Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Schwarzbuch zur Sicherheits- und Militärpolitik Deutschlands

Die Bundestagsfraktion DIE LINKE legt eine umfassende Kritik am "Weißbuch" der Bundesregierung vor - Inhalt, Vorwort und weitere Informationen

Im Mai 2007 legte die Fraktion DIE LINKE im Bundestag ein "Schwarzbuch zur Sicherheits- und Militärpolitik Deutschlands" vor - ein kritisches Gegenstück zum "Weißbuch" der Bundesregierung, das ein gutes halbes Jahr vorher verabschiedet worden war (vgl. hierzu z.B. "Entmilitarisierung oder Militarisierung?"). Die über 150 Seiten dicke Broschüre, in der neben Politikern namhafte Friedensforscher/innen zu Wort kommen, könnte sich zu einem nützlichen Vademecum für die kritische Diskussion um die künftige deutsche Sicherheitspoilitik entwickeln.
Im Folgenden dokumentieren wir eine Pressemitteilung des Bundestagsabgeordneten Paul Schäfer zur Vorlage des "Schwarzbuches" sowie dessen Inhaltsverzeichnis und Vorwort (verfasst von Monika Knoche, MdB). Am Ende folgt die Bestelladresse für die kostenlos abgegebene Broschüre. Sie ist im Übrigen im Internet herunterzuladen unter: http://dokumente.linksfraktion.net.



Schwarzbuch soll "Wandel durch Aufklärung" fördern

Scharfe Kritik am sicherheitspolitischen Kurs der Bundesregierung hat der verteidigungs- und abrüstungspolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE., Paul Schäfer, geäußert. „Die Bundesregierung und DIE LINKE. vertreten Grundkonzepte, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Um diese fundamentalen Unterschiede zu verdeutlichen, stellt DIE LINKE. dem Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr ein Schwarzbuch gegenüber. Hier zeichnen wir ein Bild deutscher Sicherheitspolitik jenseits des moralischen Deckmantels, den die Bundesregierung ihrem militärinterventionistischen Ansatz umhängt“, sagte Schäfer auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des „Schwarzbuches zur Sicherheits- und Militärpolitik Deutschlands“. Mit der Veröffentlichung solle eine breite und kritische Debatte angestoßen werden: „Ziel des Schwarzbuches ist Wandel durch Aufklärung“, erklärte Schäfer weiter.

Als Hauptfelder der Auseinandersetzung nannte Schäfer das Verhältnis zum Völkerrecht, die Rolle multinationaler Institutionen, Ressourcen- und Abrüstungspolitik sowie Struktur und Selbstverständnis der Bundeswehr. „Bei jedem dieser Punkte stemmt sich DIE LINKE. gegen die Richtung, in die die Bundesregierung marschieren will“, erklärte Schäfer. „Dennoch zeigt das Schwarzbuch nicht nur punktuelle Defizite deutscher Sicherheits- und Militärpolitik auf. Es kritisiert vielmehr den generell falschen Ansatz, der nicht den Frieden fördert, sondern eine Quelle globaler Instabilität und der Konflikte darstellt.“

Das Schwarzbuch sei Ergebnis einer breiten Zusammenarbeit friedensorientierter Kräfte, betonte Schäfer: „An der Entstehung waren nicht nur Fachpolitiker beteiligt, sondern auch prominente Mitglieder der Friedensbewegung, Wissenschaftler und kritische Militärs.“ Sie wendeten sich gegen die Revitalisierung des Krieges als Mittel deutscher Politik und argumentierten für eine Stärkung der UNO anstelle des Umbaus von EU und NATO zu globalen militärischen Akteuren. Sie erklärten, dass Ressourcensicherung nicht den Streitkräften obliegen dürfe, sondern Aufgabe internationaler Diplomatie und verantwortungsvoller Energiepolitik sei. Sie begründeten die Forderung nach rigoroser Abrüstungspolitik und verteidigten besondere Bundeswehr-Errungenschaften wie die Konzepte „Bürger in Uniform“ und „Innere Führung“ gegen die Forderung nach dem archaischen Kämpfer als Ideal des Soldaten.

Pressemitteilung von Paul Schäfer, MdB, am 11. Mai 2007


Schwarzbuch zur Sicherheits- und Militärpolitik Deutschlands

Inhaltsverzeichnis

Vorwort (Monika Knoche, siehe unten)

Deutschland verweigert den Kriegsdienst – Schwarzbuch contra Weißbuch (Wolfgang Gehrcke / Paul Schäfer)

Das Elend der Traditionspflege oder vom „größeren Zusammenhang der Geschichte“ (Jakob Knab)

„Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt“ – Afghanistan und die Folgen (Peter Strutynski)

Die Revitalisierung des Krieges als Mittel deutscher Politik (Heinz Loquai / Alexander S. Neu)

Zivil-militärische Zusammenarbeit (CIMIC bzw. ZMZ) aus friedenspolitischer Sicht (Werner Ruf)

Deutschlands „Interessen“ (Strausberger Kreis)

Militärische Sicherung der globalen Energieressourcen? Eine umfassende alternative Energiepolitik ist nötig! (Monika Knoche / Manuel Faber)

„Bürger in Uniform“: Ein Potemkinsches Dorf verfällt (Frank Brendle)

Kommando Spezialkräfte (KSK): Die Spezialtruppe der Exekutive (Claudia Haydt)

Erlebnisbericht zum Irak-Krieg (Florian Pfaff)

