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Frauen an der Front? Wegtreten!

Zehn Prozent der Bundeswehrsoldaten sind weiblich – aber nicht gleichberechtigt

Von René Heilig *

Die Verteidigungsministerin besuchte am Montag die Kommandosoldaten der Bundeswehr in Calw. Sie war zu Gast im frauenfreien Raum.

In der Bundeswehr dienen derzeit rund 18 600 Frauen als Berufs- und Zeitsoldatinnen. Das sind rund zehn Prozent der Truppe. Hinzurechnen kann man annähernd 34 000 weibliche Zivilbeschäftigte. Dass die Bundeswehr trotz aller Bemühungen seit der Jahrhundertwende eine Männerdomäne geblieben ist, lässt sich nicht leugnen. Geradezu extrem zeigt sich das in Calw, wo die Bundeswehr das Kommando Spezialkräfte (KSK) stationiert hat. Für die Elite der Elite taugen Frauen nicht – heißt es seit 18 Jahren. Obwohl es Bewerbungen gab, hat es noch keine Soldatin geschafft, in den Kreis der Kommandosoldaten aufgenommen zu werden. Warum? Weil die physischen Anforderungen einfach zu groß sind, lautet die 08/15-Antwort.

Auch wenn sie im Großen und Ganzen stimmen mag, galt das offenbar nicht für eine Bewerberin, die 2012 den sechs Monate andauernden Test zur Aufnahme in den Männerclub erfüllt hat – und dann plötzlich in ihrer alten Einheit, einem Bataillon für elektronische Kampfführung, unabkömmlich war. Das jedenfalls berichtet der Wehrbeauftragte des Parlaments.

Für jedes negative Beispiel lässt sich auch das Gegenteil finden. Und vorführen. In Gestalt von Oberleutnant Schmidt, Laura Schmidt. Sie dient in einer Fallschirmjägereinheit, ist also auch »ein harter Kerl«. In der vergangenen Woche trat sie bei einem Symposium an der Hamburger Führungsakademie auf und beschrieb ihren Weg zur Akzeptanz.

Vorurteile habe es jede Menge gegeben. Doch sie kämpfte, um die hohen Anforderungen an Psyche und Fitness zu erfüllen, trainierte so hart, dass sie in der Spitzengruppe der männlichen Soldaten mithalten konnte. »Um 180 Grad« habe sich da das Verhältnis gedreht, sagt Frau Oberleutnant.

So ein Bericht macht sich gut auf einem Symposium, auf dem ein eklatanter Widerspruch zwischen dem immer wieder propagiertem Ziel und der Wirklichkeit offenbar wird. Die Studie »Truppenbild ohne Dame« des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, die Grundlage des Symposiums war, mache ihr keine Angst, sagte Ursula von der Leyen (CDU). Aber Sorgen macht sie sich sicher, denn sie konstatiert ein »eingetrübtes Integrationsklima«.

In die Fragebogenuntersuchung des Bundeswehrzentrums waren 14 500 Soldaten und Soldatinnen involviert. Auf 80 Seiten findet sich nur wenig, das die positiven Erfahrungen von Oberleutnant Schmidt stützt und auf eine Verbesserung des Integrationsklimas schließen lässt. Allenfalls allgemeine Antworten von Befragten lassen auf eine Trendwende hoffen. 2005 erwarteten 61 Prozent der Männer eine Zunahme von Problemen im dienstlichen Alltag, wenn Frauen in großer Anzahl in die Truppe kommen. 2011 waren es nur sechs Prozent weniger Männer, die diese Annahme teilten.

Dabei wollen die uniformierten Frauen richtig mittun bei der neuen Art der globalen Vorwärtsverteidigung. Sie dienen längst nicht mehr nur in Vorzimmern oder im Sanitätsdienst. Sie sind in den Kampftruppen ebenso zu finden wie bei den Feldjägern. Sie warten nicht nur Flugzeuge und Hubschrauber, sie fliegen sie auch. Seit April gibt es die erste Wachoffizierin auf einem deutschen U-Boot.

