Technik, die verführt
Die Bundeswehr will demnächst aus den USA bewaffnete Drohnen beschaffen
Von René Heilig *
Sie sind leise und mit bloßem Auge nicht erkennbar. Sie kreisen geduldig in der Luft, lauern, pirschen sich heran - und dann drückt jemand den roten Knopf. Eine Hellfire-Rakete löst sich, Sekunden später bricht auf der Erde tatsächlich ein Höllenfeuer los. Das ist US-Drohnenwerk in Afghanistan, Pakistan, ebenso in Jemen. Nun will das deutsche Militär auch den roten Knopf drücken. Die Bundesregierung prüft, ob die US-Kampfdrohne »Predator« (Raubtier) angeschafft wird.
Es geht um Mord, Mord aus sicherer Entfernung. Kampfdrohnen können klammheimlich beobachten und alles und alle, die als feindlich qualifiziert sind, eliminieren. Die Piloten der Flugroboter sitzen Tausende Kilometer entfernt in sicheren Kasernen. Sie steuern per Joystick den Tod, ohne ihr eigenes Leben zu gefährden. Mehr noch: Sie retten Leben, das von Kameraden, die nun nicht mehr in den Kugelhagel geschickt werden müssen. Die Frage »Wer wen?« ist auf eine neue technologische Ebene gehoben worden. Recht und Moral reichen da nicht heran.
Auch die Bundeswehr besitzt Unmanned Aerial Systems (UAS), hierzulande Drohnen genannt. Die wichtigsten, modernsten stammen aus Israel, sind erprobt in den Palästinensergebieten. Gerade hat man den Leasingvertrag für die »Heron«-Drohnen in Afghanistan bis 2014 verlängert.
Doch die geborgte Technik hilft nur aufzuklären, den Feind zu erspähen. Gefechte führen können die Piloten nicht. Das kann quälend sein, wenn die Soldaten am Stick zusehen müssen, wie ihre Kameraden vor Ort zusammengeschossen oder in Sprengfallen zerfetzt werden. Die Passivität soll nun von einer Angriffsfähigkeit ergänzt werden. Die Bundeswehr erwägt, sich bewaffnete Drohnen zuzulegen. Es geht um das US-Killergerät »Predator B« .
Eine solche Technik, die die bewaffneten Konflikte bereits jetzt massiv verändert, ist verführerisch. Wer sie hat, will sie nutzen. Zum Angriff. Einwand: So wie die meisten anderen Waffensysteme. Doch: Mit Robotern mordet es sich effektiver, unbeschwerter. Heimlich. Die USA führen es vor. Immer wieder schicken sie Drohnen gegen wirkliche oder vermeintliche Taliban- und Al-Quaida-Führer aus und überschreiten dabei jegliche Grenzen, die herkömmlichen Kriegen gesetzt waren. Ausgeführt werden Todesurteile, ohne dass es je ein Gerichtsverfahren gegeben hätte.
Aber: Wenn zwei das Gleiche besitzen, müssen sie noch lange nicht das Selbe tun. Müssen nicht, aber wer bestimmt, was erlaubt und was verboten ist? Wer kontrolliert die Einhaltung der Regeln? Das Grundgesetz verbietet Hinrichtungen.
Was Informationen zur Drohnenbeschaffung betrifft, so versichert der Sprecher des Verteidigungsministers, Kapitän Christian Dienst, in der vergangenen Woche, würde sich Minister Thomas de Maiziere (CDU) melden, »wenn die Zeit reif ist«. Dann werde sich der Chef »sicherlich auch zu diesem Komplex einlassen«.
Warum nur mauert das Ministerium dann bereits jetzt, wenn es von Abgeordneten - in diesem Fall aus der Grünen-Fraktion - zu Details gefragt wird? Zitat: »Hinsichtlich der Aspekte der Anfrage zu militärischen Fähigkeiten ist die Bundesregierung nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass die erbetene Auskunft ›VS - Nur für den Dienstgebrauch‹ einzustufen ist. Sie bietet einen detaillierten Überblick über die Entwicklung und Planung unbemannter Systeme in der Bundeswehr bis mindestens 2025.«
Geheimhaltung? Obwohl man sich offen über die Fähigkeiten der Drohnen und ihrer Bewaffnung informieren kann? Der US-Hersteller General Atomics Aeronautical Systems, der im Computer bereits »Predator B« mit dem Eisernen Kreuz der Deutschen Luftwaffe fliegen lässt, macht genügend Reklame.
