Bundeswehr rekrutiert getarnt an Schulen
Linkspartei und Initiativen protestieren in Berlin gegen Anwerbungsversuche der Militärs
Von Nissrine Messaoudi *
Die Bundeswehr sucht Rekruten und zwar dort, wo es potenziellen Nachwuchs gibt – an Schulen.
Jungoffiziere sollen Schülern eine Militärkarriere schmackhaft machen. Die Linkspartei und
Schülerinitiativen rufen zur Protestkundgebung gegen das Auftreten der Militärs an einer Berliner
Oberschule am Freitag (26. März) auf.
Informationsveranstaltungen werden die Besuche der Jungoffiziere an Schulen genannt, bei denen
sie mit den Jugendlichen über »Auslandseinsätze« sprechen – und ganz nebenbei eine Karriere als
Berufssoldat anpreisen. In den letzten drei Jahren wurde in Berlin ein Drittel aller Oberstufen
besucht. Von den rund 100 Veranstaltungen waren nur 11 zusammen mit Vertretern von
Zivildienstanbietern arrangiert. Seit 2007 nahmen 11 127 Schüler an Vorträgen über »Politik und
Internationale Sicherheit« teil, wie aus einer Anfrage des Abgeordneten Steffen Zillich (LINKE) vom
18. Dezember 2009 hervorgeht. Mit weiteren »Rekrutierungsaktionen«, wie der Teilnahme am Girls'
Day – Mädchen verbringen einen Tag bei der Bundeswehr –, bemüht sich der Bund vermehrt um ein
positives und jugendliches Image. Trotz Tarnkleidung bleiben die Rekrutierungsversuche jedoch
nicht im Verborgenen: Gegen das Treiben formiert sich Widerstand. Die Linkspartei, die
Landesschülervertretung Berlin und die unabhängige Schüler-Initiative Klassen-Kampf Süd-West
rufen für den kommenden Freitag um 9.30 Uhr vor das Schadow-Gymnasium im Berliner Stadtteil
Steglitz-Zehlendorf zum Protest.
»Im Rahmen der Schulpflicht darf nicht für den Dienst an der Waffe geworben werden«, moniert
Sebastian Schlüsselburg, Mitglied im Landesvorstand der Berliner LINKEN, der sich besonders über
die Grünen wundert: Nach einem Beschluss der schwarz-grünen Zählgemeinschaft in der
Bezirksverordnetenversammlung (BVV) erhält die Bundeswehr einen erleichterten Zugang zu
Schulen in Steglitz-Zehlendorf. Die Grüne Jugend Steglitz-Zehlendorf hingegen distanziert sich vom
BVV-Beschluss, da sie einen »eindeutigen Bruch mit den friedenspolitischen Idealen« der Grünen
sieht.
»Es kann nicht sein, dass Schüler einseitig beeinflusst werden, das Neutralitätsprinzip muss an
Schulen gewahrt werden«, sagte Schlüsselburg gegenüber ND. Zusammen mit Stefan Liebich,
Mitglied des Deutschen Bundestages (LINKE), stellte er am Mittwoch in Berlin eine Untersuchung
des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes zum Thema »Bundeswehr im Schulunterricht« vor, die
die Einwände der Linkspartei bestätigt. Obwohl Informationen über die Bundeswehr im Pflichtteil des
Schulunterrichts verfassungsrechtlich zulässig seien, müsse die Schule, wenn es um
Karrierechancen bei der Bundeswehr gehe, auch Berufsmöglichkeiten außerhalb des Militärs
aufzeigen. Geht es um politische Themen, seien ausgewogene politische Sichtweisen zu vermitteln,
heißt es im Gutachten.
Die Präsenz der Bundeswehr an Schulen beschränkt sich indes keineswegs auf Berlin: In Baden-Württemberg, im Saarland und in Nordrhein-Westfalen ist die Zusammenarbeit sogar intensiviert
worden. Die Kultusministerien haben Kooperationsvereinbarungen mit der Bundeswehr getroffen,
die auch Lehrkräften Seminare zur »Sicherheitspolitik der Bundeswehr« anbietet. Außerdem sollen
die Schulen »Bildungsangebote« beim Bund im Unterricht und in den Onlinemedien des
Kultusministeriums propagieren (so steht es im Kooperationsvertrag mit Baden-Württemberg).
Doch auch der Widerstand wächst. Anfang des Jahres gingen rund 500 Menschen in Freiburg im
Breisgau gegen das Militär an Schulen auf die Straße. Verschiedene Bündnisse und Elternbeiräte
tun sich zusammen. »Killerspielen und Musikern wird wiederholt vorgeworfen, Auslöser für
Amokläufe zu sein. Wenn es aber darum geht, Jugendliche auf den tatsächlichen Kampfeinsatz
vorzubereiten, auf das wirkliche Töten von Menschen, scheinen die Bedenken in Luft aufgelöst«,
heißt es in einer Mitteilung der Landesschülervertretung Berlin.
»Wir werden weiterhin öffentlich protestieren und mit Eltern und Lehrern Flugblätter konzipieren«,
bekräftigt Schlüsselburg das weitere Vorgehen. Unter anderem sollen darauf Kontaktdaten von
Antimilitaristen stehen, die man für eine ausgewogene Informationsveranstaltung einladen könnte.
* Aus: Neues Deutschland, 25. März 2010
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