Der Prozentsatz jener Frauen, die für eine aktive Außenpolitik Deutschlands plädieren, hat von 45 auf 57 Prozent zugenommen und nähert sich – laut Studie – dem Niveau der Männer an. 65 Prozent der befragten Frauen sind der Ansicht, dass militärische Gewalt zur Durchsetzung nationaler Interessen bisweilen notwendig ist. 2005 war nur jede zweite befragte Frau dieser Meinung.

So wie Laura Schmidt es schilderte, verhält sich die Masse der männlichen Soldaten. Sie glauben zu einem Gutteil, dass Frauen »dem harten Leben im Feld« nicht gewachsen sind. 2005 votierten 28 Prozent in dieser Weise, 2011 waren es schon 34 Prozent. Die Frage ist, welchen Einfluss die Erfahrungen »im Felde«, also vor allem die Auslandseinsätze haben? Zumal die Studie »Truppenbild ohne Dame?«, die zur Grundlage der Hamburger Debatte genommen wurde, nicht den Anspruch erheben kann, taufrisch zu sein.

Dass Frauen körperlich anspruchsvollen Funktionen nicht gewachsen sind, meinen 52 Prozent der Männer. Das sind acht Prozent mehr als 2005. 36 Prozent sprechen sogar von einem Verlust an militärischer Kampfkraft durch die Integration von Frauen. Fazit: Die Bundeswehr – so sagen 57 statt wie zuvor 52 Prozent der uniformierten Männer – entwickelt sich durch die Integration von Frauen zum Schlechteren. Waren 2005 noch 83 Prozent der Meinung, man könne mit den Soldatinnen gut zusammenarbeiten, so waren es 2011 noch 77 Prozent.

22 Prozent beantworten die Frage nach Frauen in Vorgesetztenpositionen negativ. Das bestätigte sich auch in der Debatte an der Führungsakademie. Von den über 4200 Soldaten, die seit 2005 dort den Stabsoffizier-Lehrgang absolvierten, waren lediglich knapp 100 Frauen. Auch die Lehrgänge zur Vorbereitung auf den General- und Admiralstabsdienst sind bis auf wenige Ausnahmen männlich belegt. Kein Wunder also, dass fast jeder zweite von den Bundeswehr-Sozialwissenschaftlern Befragte sicher ist, dass die Integration von Frauen in die Streitkräfte noch großer Anstrengungen bedarf.

Doch es gibt, wie die Verteidigungsministerin in ihrem Grußwort an das Symposium deutlich machte, keine Alternative. Von der Leyen schlug einen weiten Bogen zwischen den Folgen des demografischen Wandels bis hin zur Notwendigkeit, den Dienst in den Streitkräften attraktiver zu machen. Die Integration von Frauen in die Truppe sei dabei ein entscheidendes Element: »Eine Bundeswehr, die nicht fähig ist, gleiche Chancen für alle zu bieten, wird irgendwann auch die Akzeptanz in der Gesellschaft verlieren.« Und was wäre verheerender für die praktizierte deutsche Außen- und Sicherheitspolitik?

* Aus: neues deutschland, Dienstag 15. Juli 2014


Allzeit bereit zum Auslandseinsatz

In der Debatte um mehr »deutsche Verantwortung« erhält Bundespräsident Joachim Gauck Unterstützung aus dem Umfeld der Grünen

Von Aert van Riel **


Bundespräsident Gauck ist in seinen Ausführungen über eine künftige deutsche Außenpolitik bisher wenig konkret geworden. Klare Vorstellungen werden nun in der Heinrich-Böll-Stiftung formuliert.

Wenn sie über Ralf Fücks berichten, sind bei überregionalen Zeitungen beschäftigte Journalisten zumeist voll des Lobes. Als »Vordenker der Grünen« wird er in der »taz« bezeichnet. Die »Welt« sieht in Fücks einen der »letzten Intellektuellen der Grünen«. Auch wenn er kein führendes politisches Amt mehr bekleidet, hat Fücks als Vorstand der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Entwicklung seiner Partei.

