Geschwader billig abzugeben
Entbehrliches wird zu Geld gemacht
Von René Heilig *
Am heutigen Donnerstag wird die Bundeswehr samt ihrer Reform
Thema im Bundestagsplenum sein. Grundlage für die Debatte
sind die Antworten der Bundesregierung auf eine Große Anfrage
der SPD-Fraktion. Die scheint von höchster Sorge um die Truppe
getrieben. Denn, so heißt es in den Vorbemerkungen der SPD-Verteidigungsexperten: »Die Bundeswehr ist in einem kritischen Zustand.« Mehr noch, die Stimmung in der Truppe schwanke zwischen
»angespannt und schlecht«.
Über zwei Jahre dauern bereits die
Planungen zur Reform der Bundeswehr.
Da sei es an der Zeit, mal kritisch nachzufragen, wie und
wann – oder ob überhaupt – die
Planungsziele für die reformierte
Einsatzarmee erreicht werden.
Denn, so konstatiert die SPD-Fraktion
in ihrer Großen Anfrage an die Bundesregierung, die heute
im Bundestagsplenum diskutiert wird: »Unter dem Zwang der Haushaltskonsolidierung wurde die Wehrpflicht überhastet ausgesetzt.
Das angekündigte Konzept zur Stärkung der Freiwilligenkultur
in unserem Land gibt es nicht. Die festgelegten Umfangszahlen beim Zivilpersonal entsprechen nicht dem Bedarf einer leistungsfähigen
aufgaben- und einsatzorientierten Bundeswehr.«
Damit nicht genug: Alle bisherigen
Fähigkeiten sollen nach dem Grundsatz »Breite vor Tiefe« beibehalten
werden. Doch das gehe zu Lasten der Intensität und der
Durchhaltefähigkeit. Vorhandene Fähigkeitslücken würden nicht
geschlossen und so manche kadermäßige Umbauarbeit sei nur geeignet, gemeinsames Handeln der Teilstreitkräfte zu erschweren. Die Sozialdemokraten vermissen Transparenz.
Die wird für all jene, die nicht
zu anspruchsvoll sind, auf 195
Seiten – so stark sind Fragen und
Antworten zusammengenommen –
durchaus hergestellt. Dutzende
fleißiger Rechercheure haben in
knapp einem Jahr querbeet zusammengetragen,
was es zur Truppe öffentlich zu sagen gibt.
Dass Verteidigungsminister
Thomas de Maizière (CDU), der
heute zur Regierungserklärung
antreten wird, der vom SPD-Verteidigungsexperten
Rainer Arnold angeführten Miesmachertruppe
Paroli bieten wird, ist klar. Erstens
sowieso und zweitens ist Wahlkampf,
in dem das Thema Bundeswehr
und Auslandseinsätze eine
gewisse Rolle spielen.
Bereits in ihrer Antwort auf die Anfrage der SPD beruhigt die Regierung,
die Einsatzfähigkeit sei »die Messlatte für alle Reformbemühungen«. Es gelte, die Anzahl der verfügbaren Kräfte für den
Einsatz zu erhöhen, das Durchhaltevermögen
in ausgewählten Fähigkeiten zu steigern und ein
breites Fähigkeitsspektrum zur
Sicherstellung vielfältiger sicherheitspolitischer
Handlungsoptionen zu erhalten. Man habe sich
zum Ziel gesetzt, in Zukunft bis zu
10 000 Soldatinnen und Soldaten gleichzeitig mit Einsatzaufgaben
betrauen zu können.
Wenn das kein Qualitätssprung ist! Bislang keuchte die Truppe bereits,
wenn das Parlament bis zu 7000 Soldaten in die Welt hinaus
mandatierte. Auch was die Soldaten künftig bei den Einsätzen erwartet,
umschrieb die Regierung. Es seien »identische Anforderungen« wie beim ISAF-Einsatz in Afghanistan
oder denen auf dem Balkan. Kurzum: Es geht um Krieg,
den man im vorliegenden Dokument
mehrfach unter einem »breiten Spektrum an militärischen
Optionen« subsumiert. Fazit:
An politischen Reformen haben
weder die fragende SPD noch die
antwortende schwarz-gelbe Regierung
Interesse.
Die umfangreichen Antworten
lassen im Detail durchaus neue
Fragen zu. Zum Beispiel die: Wem
hilft man demnächst beim Auf- oder
Ausbau einer Luftwaffe? Denn: 58 Tornado-Kampfjets werden
in den kommenden Jahren ausgesondert – zwei kampfstarke
Geschwader. Die überzähligen Maschinen »unterliegen einer intensiven
Ersatzteilgewinnung für den Betrieb der Restflotte«. Klar,
was kannibalisiert wurde, lässt sich nicht durch andere weiternutzen.
