Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Schüler im Schießsimulator

Protest gegen Bundeswehrpräsenz auf Azubimesse in München. Neue Fehlleistung der Truppe bei Kiel

Von Michael Schulze von Glaßer *

Mitglieder der DKP-Jugendorganisation SDAJ haben am Wochenende gegen die massive Präsenz der Bundeswehr auf einer Berufsbildungsmesse in München protestiert. Etwa 20 Aktivisten wandten sich mit Transparenten gegen den Einsatz in Afghanistan und die Selbstdarstellung der Truppe als »normaler Arbeitgeber«. Sicherheitskräfte und Polizisten drängten die Demonstranten jedoch umgehend aus den Ausstellungsräumen und erteilten Hausverbote, weshalb die Jugendlichen die Plakate vor dem Messegelände zeigten. Die Aktion war Teil einer bundesweiten Kampagne der SDAJ gegen die Präsenz des Militärs auf Berufsbildungsmessen, Schulhöfen und in Klassenzimmern.

Unterdessen hat die Bundeswehr in Schleswig-Holstein am 8. März erneut 50 Schüler auf ein Militärgelände eingeladen und wieder mit Hilfe eines Schießsimulators die Werbetrommel gerührt: »Das ist ja noch viel toller als jedes Ballerspiel am PC«, wurde kürzlich ein junger Teilnehmer in den Kieler Nachrichten zitiert.

Bereits im Oktober 2009 war ein Schülerausflug zur Truppe in Schleswig-Holstein kritisiert worden: 18 Schüler einer achten Klasse besuchten damals die Eutiner Rettberg-Kaserne. Für einen Skandal sorgte dabei das Anpreisen eines 370000 Euro teuren Schießsimulators durch einen Oberstabsfeldwebel. »Habt ihr eine Playstation zu Hause? Das macht bestimmt Spaß oder? Das hier ist aber 1000 Mal besser!«, wurde er in der Lokalzeitung zitiert. Selbstverständlich durften die Schüler den Simulator auch ausprobieren und anschließend einen Spähpanzer vom Typ »Fennek« begutachten. Einige Tage später hagelte es Kritik von Eltern und Politikern. Viele entsprechende Leserbriefe gingen bei der Lokalzeitung ein. »Wir versuchen unsere Kinder von Ballerspielen fernzuhalten– und dann passiert in der Kaserne so was!«, empörte sich die Mutter eines der Jugendlichen. Tadel kam auch vom FDP-Landtagsabgeordneten Ekkehard Klug, der die Schießsimulatorpräsentation »pädagogisch nicht vertretbar« nannte und das Militär aufforderte, solche Vorführungen künftig zu unterlassen. Auch Grüne und Linkespartei protestierten.

Die Bundeswehr bedauerte den Vorfall zwar, zog aber offenbar keine Konsequenzen, wie die Berichte über die Veranstaltung am 8. März zeigen. Die Schüler konnten sich dabei auf dem Gelände des Flugabwehrschießplatzes in Todendorf östlich von Kiel an fünf Stationen über den Dienst beim Militär informieren. Dabei durften sie im Schießsimulator auch den Gebrauch von Handfeuerwaffen üben. Die Bundeswehr feierte das Event als Erfolg: Oberstabsfeldwebel Bernd Goldbach kündigte an, solche Besuchertage für Schüler von nun an einmal pro Quartal organisieren zu wollen.

Der Plan könnte aber vorerst mangels Nachfrage scheitern, denn auch die Veranstaltung am 8. März zog zahlreiche Unmutsbekundungen nach sich. Der Direktor des Berufsbildungszentrums Plön, aus dem die Schüler kamen, hat sich bereits bei der Bundeswehr beschwert und erklärt, seine Einrichtung werde die weitere Zusammenarbeit mit ihr beenden. Außerdem soll der Umgang mit den Militärs auf der nächsten Dienstversammlung der Schulleiter berufsbildender Schulen angesprochen werden, um derartige Vorfälle künftig zu vermeiden.

* Aus: junge Welt, 24. März 2010


Zurück zur Bundeswehr-Seite

Zurück zur Homepage