OSZE bezieht
sich auf diese Definitionen.
Die Definitionen des UNO-Waffenregisters
sind denen des KSE-Vertrags
sehr ähnlich. Großbritannien
etwa hat für 2007 den Import von
Predator- oder Reaper-Drohnen
aus den USA unter der Kategorie
»IV. Kampfflugzeuge« gemeldet –
auch wenn sie auf der Exportliste
der USA nicht auftauchen.
Laut Minister ist der Drohneneinsatz
»ethisch eher von Vorteil«.
Das ist eine enge Sicht auf die Sicherheit
der eigenen Soldatinnen
und Soldaten bei absoluter Luftüberlegenheit.
Bei einer ethischen
Beurteilung sind auch mögliche
künftige Kriege unter nicht so
asymmetrischen Bedingungen und
die weitere technische Entwicklung
zu betrachten. Bewaffnete
Drohnen erzeugen neue Bedrohungen
– sie können unerkannt tief
eindringen und Überraschungsangriffe
ausführen. In einer Krise
würden sich gegnerische Drohnenflotten
intensiv beobachten
und müssten sehr schnell auf einen
möglichen Angriff reagieren – so
könnte ein falsch aufgefasstes Ereignis
den Krieg auslösen.
Der militärische Druck wird
steigen, die Waffensysteme selbst
entscheiden zu lassen, wen oder
was sie töten oder zerstören. Dazu
kommt die Aussicht, dass Staaten
Kriege eher beginnen werden,
wenn sie weniger Gefallene befürchten
müssen.
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 07. Februar 2013
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