Doch der Trick mit der Ersatzteilgewinnung
ist bekannt. Er wurde auch angewandt, als man
die Alpha-Jet-Geschwader stillgelegt
hat. Dann tauchten 1999 rund zwei Dutzend der Ausbildungsflugzeuge
in Thailand auf. Bewaffnet wie Kampfflugzeuge. Gerne
hätte man doppelt so viel geliefert,
doch die US-Konkurrenz verhinderten
das komplette Geschäft.
2013 beschwichtigt nun die Bundesregierung: »Inwieweit
auszusonderndes Wehrmaterial an andere Länder abgegeben wird,
steht noch nicht fest. Dementsprechend
ist auch eine Einschätzung der zu erwartenden Einnahmen
derzeit nicht möglich.« Klartext: Es wird verscheuert, was zu verscheuern
ist. »Im Rahmen der gültigen Bestimmungen«, liest man – und erinnert sich an den gerade bestätigten »Leoparden«-Panzer-
Deal mit Indonesien. Da spielte die
Menschenrechtssituation im Empfängerland nicht die geringste
Rolle. Im Gebrauchtwaffenangebot
sind weitere Bundeswehr- Schnäppchen. So mustert die Luftwaffe
neben den Tornados fast 200 Hubschrauber, 35 Transall-
Transporter sowie 14 Patriot-Raketensysteme
aus. Die Marine will sieben Fregatten, acht Schnellund
diverse Minenjagdboote sowie
über 40 Helikopter außer Dienst
stellen. Das Heer schlägt »Leopard
«- und Transportpanzern los.
Wichtig ist es der Bundesregierung
festzustellen, dass sie
»grundsätzlich keine aktive rüstungsexportfördernde
Politik« betreibt. Lediglich »im Einzelfall
kann eine politische Flankierung
und konkrete Unterstützung eines
Ausfuhrvorhabens erfolgen«. Dass
neben ihren Ministern die Kanzlerin
selbst bei Staatsbesuchen
deutsche Waffen offeriert, fällt bei
der Beantwortung von Abgeordnetenfragen
also nicht ins Gewicht.
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 16. Mai 2013
Hrsg. vom Bundesministerium der Verteidigung, 8. Mai 2013 (pdf)
"Habicht" ist flügellahm
Deutsche Probleme mit Euro Hawk
Die Euro-Hawk-Aufklärungsdrohnen
werden nicht fliegen. Jedenfalls nicht für die Bundeswehr.
Die bekommt – wie »nd« vor
geraumer Zeit bereits berichtet hat
– keine luftfahrtspezifische Zulassung,
weil die US-Hersteller nicht
sagen, welche technischen Raffinessen
sie in die »Black box« eingebaut
haben.
Negativ ausgedrückt, wurden
bei dem geplatzten Projekt rund
560 Millionen Euro in den Sand
gesetzt. Positiv betrachtet, spart
man 500 Millionen Euro, weil die
vier Serienmaschinen, die dem bereits
fliegenden Demonstrator folgen
sollten, abbestellt werden.
Abseits vom Pekuniären gibt es
weitere Pro- und Contra-Sichten.
So kann es der Regierung nur gefallen,
dass sich die Öffentlichkeit
jetzt über die Euro-Hawk-Drohnen
ereifert. So rückt die gerade begonnene,
wesentlich bedeutendere
Debatte über den Ankauf bewaffneter
Drohnen in den Hintergrund.
Nur unter Fachleuten erörtert
wird der militärische Verlust, der
sich durch das geplatzte Euro-
Hawk-Projekt einstellt. Die Drohnen
wären in der Lange gewesen,
an jedem beliebigen Punkt der Erde
umfangreiche elektronische Aufklärung
zu betreiben. Mit den von
ihr aufgefangenen Radar-Signaturen
potenzieller Gegner hätte man
die Abwehreinrichtungen angreifender
deutscher Flugzeuge oder
Schiffe programmieren können und
sie so relativ immun machen können.
Beim Balkan-Krieg haben das
die USA besorgt. Deutschland
wollte sich von solchen Dienstleistungen
unabhängig machen. Vorbei!
Man bleibt das, was man war:
nur der kleine Neffe vom mächtigen
Uncle Sam.
hei
(nd, 16.05.2013)
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