Erlebnisbericht zum Afghanistan-Krieg (Christiane Ernst-Zettl)

Skandal-Kalender (Michael Banholzer)

NATO First? – Rückwärtsgewandter Atlantizismus als Hemmschuh für die gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (Jürgen Rose)

Deutschland und die Militarisierung der Europäischen Union (Jürgen Wagner / Tobias Pflüger)

Ausweitung der Kampfzone – Die Bundesregierung will die Bundeswehr auch im Inland schießen lassen (Ulla Jelpke)

Untertanin oder Gender-Piratin? – Frauen in Bundeswehr-Uniform (Ulrike Gramann)

Wehrpflicht: Der deutsche Sonderweg (Ralf Siemens)

„Armee der Arbeitslosen“: Sozialabbau als Rekrutierungshilfe der Bundeswehr (Jonna Schürkes)

Rüstung für den Angriff – teuere Projekte für globale Machtprojektion (Strausberger Kreis)

Das Weißbuch hat die Abrüstung „vergessen“ (Strausberger Kreis)

Die US-Air-Base Ramstein, die Kaiserslautern Military Community und der Ramsteiner Appell (Wolfgang Jung)

Ramsteiner Appell: Angriffskriege sind verfassungswidrig – von deutschem Boden darf kein Krieg ausgehen!

Luft/Boden-Schießplatz Kyritz Ruppiner Heide- BOMBODROM. Der Kampf der Bürgerinitiativen (Kirsten Tackmann)


Vorwort

Die Bundesregierung hat nach 13 Jahren im Oktober 2006 wieder ein „Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr“ vorgelegt. Unter der rot-grünen Bundesregierung oft angekündigt, hat es erst die neue schwarz-rote Regierung nach langem Ringen erarbeitet.

Der erste bekannt gewordenen Entwurf von Juni 2006 wurde den Abgeordneten des deutschen Bundestages nicht zur Kenntnis gegeben. Das Parlament konnte darüber nicht beraten. Die Formulierung der Außen- und Sicherheitspolitik in Form des Weißbuchs wurde, wie auch schon in der Vergangenheit, als Vorrecht der Exekutive behandelt. Immer noch tut sich die deutsche Politik schwer, die Außen- und Sicherheitspolitik einer demokratischen Mitgestaltung und Kontrolle zu unterwerfen. Im Gegensatz zu den Abgeordneten erhielten ausgesuchte Journalisten auf vertraulicher Basis den Entwurf, ohne ihn veröffentlichen zu dürfen. Dennoch kam er an die Öffentlichkeit, und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages konnten ihn über das Internet einsehen. Dem Parlament als Legislative und als Kontrollinstanz werden diese Funktionen in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik seitens der Exekutive ganz offensichtlich nicht zugestanden. Die VolksvertreterInnen müssen jedoch ihre Kontrollrechte direkt ausüben können. An diesem Verständnis der parlamentarischen Demokratie muss festgehalten werden.

Das Weißbuch der Bundesregierung widerspricht den friedenspolitischen Vorstellungen der Bundestagsfraktion DIE LINKE. fundamental. Die in dem Weißbuch beschriebenen Strategien erzeugen nicht mehr Sicherheit und Frieden, sondern im Gegenteil weniger Sicherheit und mehr Konflikte. Obschon täglich das Scheitern der konventionellen Sicherheitspolitik im Kampf gegen den Terror, im Umgang mit dem Internationalen Recht nicht zu übersehen ist, hält man an ihr fest. Um für eine konstruktive Kritik und die strategische Option einer zivilen Außen- und Sicherheitspolitik zu werben, haben wir uns entschlossen, eine Gegenpublikation zu veröffentlichen:
Das „Schwarzbuch zur Sicherheits- und Militärpolitik Deutschlands“.

Das Schwarzbuch soll dazu beitragen, die sich selbst glorifizierende deutsche Sicherheitspolitik zu entzaubern und aufzuzeigen, dass ihre Strategien nicht konfliktmindernd und friedensfördernd sind.

DIE LINKE. hat hierzu eine Vielzahl von Personen als AutorInnen gewinnen können, die aus unterschiedlichen Lebens- und Erfahrungsbereichen berichten. Neben Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE haben kritische Angehörige der Bundeswehr, VertreterInnen von Friedensorganisationen und wissenschaftliche ExpertInnen Beiträge beigesteuert.

Die AutorInnen geben nicht in jedem Fall die Meinung der Bundestagsfraktion wieder, so dass mitunter divergierende Einschätzungen über denselben Gegenstand erkennbar sind. Diese Meinungsvielfalt ist von der Fraktion DIE LINKE. ausdrücklich erwünscht. Es gibt allerdings unter den AutorInnen einen friedenspolitischen Grundkonsens, der sich vor allem in den Forderungen nach Abrüstung, ziviler Krisenvorbeugung und der Ablehnung einer wie auch immer begründeten militärisch gestützten Außenpolitik manifestiert.

Monika Knoche,
Stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Leiterin des AK Internationale Politik
Berlin, im März 2007


Bestelladresse:
Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: 030/ 22 75 11 70, Fax: 030/ 22 75 61 28
E-Mail: fraktion@linksfraktion.de


Zurück zum Dossier "Weißbuch der Bundesregierung"

Zurück zur Bundeswehr-Seite

Zur Seite "Deutsche Außenpolitik"

Zurück zur Homepage