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Von der Leyen legt Zurückhaltung ab

Verteidigungsministerin will mehr deutsche Soldaten nach Afrika schicken / Kritik aus der Linkspartei

Von René Heilig *

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will eine stärkere Präsenz der Bundeswehr in Krisenregionen aus – »schon allein aus humanitären Gründen«.

»Wir können nicht zur Seite schauen, wenn Mord und Vergewaltigung an der Tagesordnung sind, schon allein aus humanitären Gründen«, sagt Ursula von der Leyen in einem Interview des »Spiegel« und redet erweiterten Bundeswehreinsätzen das Wort.

»In Zentralafrika entfaltet sich ein blutiger Krieg zwischen Christen und Muslimen. Wir können nicht zulassen, dass der Konflikt die ganze Region in Flammen setzt«, so die CDU-Politikerin. Daher kann sich die Ministerin vorstellen, dass die Bundeswehr einen Lazarett-Airbus zur Verfügung stellt, um verwundete Soldaten aus Zentralafrika zu evakuieren.

Zudem hält die Inhaberin der Kommandogewalt im Frieden auch eine Aufstockung des deutschen Truppenkontingents in Mali auf bis zu 250 Soldatinnen und Soldaten für möglich. Derzeit liegt die Mandatsobergrenze bei 180 Mann, 99 Soldaten sind vor Ort. »Dieses Engagement könnten wir verstärken, das erwarten auch unsere Verbündeten, allen voran die französische Regierung.«

Eine Politik der militärischen Zurückhaltung kommt für von der Leyen nicht in Frage. »Europa kommt im Spiel der globalen Kräfte nicht voran, wenn die einen sich immer dezent zurückhalten, wenn es um militärische Einsätze geht, und die anderen unabgestimmt nach vorne stürmen.« Auf die Frage, ob Deutschland mehr internationale Verantwortung übernehmen müsse, sagte sie: »Im Rahmen unserer Bündnisse, ja.«

Sie rechtfertigte ihre Forderungen nach mehr Einsätzen in Afrika mit europäischen Interessen. »Afrika ist unser direkter Nachbar, an der Meerenge von Gibraltar liegen die Kontinente nur 14 Kilometer voneinander entfernt.« Eine Destabilisierung Afrikas habe für Deutschland gravierende Folgen. Auch wirtschaftliche Gründe machte die Ministerin geltend. »Ein boomendes Afrika ist eine Chance, gerade für ein Land mit einer so starken Exportwirtschaft.«

Bei den Einsatzplanern im Verteidigungsministerium herrscht Sorge, dass man erneut in einen Kampfeinsatz stolpern könne. Ein Beginn könne darin bestehen, dass die Bundeswehr neben der laufenden Pionier-Ausbildung und dem Feldlazarett zusätzliche Schutzaufgaben in Mali übernimmt. Die offiziellen Äußerungen nach der Regierungsklausur in der vergangenen Woche blieben zu solchen Gerüchten unscharf.

Der LINKEN-Abgeordnete Jan van Aken kommentierte auf Twitter, es habe »ja nur einen Monat gedauert, bis aus der Familien- eine Kriegsministerin wurde«. In Wahrheit gehe es »um geostrategische Interessen und den Zugriff auf Rohstoffressourcen«, merkte Akens Parteifreundin, die Verteidigungspolitikerin Katrin Kunert an: »Humanitäre Hilfe sieht anders aus!« Ihre Partei fordere statt EU-Militäreinsätzen »ein europäisches Friedenskorps, welches mit friedlichen Mitteln humanitäre Hilfe vor Ort leistet und in Krisen vermitteln kann«.

