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Günstig, effektiv und tödlich

Verteidigungsminister Thomas de Maizière verteidigt die geplante Anschaffung von Killer-Drohnen

Von Aert van Riel *

Deutschland rüstet sich und seine Verbündeten für neue Kriege auf. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) bemühte sich nun im Bundestag, die geplante Anschaffung von Kampfdrohnen zu verharmlosen.

Drohnen sind lautlose Killer. Die unbemannten Flugzeuge werden von den USA für gezielte Tötungen eingesetzt. Auch die Bundesregierung will ihre Truppen bald mit den Maschinen ausrüsten. Verteidigungsminister Thomas de Maizière betonte gestern bei einer von der LINKEN beantragten Aktuellen Stunde im Bundestag den angeblichen militärtechnologischen »Fortschritt«. »Wir können nicht sagen: Wir bleiben bei der Postkutsche, während alle anderen die Eisenbahn entwickeln«, sagte er zynisch. Drohnen seien zudem billiger als der Einsatz von Kampfflugzeugen. De Maizière äußerte die Vermutung, dass durch den präzisen Beschuss bestimmter Ziele »Kollateralschäden« vermieden werden könnten. Tatsächlich wurden beispielsweise bei Drohnenangriffen der US-Amerikaner in Pakistan gegen Terrorverdächtige in den letzten Jahren Hunderte von Unbeteiligten getötet. Die Sorge des CDU-Politikers gilt offenbar nicht der betroffenen Bevölkerung in einem Kriegsgebiet, sondern den eigenen Soldaten. »Sie wollen wohl lieber das Leben eines Piloten gefährden«, sagte er in Richtung der Linksfraktion.

Diese ist gegen die Anschaffung von Kampfdrohnen. Denn die unbemannten Flugzeuge, die aus sicherer Entfernung gesteuert werden, würden die Schwelle zur Gewalt senken. Der LINKE-Außenpolitiker Andrej Hunko kritisierte auch den Einkauf militärischer Spionagedrohnen. »Die Bundeswehr zieht in Erwägung, diese später zu bewaffnen«, erklärte Hunko. Bisher nutzt die Bundeswehr zur Luftaufklärung in Afghanistan unbewaffnete Drohnen, die von einem israelischen Konsortium geleast werden. Langfristig ist die Ausstattung mit einer europäischen Kampfdrohne geplant.

Auch die Grünen lehnen den Kauf von Kampfdrohnen bisher ab. Zurückhaltender äußern sich die Sozialdemokraten. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, betonte aber, dass »gezielte Tötungen völkerrechtswidrig sind«. Deutsche Soldaten müssten einen entsprechenden Befehl verweigern.

Strittig war gestern im Bundestag neben dem Import auch der Export von Waffen. Hierbei liegt Deutschland weltweit auf Platz drei hinter den USA und Russland. Geliefert wird auch an Diktaturen im Nahen Osten wie etwa Saudi-Arabien. Oppositionspolitiker kritisieren, dass allein der geheim tagende Bundessicherheitsrat endgültig über politisch oder zwischen Ministerien umstrittene Exportgeschäfte entscheidet und die Parlamentarier erst mit Verspätung informiert werden. Nach Meinung von SPD und Grünen soll der Bundestag besser beteiligt und Rüstungsexporte schärfer kontrolliert werden. Ihre Anträge wurden erwartungsgemäß von Union und FDP abgelehnt.

Die Linksfraktion setzt sich für ein Rüstungsexportverbot ein. »Eigentlich hätten wir nach dem Zweiten Weltkrieg den Schluss ziehen müssen, nie wieder Waffen zu exportieren«, sagte Fraktionschef Gregor Gysi. Gegen einen entsprechenden Antrag stimmten neben den Regierungsfraktionen auch SPD und Grüne. Immerhin waren auch in ihrer Regierungszeit zahlreiche deutsche Waffen in alle Welt verkauft worden.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 01. Februar 2013


»Bundeswehr steigt ganz groß ein«

Deutschland übernimmt mit Einführung von »Euro Hawk«-Spionagedrohnen Vorreiterrolle in der EU. Ein Gespräch mit Lühr Henken **

Lühr Henken ist engagiert in der Friedenskoordination Berlin.

