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Die Truppe füllt sich

Mehr Zulauf bei der Bundeswehr: Von der Leyen will Frauenquote einführen und marode Kasernen sanieren. Armee wirbt massiv in Schulen und Arbeitsagenturen

Von Susan Bonath *

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) freut sich über wachsenden Zulauf bei der Bundeswehr. Derzeit verfüge das Heer über rund 11.000 freiwillige Soldaten, sagte sie der Rheinischen Post (Montagausgabe). »Das ist der höchste Stand seit Jahren.« Vor allem wachse die Zahl weiblicher Einsteiger, jubelte sie. Als die Bundeswehr 2011 in eine Berufsarmee umgewandelt wurde, habe sie rund 3.500 Männer, aber nur 55 Frauen eingestellt. Zuletzt seien es zehnmal so viele Soldatinnen gewesen. Im Sanitätsdienst betrage der Frauenanteil bereits 50 Prozent. Dies sei eine gute Bilanz, so von der Leyen, »aber wir wollen mehr«. Die Ministerin kündigte an, eine Frauenquote einzuführen.

Damit die Soldaten nicht länger in maroden Kasernen wohnen müssen, will von der Leyen diese in den kommenden drei Jahren für 750 Millionen Euro sanieren lassen. Bei allen genutzten 2.500 Unterkunftsbauten bestehe »enormer Modernisierungsbedarf«. Im September seien 3.100 Sofortmaßnahmen angeschoben worden, »vom neuen Duschkopf bis zur dringenden Dachreparatur«.

Für mehr Freiwillige legt sich die Bundeswehr ins Zeug. Mit Werbetrucks, Musikkorps und »Karriereberatern« tourt sie übers Land. Sie rekrutiert Erwerbslose in Arbeitsagenturen und Jobcentern, ködert Nachwuchs in Schulen. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag vom Dezember 2014 (18/3290) führt die PR-Abteilung der Bundeswehr allein im ersten Quartal 2015 bundesweit 693 Werbeveranstaltungen durch. Dazu kommen 105 Auftritte des Musikkorps und 22 öffentliche Zeremonien, Zapfenstreiche und Gelöbnisse. Außerdem ist vom 19. bis 21. März ein »Karrieretreff« im niedersächsischen Minden geplant sowie vom 15. bis 20. März ein »Zentrales sicherheitspolitisches Seminar« in Berlin und Wien.

Die Zielgruppen sind Schüler und Erwerbslose. So sollen Karriereberater von Januar bis März in 231 Schulen zwischen Nordsee und Alpen Vorträge halten. Zudem werden Jugendoffiziere 28 ein- oder mehrtägige Seminare sowie 38 Simulationen zum Thema »Politik und internationale Sicherheit« in staatlichen Bildungseinrichtungen durchführen. Ferner sind im ersten Quartal 31 Schulklassenbesuche bei der Truppe vorgesehen. Beliebte »Ausflugsziele« sind unter anderem das Lufttransportgeschwader 62 Wunstorf, das taktische Luftwaffengeschwader 33 Büchel, die Einsatzflottille 1 in Kiel, die Sanitätsakademie München, aber auch Panzerbrigaden, Marinetechnikschulen sowie das Militärhistorische Museum Dresden.

Weiterhin sollen die Militärwerber in diesem Quartal auf 126 Berufsmessen und Ausstellungen auftreten. Die Bundesregierung führt 67 geplante »weitere personalwerbende Maßnahmen im Jugendmarketing außerhalb militärischer Liegenschaften« auf. Gemeint sind unter anderem Sport- und Kulturveranstaltungen, Ausbildungsbörsen und Berufsinformationstage.

Die finanzielle Not junger Erwerbsloser nutzt die Truppe ebenso. Laut Bundesregierung zielen 203 Auftritte in diesem Quartal auf diese Gruppe, davon 196 »Karriereberatungen« in Berufsinformationszentren (BIZ) der Bundesagentur für Arbeit (BA) und sieben in Jobcentern. Für Erwerbslose sind dies mitunter Pflichtveranstaltungen, deren Nichtbesuch zu Sanktionen führen kann. Eine Sprecherin der BA in Nürnberg erklärte auf jW-Nachfrage am Montag, dies sei Sache der Behörden vor Ort. »Vorgaben gibt es hier nicht.«

Daneben bietet das Militär diverse Zusatzeinkommen. So sucht die deutsche Onlinecastingagentur »castingpartner.de« derzeit »Statisten für NATO-Trainings«. Bewerbungsschluss ist der 5. März. Die Darsteller sollen laut Ausschreibung auf einem Truppenübungsplatz Dorfbewohner simulieren. »Der Kunde, die US-Army, bildet Soldaten im Umgang mit Zivilisten in Krisenregionen aus«, heißt es. In diesem Jahr seien Übungen vom 8. bis 15. April und 15. Mai bis 3. Juni sowie etwa zehn weitere geplant. Als »Gage« gibt es 85 bis 95 Euro pro Tag.

Laut Bundeswehr beteiligten sich im Januar 2.530 deutsche Soldaten an Einsätzen in Afghanistan, Usbekistan, Kosovo, Sudan, Libanon, Mali, Senegal, Somalia, Zentralafrika, in der Türkei und am Horn von Afrika, davon knapp 200 Frauen. Laut Mitteilung des Bundesverteidigungsministeriums vom 5. Januar wurden im vorigen Jahr 1.602 Soldaten nach Kriegseinsätzen wegen posttraumatischer Belastungsstörungen behandelt. 2004 waren es noch 100.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 27. Januar 2015


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