Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Gebirgsjäger ohne Wanderführer

Umstrittener Militärsachverständiger Klaus Hammel tritt "aus Altersgründen" ab

Von Stephan Stracke *

Die Bundeswehr muss für ihre »militärhistorischen Wanderungen« ab sofort auf den 69-jährigen Oberst a. D. Klaus Hammel verzichten. Das teilte in der vergangenen Woche das Bundesverteidigungsministerium auf eine Kleine Anfrage von Ulla Jelpke (DIE LINKE) mit.

Hammel leitet seit mehreren Jahren eine »militärhistorische Geländebesprechung«, bei der Bundeswehrsoldaten auf den Spuren des Ersten Weltkrieges durch die Dolomiten wandern. Doch damit ist jetzt Schluss. Der Grund für den Verzicht auf Klaus Hammel sind aber nicht seine geschichtsrevisionistische Aktivitäten, sondern, so das Ministerium, angeblich sein Alter. »Der angesprochene militärhistorische Begleiter wird nach derzeitigem Kenntnisstand in Zukunft an dieser Weiterbildung für Zeit- und Berufssoldaten aus Altersgründen nicht mehr teilnehmen können.«

Inhaltlich weist die Bundesregierung die Vorwürfe gegen Hammel lapidar zurück. Ein »konservativ-rechtsextremes Netzwerk« sei ihr nicht bekannt und die privaten Ansichten von pensionierten Bundeswehroffizieren kommentiere man nicht.

Wie ND berichtete, verharmlost Hammel in seinen »wissenschaftlichen« Veröffentlichungen die Kriegsverbrechen der Wehrmacht. Bis zu seinem Ausscheiden 1997 war er Stabschef der 1. Gebirgsdivision. Seitdem ist Hammel als freier Publizist sowohl in der Zeitschrift »Gebirgstruppe« wie auch in anderen rechten Blättern wie in der »Jungen Freiheit«, bei der »Sezession« und im Veteranenblatt »Alte Kameraden« ein gern gesehener Autor. Hammel kämpft für den Mythos der »sauberen Wehrmacht« an allen Fronten.

In einem Buchbeitrag versuchte er nachzuweisen, dass erst die grausame Kriegführung der sowjetischen Partisanen zu Übergriffen der Wehrmacht geführt hätte. Im gleichen Aufsatz verteidigt er die deutschen Soldaten als »Kinder ihrer Zeit«. Die »Gleichgültigkeit und Unmenschlichkeit«, so seine Umschreibung von Holocaust und Vernichtungskrieg, wären auch durch den »Erfahrungshorizont« des russischen Bürgerkriegs, der Nachkriegskämpfe in Deutschland, im Baltikum und im Spanischen Bürgerkrieg beeinflusst worden. Gleichfalls habe, so Hammel, die angebliche »herausragende Rolle der jüdischen Intellektuellen« in den »bolschewistischen Führungskadern« dazu beigetragen »Hemmschwellen« herabzusetzen.

Auch die einschlägigen Befehle der Wehrmachtsführung, die »Hungerwaffe« gegen die ukrainische Zivilbevölkerung einzusetzen, die zusätzlich die Halbierung der Lebensmittelrationen für Juden einschlossen, verharmlost er zu einer ausdrücklich nicht antisemitisch begründeten »schmerzlichen Prioritätenentscheidung« der Wehrmachtsführung.

So ist es nicht verwunderlich, dass Hammel 2005 zu den Mitunterzeichnern des in der »Jungen Freiheit« abgedruckten Aufrufs »Gegen das Vergessen« gehört, der den 8. Mai 1945 als »Niederlage« der Deutschen Wehrmacht interpretiert. Weiter verteidigt Hammel den revisionistischen General a.D. Gerd Schultze-Rhonhof, der die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg abstreitet. Als Reaktion auf die Ausladung von Schultze-Rhonhof von einer Veranstaltung der Clausewitzgesellschaft protestierte Hammel öffentlich mit den Worten: »Schultze-Rhonhof ist nicht irgendein 'Rechtsradikaler', sondern ein von allen fachlich wie menschlich hochgeschätzter ehemaliger Truppenführer unserer Armee, der sich für alle, die ihn kennen, durch besonders sorgfältiges Analysieren und tiefergehendes Nachdenken auszeichnet.«

Damit unterstützt Hammel Aussagen von Schultze-Rhonhof, der u.a. verbreitet, Hitler sei es beim Kriegsausbruch 1939 »ursprünglich nur um die Menschenrechte der deutschen Minderheit in Polen und um die Heimkehr der Danziger Bevölkerung in ihr Mutterland« gegangen. Der Krieg habe sich gegen Hitlers Willen ausgedehnt.

Solche Behauptungen gehören übrigens nach Ansicht von seriösen Historikern zum klassischen Repertoire rechtsextremer Geschichtsrevisionisten und in der Bundeswehr wohl nicht zum Rüstzeug für militärgeschichtliche Wanderungen.

Klaus Hammel muss sich jetzt wohl auf seine Flachlandexkursionen mit dem »Freundeskreis Offiziere Panzertruppe« in Verdun und Flandern konzentrieren. Zuletzt hat man ihn auf der Geburtstagsparty des geschichtsrevisionistischen Militärhistorikers Franz W. Seidler in München gesehen.

Die interessierte Öffentlichkeit kann das angeblich nicht existierende rechte Netzwerk spätestens zur Brendtenfeier der Gebirgsjägerveteranen am 17. Mai 2009 in Mittenwald besichtigen, wenn der Staatssekretär im Verteidigungsministerium Christian Schmidt (CSU) ganz einträchtig neben rüstigen NS-Kriegsverbrechern der Soldatenmesse lauscht. Auch der Wanderführer außer Dienst Klaus Hammel wird dann vermutlich wieder zu Fuß den Berg zur Soldatenfeier erklimmen.

* Aus: Neues Deutschland, 24. Dezember 2008


Zurück zur Bundeswehr-Seite

Zurück zur Homepage