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Käufer gesucht – Bundeswehr will nicht mehr benötigte Waffensysteme loswerden

Ein Beitrag von Christoph Rasch in der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" *


Andreas Flocken (Moderation):
Durch die Bundeswehrreform werden die Streitkräfte verkleinert, auf bis zu 185.000 Soldaten. Damit werden jedoch auch weniger Waffensysteme benötigt als ursprünglich einmal geplant. Was aber tun mit dem überschüssigen Militärgerät? Christoph Rasch ist dieser Frage nachgegangen:



Manuskript Christoph Rasch


Atmo A400M auf Rollfeld

Ein Prototyp des Militärtransporters A400M bei der Landung in Malaysia. Das neue Flugzeug ist auf Verkaufs-Tournee: Freundlich empfangen hohe Luftwaffen-Offiziere des asiatischen Landes die Hersteller-Vertreter von „Airbus Military" - und loben die Maschine für einen Werbefilm.

O-Ton (overvoice)
„Im Cockpit ist es sehr still und die Maschine reagiert sehr gut auf alle Lenkmanöver, gar nicht schwerfällig. Das fühlt sich fast so an, als würde man einen Kampfjet steuern."

Malaysia ist ein Beispiel dafür, dass Airbus verstärkt den Kontakt zu neuen Kunden sucht, auch außerhalb von EU und NATO-Staaten. Denn die wollen weniger Maschinen kaufen, als ursprünglich bestellt: Die Bundeswehr etwa hat für die neue Luftwaffenstruktur nur noch 40 Transportflugzeuge eingeplant. Ursprünglich hatte die Truppe mal 60, zuletzt dann 53 Stück bei Airbus geordert. Was passiert nun mit den 13 „überschüssigen" Maschinen? An der Bestell-Vereinbarung zwischen dem Flugzeug-Hersteller und der Bundeswehr habe sich nichts geändert, sagt Airbus-Sprecher Florian Seidel:

O-Ton Seidel
„Der aktuelle Auftrag, den wir von der Bundesregierung erhalten haben, ist über 53 Maschinen - und die nächste Auslieferung wird Ende 2014 stattfinden."

Für die weitere Verwendung der Maschinen - also auch einen möglichen Weiterverkauf - sei allein die Bundeswehr zuständig. Dass die Bundeswehr überschüssiges Gerät quasi aus „Zweiter Hand" weiterverkauft, ist im Prinzip nichts Ungewöhnliches: Über eine Verwertungs-Agentur namens VEBEG bietet die Truppe einerseits „zivile“ Güter wie Kraftfahrzeuge, Motoren oder ausgemusterte Bekleidung an. Doch auch Kriegswaffen landen auf dem Gebrauchtmarkt, teilt das zuständige Amt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr mit:

Zitat
„Es besteht die Möglichkeit einer sogenannten Länderabgabe des entsprechenden Gerätes durch die Bundesrepublik Deutschland an Partnernationen – oder ein Rückkauf durch den Hersteller, der das Gerät seinerseits weiter verwertet oder verkauft.“

Könnte das auch für nagelneue, aber nicht mehr benötigte A400M-Maschinen, Tiger-Kampfhubschrauber oder ebenfalls reduzierte Eurofighter-Kontingente gelten? Theoretisch ja, schreibt der Bundeswehr-Sprecher - aber:

Zitat
„Dieses Szenario von möglicherweise überschüssig produziertem, aber noch nicht an die Bundeswehr ausgeliefertem Gerät tritt üblicherweise nicht ein, da Stückzahlen vor dem Abschluss der Produktion reduziert werden und somit eine Überproduktion vermieden wird.“

Offiziell setzt die Bundeswehr also darauf, dass Lieferverträge und Produktionsabläufe bei Airbus entsprechend angepasst werden. Vom Flugzeughersteller aber heißt es: Der bisherige Produktionsplan gelte nach wie vor. Was also, wenn Deutschland tatsächlich in den kommenden Jahren gerade bestellte Waffensysteme - vor allem Fluggeräte - auf dem weltweiten „Zweitmarkt" für Rüstungsgüter anbieten muss?

O-Ton Brzoska
„Ich befürchte, dass das nicht so leicht wird. Denn die Nachfrage nach gebrauchten Systemen ist beschränkt. Und gerade die Systeme, die die Bundeswehr jetzt in kleinerer Stückzahl beschaffen will, sind relativ teure Systeme...“

...glaubt Professor Michael Brzoska vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik. Außerdem, so Brzoska, würden einige technische Besonderheiten der Bundeswehr-Geräte ihren Wert auf dem Gebrauchtmarkt mindern:

O-Ton Brzoska
„Man weiß ja, dass die Bundeswehr beim Eurofighter eine etwas abgespeckte Version bestellt hat, auch aus Kostengründen, die vor allem als Jagdflugzeug geeignet war. Der Tiger, der Panzerabwehr-Hubschrauber, ist ja speziell für Deutschland mit einem Mastvisier ausgestattet worden – hat aber nicht die flexible Maschinenkanone, die französische Hubschrauber haben. Auch das ist etwas, das Kunden nicht als so interessant ansehen.“

Brzoska glaubt deshalb: Im Fall eines Weiterverkaufs könne die Bundesrepublik kaum mit akzeptablen Preis-Angeboten rechnen. Auch frühere Verkaufsbemühungen, etwa für nicht mehr benötigte Transporthubschrauber vom Typ NH-90, seien laut Medienberichten ohne Erfolg geblieben. Und der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, kritisiert:

O-Ton Nouripour
„Es gibt überhaupt keine Anreize mehr für den echten Verkauf, sondern man weiß ja, dass das Geld sowieso vom deutschen Steuerzahler bezahlt wurde..."