Die Bundesregierung gibt an, dass »die Zusammenstellung in ihrer Gesamtheit und die Tatsache, dass die Antworten von offizieller, fachlich zuständiger Seite erfolgen«, eine Geheimhaltung notwendig macht. »Eine Veröffentlichung und damit eine Kenntnisnahme durch Unbefugte können für die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik nachteilig sein.«
Unbefugte? Dazu hätte man auch Bünyamin E. zählen können. Der junge Mann aus Wuppertal war drei Monate in Pakistan, hatte Kontakt zu Islamisten. Im Oktober 2010 wurde er von einer US-Kampfdrohne umgebracht. Es gibt keinen Beleg dafür, dass er ein bewaffneter Feind war. Auf welcher Rechtsgrundlage nahmen ihm US-Krieger das Leben? Und wie wird Deutschland demnächst in vergleichbaren Situationen handeln?
»Wir sind da sozusagen am Beginn einer Rampe, und was Rampen so an sich haben, ist, dass sie irgendwann einmal aufwärts gehen und dann auf einem Plateau ankommen, wo sie sich verbreitern und zu einem Ergebnis führen«, weicht der Sprecher des Verteidigungsministeriums aus. Um dann in einem Schachtelsatz nebenbei zu erwähnen, dass man längst kurz vor diesem »Plateau« steht.
»Die Entscheidung, ob ›Predator B‹ angeschafft werden kann - erst einmal als Plattform, unabhängig davon, was draufgesetzt wird, beziehungsweise die Prüfung des Angebotes, wenn es denn vorliegt - kann frühestens im dritten Quartal 2012, also in drei Monaten, erfolgen.«
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 1. August 2012
Highlights auf der ILA
Unbemanntes erstmals als "Messe-Plaza" **
Anfang September ist wieder ILAZeit.
Die Luft- und Raumfahrtmesse
in Berlin-Brandenburg
»führt wie keine andere europäische
Aerospace-Messe Unternehmen
und Streitkräfte in einer einzigen
Veranstaltung partnerschaftlich
zusammen und ist damit
die optimale Plattform für den internationalen
Dialog zwischen Politik,
Industrie und Streitkräften«.
So bewerben die Veranstalter ihre
Show. Und haben recht – abzüglich
einer gewissen Übertreibung,
denn dass können auch traditionelle
Messen in Le Bourget
(Frankreich) Farnborough (Großbritannien),
Moskau oder Dubai
und andere in jeweils spezieller Art
und Weise.
Besonderes Augenmerk legen
die ILA-Organisatoren in diesem
Jahr auf das sogenannte UASSegment.
Diese unbemannten
Flugsysteme gewinnen rasch an
Bedeutung. Jüngste Marktanalysen
prognostizieren für die kommenden
zehn Jahre eine Verdoppelung
der Ausgaben für militärische
UAS von derzeit 6,6 Milliarden
auf 11,4 Milliarden US-Dollar.
Auch der zivile Anwendungsbereich
hat große Perspektiven.
Mit der Aufnahme von UAS in das
deutsche Luftverkehrsgesetz
sind
wichtige Voraussetzungen
für verbindliche
Zulassungskriterien
geschaffen worden, um eine Vielzahl
von Anwendungen
bedienen zu können.
Flugroboter
können zivil genutzt
werden in den Bereichen Öffentliche
Sicherheit, Katastrophenschutz,
Agrarwirtschaft der Geovermessung.
Auf der ILA bekommen
UAS daher erstmals eine
eigene Ausstellungsfläche,
»Plaza « genannt, und
im Konferenzprogramm
stehen verschiedene Diskussionsveranstaltungen
zum Thema ausgepreist. Dabei wird es
intern gewiss auch um Erfahrungsberichte
gehen. Die Bundeswehr
hat bereits mehrere UAS in
Betrieb: Die »Heron« in Afghanistan,
zugeführt werden strategische
»Euro Hawk«-Aufklärer (siehe
Messeflyer), die von Northrop
Grumman hergestellt und im Aufklärungsgeschwader
51 bei Jagel
stationiert werden. Heer und Marine
verfügen über diverse taktische
Aufklärungssysteme. Der
deutsch-französisch dominierte
Rüstungskonzern EADS entwickelt
zur Zeit verschiedene Systeme, die
auch als Raketenträger eingesetzt
werden können.
Stefan Zoller, Vorstandsvorsitzender
der EADS-Verteidigungssparte
Cassidian, sagt: »Wir sind
sehr zuversichtlich, dass wir in
absehbarer Zeit zu einer gesamteuropäischen
Lösung einer eigenen
Drohne kommen werden.«
Erste Exemplare fliegen bereits.
Die Union sorgt für Auftrieb und
der verteidigungspolitische Sprecher
der SPD im Bundestag, Rainer
Arnold, sagt: »Das ist ein Waffensystem,
dem die Zukunft gehört.
Auf längere Sicht wird an der
Anschaffung von bewaffneten
Drohnen kein Weg vorbeigehen.«
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 1. August 2012
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