* Aus: neues deutschland, Montag, 27. Januar 2014


Mehr Soldaten ins "boomende Afrika"

Deutsche Exportwirtschaft soll Nutznießer der Bundeswehreinsätze sein **

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gab gegenüber dem Nachrichtenmagazin Spiegel die neue Marschrichtung der Bundeswehr vor und begründete sie im selben Atemzug: »Ein boomendes Afrika ist eine Chance, gerade für ein Land mit einer so starken Exportwirtschaft wie Deutschland.« Die Einsätze im Süden sollen aber den Anstrich humanitärer Hilfe haben. Man könne bei »Mord und Vergewaltigung« nicht wegschauen, so die Ministerin mit Blick auf die Konflikte in Zentralafrika und einen möglichen deutschen Einsatz.

Von der Leyen setzte sich in dem Interview klar von der Linie des früheren Außenministers Guido Westerwelle ab, der für eine Politik der militärischen Zurückhaltung plädiert hatte. »Europa kommt im Spiel der globalen Kräfte nicht voran, wenn die einen sich immer dezent zurückhalten, wenn es um militärische Einsätze geht, und die anderen unabgestimmt nach vorne stürmen.« Auf die Frage, ob Deutschland mehr internationale Verantwortung übernehmen müsse, sagte sie: »Im Rahmen unserer Bündnisse, ja.« Von der Leyen erklärte weiter, sie wolle, daß die Bundeswehr einen Lazarett-Airbus (MedEvac) zur Verfügung stellt. Sie erwägt auch eine Aufstockung des deutschen Truppenkontingents in Mali auf 250 Soldaten. Momentan liegt die Mandatsobergrenze bei 180. Die Verbündeten, allen voran die französische Regierung, würden das erwarten.

Zudem soll es im Rahmen der neuen Afrika-Strategie dort künftig mehr Entwicklungshelfer geben. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte der Bild am Sonntag: »Wir werden in den nächsten Monaten ein neues entwicklungspolitisches Konzept ausarbeiten. Deutschland wird sich noch mehr auf Afrika konzentrieren als bisher schon.« Für Müller verfolgen Entwicklungshelfer und Soldaten »die gleiche Zielsetzung mit unterschiedlichen Instrumenten, die sich ergänzen«.

** Aus: junge welt, Montag, 27. Januar 2014


Leyen-Safari

Von René Heilig ***

»Wir können nicht zur Seite schauen, wenn Mord und Vergewaltigung an der Tagesordnung sind«, sagt die Verteidigungsministerin. Oh doch, wir können es nicht nur – Deutschland tut es, Tag für Tag in vielen Regionen der Welt. Was freilich kein Grund sein darf, dort Menschen Hilfe zu verweigern, wo wir helfen können. Also: Mehr Bundeswehr nach Mali und Zentralafrika?

Selbst wenn man Militärinterventionen – sprich Kriege – für das richtige humanitäre Mittel halten sollte, muss man doch klar deren Auftrag und Ziel benennen, bevor man Soldaten in Marsch setzt und den Feuerbefehl erteilt. Von der Leyen sagt, Frankreich erwartet Unterstützung. Und weiter? Was haben wir mit postkolonialen Träumen unserer Nachbarn zu schaffen? Sie fürchtet, dass bei einem deutschen Zögern andere Krieg führen – ohne Bundeswehr. Gibt's absurdere Argumente?

Die Ministerin selbst verbindet eine deutsche Afrika-Stabilitätssafari mit wirtschaftlichen Erwägungen. Dabei denkt sie gewiss nicht daran, dass Mali einer der größten Baumwollproduzenten Afrikas ist. Auf der Website des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung liest man lohnendere Gründe: »Wichtigstes Exportgut ist inzwischen Gold... Im Norden des Landes wird nach Erdöl und Erdgas gesucht. Weitere Rohstoffe, die in Mali vorkommen, sind Kalk, Phosphat, Marmor und Diamanten. Sie werden jedoch noch kaum gefördert.«

Manch einer mag sagen, solche Überlegungen sind nur doppelt linke Politfolklore. Na und? Lieber einmal mehr nachdenken, als in ein neues Afghanistan zu treiben.

*** Aus: neues deutschland, Montag, 27. Januar 2014 (Kommentar)


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