Die Bundesregierung hat ihren Willen bekräftigt, bewaffnete Drohnen anzuschaffen. Überrascht dieser Vorstoß die Friedensbewegung?

Nein, insofern nicht, als daß seit Sommer letzten Jahres bekannt ist, daß Verteidigungsminister de Maizière und Luftwaffeninspekteur Müllner das wollen. Sie haben sich nur noch nicht entschieden, welche Killerdrohnen sie haben wollen. Sie favorisieren die US-amerikanische Drohne »Reaper«, Sensenmann, mit einem Einsatzradius von 3000 Kilometern und mit »Hellfire«-Raketen oder Bomben bestückbar. Aber auch die israelische »Heron TP« ist noch im Gespräch. Beide stehen gegen europäische Projekte, die sich allerdings erst noch im Entwicklungs- oder Erprobungsstadium befinden.

»Unbemannte, bewaffnete Luftfahrzeuge unterscheiden sich in der Wirkung nicht von bemannten«, so Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). Hat er damit nicht irgendwie recht und warum will er trotzdem bewaffnete Drohnen anschaffen?

Das ist der untaugliche Versuch, eine komplett neue Waffenkategorie zu bagatellisieren. Mutmaßlichen Straftätern wird gewöhnlich der Gerichtsprozeß gemacht. Der endet mit einer Verurteilung oder einem Freispruch. Mit der Einführung von Kampfdrohnen gilt das rechtsstaatliche Verfahren gegenüber den mit Killerdrohnen Verfolgten nicht mehr. Für die USA wählt Präsident Obama aus einer »Kill-List« aus, wer ins Visier seiner Scharfrichter gerät, die weit entfernt vom Geschehen am Bildschirm sitzen.

Killerdrohnen töten, ohne eigene Soldaten zu gefährden, senken deshalb die Schwelle zum Einsatz. Daß sie seltener Unbeteiligte töten, hat sich als Lüge herausgestellt – insofern sind sie mit Bombern vergleichbar. Zudem wird bereits jetzt an vollständig autonomen Killerrobotern geforscht. Bis zu Schwärmen von Killerrobotern ist es dann nicht mehr weit. Wir fordern die Ächtung der Drohnen.

Die Bundeswehr verfügt über rund 300 unbewaffnete, unbemannte Luftfahrzeuge, setzt diese im Kosovo und Afghanistan ein. Richtet sich Ihre Kritik nur gegen die die geplante »durchhaltefähige bewaffnete Aufklärung«?

Nein, die Bundeswehr steigt ja ganz groß ein. Sie übernimmt mit der Einführung von fünf »Euro Hawk«, den weltweit einsetzbaren und größten Spionagedrohnen, in Europa eine Vorreiterrolle. Mit jeder von ihnen läßt sich die gesamte Kommandostruktur eines fremden Landes ausspionieren. Zu einem Drittel beteiligt sie sich darüber hinaus am NATO-Projekt »Global Hawk«. Diese Radardrohnen erzeugen präzise Lagebilder, die in Echtzeit auf der Führungsebene und im Straßen-und Häuserkampf übermittelbar sein sollen. Hinzu kommt der Einsatz von Überwachungsdrohnen im Inland. Die EU untersucht mit ihrem Forschungsprogramm INDECT die Verknüpfung von Überwachungstechniken – Videoüberwachung, Mobiltelefonortung, Anzapfen von Computern und Einsatz kleiner Aufklärungsdrohnen.

Plant die Friedensbewegung nun eine Kampagne gegen Drohnen?

Wir in Berlin sind nicht die einzigen, die versuchen das Thema in die Öffentlichkeit zu bekommen und Kontakte zu Mitstreitern in Gewerkschaften und Kirchen zu intensivieren. Wir erstellen Materialien, erstmals auch kleine Filme auf DVD, planen Veranstaltungen – eine erste hat gerade in Hannover stattgefunden – und sind dabei, die Aktivitäten bundesweit und im weiteren auch international zu vernetzen. Spätestens im Sommer sollen von der Regierung Entscheidungen getroffen werden. Es bleibt also nicht viel Zeit, Widerstand zu organisieren.

Interview: Christoph Marischka

** Aus: junge Welt, Freitag, 1. Februar 2013


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