Rechte des Parlaments bei der Entscheidung über Auslandseinsätze sollen "überprüft" werden
Bundestag will auf Antrag der Regierung eine 16-köpfige Kommission einsetzen - Sevim Dagdelen: "Kriegskommission"
Am 14. März 2014 hat der Bundestag in erster Lesung über einen Antrag der Regierungsfraktionen debattiert, eine 16-köpfige Kommission zur "Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr" einzusetzen. Die Kommission soll vor dem Hintergrund der fortschreitenden Bündnisintegration sowie der wachsenden Zahl und Bandbreite der Auslandseinsätze prüfen, ob das Parlamentsbeteiligungsgesetz von 2005 angepasst werden muss.
Innerhalb eines Jahres soll die Kommission konkrete Handlungsempfehlungen vorlegen. Inhaltlich soll es unter anderem um die Möglichkeit der "Abstufung der Intensität parlamentarischer Beteiligung unter voller Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" gehen.
Die Einsetzung der Kommission wird von Regierungskoalition und Opposition unterschiedlich bewertet. Interessant ist auch, dass der frühere Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (1992-1998) der Kommission vorstehen soll.
Lesen Sie im Folgenden zwei Beiträge dazu.
Rühes Comeback
Von Stefan Otto *
Volker Rühe sagt über sich, er sei immer schon ein Außenpolitiker gewesen – bereits in seiner Zeit als Bundesverteidigungsminister von 1992 bis 1998. Dem gebürtigen Hamburger geht es stets um die Wahrung der deutschen Interessen im Ausland: Die sieht der Christdemokrat unverändert am besten in der NATO vertreten. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts trat er dafür ein, die NATO so schnell wie möglich zu erweitern. Rühe wollte Fakten schaffen und interpretierte nebenbei seine Rolle als Minister neu: Der Günstling von Kanzler Kohl agierte quasi als Verteidigungsminister des Äußeren. »Unsere wirtschaftliche, technologische und finanzielle Leistungsfähigkeit lassen eine Selbstbeschränkung deutscher Außenpolitik nach dem alten Muster nicht mehr zu«, erklärte er bereits Anfang der 90er Jahre.
Für seine neue Aufgabe als Vorsitzender des Bundestagsgremiums über die Zukunft der »Parlamentsarmee« braucht sich der inzwischen 71-Jährige nicht zu verbiegen. Der Hanseat mit bisweilen harschem Tonfall passt bestens zum derzeit forschen Auftreten Deutschlands in der Welt. Die Kommission soll sich mit der Frage beschäftigen, ob der Bundestag bei jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr zustimmen muss. Faktisch könnte ein solches Gremium das Parlament in Teilen entmachten, kritisierte die Opposition und drohte mit einer Blockade, so dass über den Einsatz der Kommission weiterhin beraten wird.
Rühe galt in der CDU lange als einer, der das Zeug zum Kanzler hätte – bis im Jahr 2000 seine Politkarriere einen Knick erlitt: Erst scheiterte er als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein, dann gelang es ihm nicht, Wolfgang Schäuble als Parteivorsitzenden zu beerben. Es begann die Ära Merkel – ohne Rühe. Mit seiner Meinung hielt er aber weiterhin nicht hinterm Berg. Zuletzt beklagte er sich darüber, dass über die Wahrung der deutschen Interessen in der Welt kaum strategische Debatten geführt würden – »das ist völlig unterbelichtet«. Noch immer fühlt sich Rühe dazu berufen, in der Außenpolitik mitzureden.
* Aus: neues deutschland, Samstag, 15. März 2014
Kriegskommission
Neues Verfahren für Auslandseinsätze
Von Sevim Dagdelen **
Mehr Auslandseinsätze, weniger Parlamentskontrolle« – so läßt sich das Vorhaben der großen Koalition umschreiben, eine »Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr« einzurichten. Vor dem Hintergrund, mehr »Verantwortung« mittels Entsendung deutscher Soldaten übernehmen zu wollen, wird sich das geplante Gremium vor allem damit beschäftigen, wie in Zukunft die Parlamentsrechte beschnitten werden können. Tatsächlich hat die Entscheidungsgewalt des Deutschen Bundestages in der Vergangenheit nicht einen Auslandseinsatz verhindert. Allerdings war mit der Debatte im Bundestag immer ein Stück Öffentlichkeit verbunden.
CDU/CSU wie auch der SPD geht es jetzt darum, genau diese Öffentlichkeit möglichst zu begrenzen. Eine Debatte über weitere Auslandseinsätze scheint vor dem Hintergrund der ablehnenden Haltung eines Großteils der Bevölkerung unerwünscht. Der Versuch, das Parlamentsbeteiligungsgesetz auszuhebeln, ist nicht neu. Gerade für die Entsendung von sogenannten Spezialkräften oder auch die deutsche Beteiligung in internationalen Militärstäben von NATO und EU gilt dieses Gesetz schon jetzt nur eingeschränkt oder gar nicht. Und genau hier wollen die beiden Koalitionsfraktionen ansetzen. Dem Antrag zufolge geht es darum, »wie auf dem Weg fortschreitender Bündnisintegration und trotz Auffächerung von Aufgaben die Parlamentsrechte gesichert werden können«. Die Formulierung zeigt deutlich, daß das in Richtung Vorbehaltsmandat für integrierte EU- und NATO-Verbände wie AWACS, Lufttransportkommandos, integrierte Luftverteidigung, die deutsch-französische Brigade und die EU-Battlegroups gehen soll. Ein Vorbehaltsmandat würde eine Entsendung ohne Zustimmung des Bundestages beinhalten und dem Parlament lediglich ein Rückholrecht zubilligen.
Dieses Vorhaben von Sozial- und Christdemokraten läßt sich am besten so übersetzen: Erst schießen, dann fragen. Bei NATO- und EU-Kriegen verbleiben die Bundeswehrsoldaten dann wie im Fall Libyen einfach in den Kommandostäben. Ausbildungs- und Ausstattungsmissionen werden wie bisher nicht dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt werden. Die Kommission ist eine Kriegskommission. Die Devise lautet: Mehr Kriege, mehr Auslandseinsätze, weniger Parlamentskontrolle, weniger Öffentlichkeit. Es ist zudem konsequent, daß die Kommission vom früheren »Verteidigungsminister« Volker Rühe geleitet werden soll. Rühe war der Mann, der zwischen 1992 und 1998 mittels Salamitaktik auch SPD und Grüne an eine strategische Neuausrichtung der Bundeswehr, an die bedingungslose Akzeptanz von Auslandseinsätzen herangeführt hat.
** Die Autorin ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuß des Deutschen Bundestages und Sprecherin für Internationale Beziehungen der Linksfraktion.
Aus: junge Welt, Samstag, 15. März 2014
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