In den vergangenen Wochen galt das Interesse des ehemaligen Kommunisten und studierten Sozialwissenschaftlers vor allem der Außenpolitik und Debatten, die Joachim Gauck mit seiner Forderung, Deutschland müsse mehr internationale Verantwortung übernehmen, angestoßen hatte. Für Fücks steht außer Frage, dass der Bundespräsident recht hat. Auf der Website der Heinrich-Böll-Stiftung heißt es über eine Diskussion, die vor kurzem im Berliner Haus der Stiftung stattfand, dass dort alle Podiumsgäste der Meinung gewesen seien, dass »die Bundesrepublik künftig mit einem klaren Bekenntnis zum westlichen Bündnis nicht nur militärisch handlungsfähiger werden, sondern ihren gesamten außenpolitischen Werkzeugkasten sehr viel engagierter nutzen« müsse. Aus Gaucks unklaren Äußerungen wurde somit eine Anleitung zum konkreten Handeln abgeleitet: Deutschland müsse in der NATO verlässlich und öfter bereit für Auslandseinsätze sein. Auf dem Podium der Stiftung saßen neben Politikwissenschaftlern und Journalisten aus Polen, Frankreich und den USA, Ralf Fücks, der Historiker Heinrich August Winkler, Mitglied der SPD, sowie Grünen-Chef Cem Özdemir.

In den 90er Jahren wurde erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder militärische Gewalt zum Mittel deutscher Außenpolitik. Die Grünen, einst Heimat für Pazifisten, spielten hierbei eine wichtige Rolle. Sie unterstützen 1999 als Regierungspartei den völkerrechtswidrigen Krieg der NATO gegen Jugoslawien. Fücks sprach rückblickend von einer »einschneidenden Entscheidung«. Doch kurz danach mehrten sich die Zeichen, dass der »progressiven« Entwicklung der deutschen Außenpolitik eine erneute »Regression« folgen könnte, so Fücks.

Nun sieht er trotz der Bundeswehreinsätze in Asien, Afrika und Südosteuropa eine beklagenswerte deutsche Zurückhaltung. Aus Sicht von Fücks ist offenbar noch mehr möglich. Von seinen Gästen erhielt er hierfür viel Zustimmung. Der Historiker Winkler bezeichnete die Entscheidung der schwarz-gelben Bundesregierung gegen die Beteiligung an der Bombardierung Libyens durch die NATO als »undurchdacht«. Deutschland hatte sich in dieser Frage vor drei Jahren im UN-Sicherheitsrat enthalten. Winkler beklagte, dass sich Berlin gegenüber den westlichen Bündnispartnern USA, Frankreich und Großbritannien isoliert habe.

Ähnlich bewertete Fücks aktuelle Diskussionen. Er berichtete über einen Besuch in Polen, bei dem quer über das politische Spektrum »erhebliche Irritation« darüber geherrscht habe, dass die aufgrund des Konflikts in der Ukraine erfolgte Verlegung von zusätzlichen NATO-Truppen an die polnische Ostgrenze in der deutschen Debatte als »Säbelrasseln« abgetan werde.

Eine Ursache dafür, dass sich die deutsche Politik zuweilen schwertut, militärischen Aktionen zuzustimmen, ist die verbreitete Skepsis innerhalb der deutschen Bevölkerung. Die Ablehnung von Militäreinsätzen der Bundeswehr ist seit Mitte der 90er Jahre gewachsen. Besonders der Kampfeinsatz in Afghanistan ist hierzulande unpopulär und wird inzwischen auch von einigen Grünen deutlich abgelehnt. In der Diskussion der Böll-Stiftung überwog hingegen ein anderer Tenor. Winkler warnte gar von einem neuen »pazifistischen Sonderweg« Deutschlands.

Ein Satz, den sicherlich auch Gauck unterzeichnen würde. Deutschland müsse manchmal auch »zu den Waffen greifen«, hatte er vor kurzem verlangt. Den Zusatz, dass dies nur gilt, wenn es darum geht, Menschenrechte zu schützen, vergaßen weder das Staatsoberhaupt in einem Medieninterview noch die Diskutanten im Haus der Böll-Stiftung. Sie wissen, wer ehrlich ist wie der einstige Bundespräsident Horst Köhler und Militäreinsätze mit der Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen in Verbindung bringt, dessen politische Karriere kann sehr schnell vorbei sein.

** Aus: neues deutschland, Dienstag 15. Juli 2014


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