Im Geiste der Tradition
Sanitätsakademie der Bundeswehr huldigt Wehrmachtsoldaten
Von Roland Lory *
Das leidige Thema Bundeswehr und
Traditionspflege kann um eine weitere
bemerkenswerte Episode ergänzt
werden. Der zentrale Hörsaal der Sanitätsakademie
in München wurde
nach Hans Scholl benannt. Doch
gleich ein paar Meter weiter würdigt
man Ritterkreuzträgern der Wehrmacht
an einer Gedenkwand.
München. Ernst Gadermann ist ein Name, der in die Wand eingeritzt
ist. Der Arzt wurde 1944 mit
dem Ritterkreuz des Eisernen
Kreuzes ausgezeichnet. Die Person
Gadermanns ist eng verbunden
mit der des Kampffliegers Hans-
Ulrich Rudel. Die NS-Propaganda
stilisierte den höchst dekorierten
Soldaten der deutschen Wehrmacht
zur Legende. Als Rudel abgeschossen
und verwundet wurde,
rettete ihm sein Mitflieger Gadermann
das Leben. »Als Frontkämpfer
und Kriegshelden wurde
ihm das Ritterkreuz verliehen –
nicht für seine Tätigkeit als Arzt«,
betont Jakob Knab, Sprecher der
Initiative gegen falsche Glorie.
1972 war Gadermann sportmedizinischer
Leiter der Olympischen
Spiele in München. Auch
Hans-Joachim Schulz-Merkel ist
an der Gedenkwand verewigt, die
es seit rund 30 Jahren gibt. Dem
Mediziner wurde 1943 das Ritterkreuz
angeheftet. Schulz-Merkel
hatte unter den Frontsoldaten als
»Panzerdoktor« einen legendären
Ruf. Nach dem Zweiten Weltkrieg
war Schulz-Merkel Leiter des Gesundheitsamts
Marktoberdorf.
Für Gadermann und Schulz-
Merkel gilt laut Knab nicht der
Spruch von Peter Bamm (Kasernenpatron
in Munster), dass über
dem Sanitätsdienst und den Lazaretten
an der Ostfront die »unsichtbare
Flagge der Humanität«
wehte. Ins Bild passt, dass Wehrmachtsnostalgiker
auf einschlägigen
Internetseiten diese Ritterkreuzträger
verehren. Knab hat
eine klare Meinung: Er bezeichnet
Örtlichkeiten, die an »Kriegshelden
« der Wehrmacht erinnern, als
»Andachtsräume für Ewiggestrige
«. Angeblich soll die Gedenkwand
auch in der Führung der Sanitätsakademie
für Bauchschmerzen
sorgen. Folgt man dem nach
wie vor gültigen Traditionserlass
der Bundeswehr aus dem Jahr
1982, dann dürfte es solche Gedenkwände
freilich überhaupt
nicht mehr geben. »Ein Unrechtsregime,
wie das Dritte Reich, kann
Tradition nicht begründen«, heißt
es da.
Große Aufregung
Größere Aufregung wurde der Gedenkwand
zuteil, nachdem das
Auditorium Maximum der Akademie
nach Hans Scholl benannt
wurde, der in der Wehrmacht als
Sanitätsfeldwebel Dienst tat. Die
Tafel wurde für diese Zeremonie
abgehängt. Bisher trug weder eine
Kaserne, Liegenschaft oder Straße
den Namen eines Weiße Rose-Mitglieds.
Bei den Widerständlern
fand die Bundeswehr bis dato vornehmlich
die Männer des 20. Juli
traditionswürdig. Generell ist es
jedoch auch heute noch so, dass
einige fragwürdige Gestalten als
Kasernenpatron dienen. Hier ist
etwa Rudolf Konrad zu nennen, ein
hitlertreuer General und bekennender
Antisemit. Die Truppenunterkunft
in Bad Reichenhall
trägt seinen Namen, wird aber
demnächst umbenannt. Es gehe
nicht darum, Scholl »für die Bundeswehr
zu vereinnahmen, sondern
an sein großartiges Erbe anzuknüpfen
«, erklärte Kommandeur
und Oberarzt Stephan
Schöps.
Einspruch von rechts
Freilich muss es massive Widerstände
gegen die Ehrung gegeben
haben. Traditionalistenkreise
machten anscheinend hinter den
Kulissen mobil, als die Namensgebung
nach Scholl publik wurde.
Eine Benennung der gesamten
Akademie nach ihm, wie es Knab
und der Militärhistoriker Detlef
Bald vor ein paar Jahren anregten,
erwies sich als aussichtslos. So
hatte sich etwa der Ältestenrat des
rot-grün dominierten Münchner
Stadtrats 2010 dagegen ausgesprochen.
Knab glaubt, dass die
Ehrung Scholls das Ende der Gedenkwand
einläuten wird.
Übrigens hat der Bayerische
Soldatenbund 1874 e.V. dieselbe
Adresse wie die Sanitätsakademie,
die in der Ernst-von-Bergmann-
Kaserne zu Hause ist. Der Verein,
den Knab als völkisch-reaktionär
einstuft, unterhält dort sein Generalsekretariat.
Der Soldatenbund
ist nach eigener Darstellung mit
etwa 80 000 Mitgliedern die größte
Gemeinschaft ehemaliger Soldaten
in Deutschland. Auch ehemalige
Wehrmachtsangehörige
zählen dazu. Präsident ist Generalmajor
a. D. Jürgen Reichardt,
der 1996 den »kriegerischen
Geist« der Fallschirmjäger rühmte.
Vom Verteidigungsministerium
waren bislang keine Auskünfte zu
bekommen. Etwa dazu, wie Scholl
und die Gedenkwand zusammenpassen
und ob man plane, sie zu
entfernen.
* Aus: neues deutschland, Montag, 30. April 2012
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