...und der trägt auch das Risiko, wenn ein wirtschaftlicher Weiterverkauf der milliardenschweren Waffentechnik scheitern sollte - und die Bundeswehr darauf „sitzenbleibt". Eigentlich ist der Bund laut Haushaltsrecht verpflichtet, noch brauchbares Material möglichst gewinnbringend zu verkaufen - doch oft ist das Gegenteil der Fall, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt.

Die Situation nach dem Ende des Kalten Krieges: Anfang der 90er Jahre rüsteten die Armeen in ganz Europa ab, die Bundeswehr musste damals auch übernommene Altbestände der Nationalen Volksarmee aus der DDR loswerden. Weltweit war das Angebot größer als die Nachfrage. Die Folge: Eine wahre Rabattschlacht auf dem Rüstungsmarkt, sagt Sicherheits-Experte Michael Brzoska:

O-Ton Brzoska
„Damals hat man in großer Menge alles Mögliche abgegeben: Panzer, Kampfflugzeuge, Kleinwaffen, Kriegsschiffe – und hat eigentlich relativ wenig Geld dafür erwirtschaften können.“

Die Deutschen lieferten damals massenhaft Kalaschnikow-Sturmgewehre in die Türkei, abgerüstete deutsche Kriegsschiffe zum Sonderpreis nach Indonesien - und verschickten 50 Alphajet-Kampfflugzeuge nach Portugal, sogar kostenlos. Die Bundeswehr hat damals viele Waffensysteme verschenkt - weil das immer noch günstiger war, als eine aufwändige Verschrottung. Und: Es war politisch gewünscht - teilweise auch mit laxeren Export-Richtlinien als heute. Ägypten etwa bekam zur Zeit des ersten Golfkriegs gleich 40 alte NVA-Schützenpanzerwagen inklusive ABC-Schutz.

Anfang der 90er Jahre machte der Gebrauchtmarkt knapp die Hälfte des gesamten weltweiten Rüstungshandels aus - heute liegt dieser Anteil deutlich unter einem Drittel, bei einem Gesamtvolumen von mehr als 400 Milliarden Euro. Für den Bund sind die „Second-Hand-Geschäfte" noch immer wichtig: Erst im Frühjahr verkaufte man 34 gebrauchte Flugabwehr-Panzer vom Typ „Gepard" an Brasilien, Chile hat mehr als 170 Leopard-2-Panzer erworben. Insgesamt hat die Bundesrepublik seit 1997 mehr als 2.000 Gebrauchtpanzer unterschiedlichster Bauart weiterverkauft. Für den Rüstungsexperten Brzoska sind das auch „Türöffner"-Geschäfte für spätere Deals.

O-Ton Brzoska
„Ich denke, man kann für den Panzer-Export zeigen, dass die alte Regel, die früher galt, nämlich dass komplette Kampfpanzer nicht außerhalb der NATO geliefert werden, zunächst gelockert worden ist für gebrauchte Systeme, südamerikanische Länder, und dann erst für neue Systeme. Wir sprechen ja jetzt über Exporte von neuen Leopard-Panzern nach Katar und nach Saudi-Arabien.“

Allein im ersten Halbjahr exportierte Deutschland Waffen im Wert von 817 Millionen Euro in die arabischen Golfstaaten - an Länder also, in denen Menschenrechtslage und strategische Interessen oft fragwürdig seien, kritisiert Verteidigungspolitiker Omid Nouripour von den Grünen. Er fürchtet: Der Druck, teure Waffensysteme schnell weiterverkaufen zu müssen, könnte jetzt wachsen.

O-Ton Nouripour
„Am allerwenigsten geht aber, dass man dies jetzt zum Anlass nimmt, um in Staaten Geräte zu exportieren, in die man eigentlich nicht exportieren darf, weil die Exportrichtlinie der Bundesregierung glasklar sagt, dass in Krisenregionen – oder aber in Länder, in denen die Menschenrechte verletzt werden - keine Waffen geliefert werden dürfen.“

Allein die Türkei hat laut Stockholmer Friedensforschungs-Institut SIPRI mehr als 50 Leopard 2-Panzer gekauft, der Stadtstaat Singapur sogar 168, für gerade einmal 39 Millionen Euro. Weitere 120 Leopard-Panzer aus Altbeständen sollen aktuell für den Weiterverkauf bereitstehen. Fakt ist: Die günstigen Gebrauchtpanzer sind ein Exportschlager der Bundeswehr.

Bei neuen Waffensystemen wie dem A400M dürfte ein Weiterverkauf durch die Bundeswehr ungleich schwerer sein. Denn auch andere Abnehmerstaaten wie Spanien oder Frankreich prüfen derzeit, ihre nicht mehr benötigten A400M-Maschinen für den Export auf dem Gebrauchtmarkt freizugeben. Experten befürchten: Das Sparkonzert der europäischen Streitkräfte könnte ähnlich wie bei der Abrüstungswelle am Ende des Kalten Krieges zu Überangebot und Preisverfall führen.

Atmo A400M auf Rollfeld

Für den A400M jedenfalls gilt Malaysia bisher als einziger ernstzunehmender Exportkunde außerhalb Europas. Vier Maschinen will das Land kaufen - und zwar direkt bei Airbus. Der Flugzeug-Hersteller dürfte sein neues Transportflugzeug in den kommenden Jahren weltweit stärker denn je in Eigenregie vermarkten. Auch diese Konkurrenz dürfte es der Bundeswehr schwer machen, ihre überschüssigen Maschinen ebenfalls zu einem vernünftigen Preis wieder loszuwerden.

* Aus: NDR Info STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN, 19. Oktober 2013; www.ndr.de/info


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