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Geheimniskrämerei statt Transparenz? Der nicht ganz einfache Umgang der Bundeswehr mit den Medien

Ein Beitrag von Christian Peter in der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" *


Andreas Flocken (Moderation):
Militärs tun sich manchmal noch immer schwer beim Umgang mit der Presse. Obwohl die Ost-West-Konfrontation vor mehr als 20 Jahren zu Ende gegangen ist, gibt man sich gegenüber Medien oft noch sehr verschlossen, insbesondere wenn es um Affären oder Ungereimtheiten in der Truppe geht. Im Zeitalter des Internets werden schon längst bekannte Tatsachen häufig als militärisches Geheimnis betrachtet. Dabei bekennt sich die Bundeswehr offiziell zu Transparenz und Offenheit gegenüber der Gesellschaft. Dafür gibt es ein Heer von Presseoffizieren. Das Verhältnis zwischen Bundeswehr und Medien ist trotzdem nicht immer frei von Spannungen. Christian Peter weiß mehr:



Manuskript Christian Peter

Für den Umgang mit den Medien trainiert die Bundeswehr ihr angehendes Pressepersonal an der bundeswehreigenen Akademie für Information und Kommunikation in Strausberg in der Nähe von Berlin. Oberstleutnant Christian Rahn, Leiter für die Lehre und das Medientraining, war bereits als Pressesprecher im Verteidigungsministerium eingesetzt und verfügt daher über eigene Erfahrungen im Umgang mit den Medien. Für Rahn sind Journalisten keine Gegner, sondern Partner:

O-Ton Rahn
„Denn unser Credo muss es sein, dass wir fair mit der Öffentlichkeit umgehen. Dass wir der Öffentlichkeit transparent über unsere Aufgaben berichten. Aber wir erwarten genauso von dem Journalisten, dass er mit uns fair umgeht. Nicht, dass Dinge schöngeredet werden. Sondern, dass sie sachlich und neutral dargestellt werden. Wir wollen Objektivität. Wir wollen einfach sachlich über unseren Auftrag berichtet wissen.“

Dinge nicht schönreden, Transparenz herstellen. Doch wird die Bundeswehr diesen, bereits in der Ausbildung ihres Pressepersonals selbst gesteckten Zielen gerecht? Die Realität sieht manchmal anders aus. Zum Beispiel die Pressemitteilung des Verteidigungsministeriums vom 20. September mit der Überschrift: „Im SPIEGEL nichts Neues“ .

Das Hamburger Nachrichtenmagazin hatte über den zeitweiligen Ausfall der Navigationstechnik des Hubschraubers NH90 im Afghanistaneinsatz berichtet. Außerdem über Probleme mit dem Gewehr G36 - nicht zum ersten Mal. In der Pressemitteilung gab sich das Verteidigungsministerium über den Bericht des Magazins empört. Die Probleme seien bekannt, und hätten keine Auswirkungen auf die Einsätze. Außerdem habe sich bereits der Verteidigungsausschuss mehrfach mit dem Gewehr G36 beschäftigt. Und dann werden in der Erklärung des Ministeriums gegen das Hamburger Nachrichtenmagazin schwere Vorwürfe erhoben.

Zitat
„Auf Grund der wiederholten Berichterstattung des SPIEGEL besteht Anlass für die Vermutung, dass eine Geschichte konstruiert wird, die zwei Effekte verfolgt. Erstens: Die Projektbeteiligten pauschal und öffentlich zu diskreditieren. Zweitens, und das ist unverantwortlich: Die Verunsicherung der Angehörigen und Freunde der Soldatinnen und Soldaten im Einsatz zumindest billigend in Kauf zu nehmen.“

Starker Tobak. Erfinden Medien Geschichten, wenn sie sich wie beim NH90 auf bundeswehrinterne Angaben oder wie beim G36 auf anonyme Quellen berufen? Wollen sie die Bundeswehr diskreditieren? Oder aber hat das Verteidigungsministerium überreagiert? Keine Frage, die Bundeswehr versucht nach außen immer eine gute Figur zu machen, sich von der besten Seite zu zeigen – wie auch viele Unternehmen und Einrichtungen. Doch sie muss auch offen sein für Kritik von außen, und zwar mehr als andere Organisationen, findet Marco Seliger, Fachjournalist für Bundeswehr und Sicherheitspolitik:

O-Ton Seliger
„Jede große Institution versucht natürlich ihre Öffentlichkeitsarbeit so auszurichten, dass sie in den Medien positiv dargestellt wird. Insofern unterscheidet sich die Bundeswehr nicht von anderen Institutionen. Gleichwohl ist sie mit keiner anderen Institution der Bundesrepublik Deutschland vergleichbar. Nicht mal mit der Polizei. Denn Soldaten sind im Extremfall auch aufgefordert, Gesundheit und Leben zu geben, aber auch Leben zu nehmen, also zu töten. Das ist einmalig. Und insofern ist natürlich auch die Bundeswehr als Institution einmalig und insofern spielt sie eine Sonderrolle in der Wahrnehmung von außen, in der medialen Wahrnehmung und in der öffentlichen Wahrnehmung.“

Die Bundeswehr in einer Sonderrolle. In den Streitkräften selbst sieht man das häufig anders, vergleicht sich gerne mit Wirtschaftsunternehmen und anderen Großorganisationen.

Für Journalisten ist der Presse-und Informationsstab im Verteidigungsministerium die zentrale Ansprechstelle. Deren Presseoffiziere koordinieren und entscheiden, wer die Anfragen vor allem der elektronischen und überregionalen Medien beantwortet. Der Stab ist gegenüber sämtlichem Fachpersonal in der Informationsarbeit der Bundeswehr weisungsbefugt. Für verschiedene Themenbereiche gibt es jeweils einen bestimmten Sprecher. In den untergeordneten Bereichen gibt es Presse- und Informationszentren für bestimmte militärische Bereiche. In größeren Verbänden und Dienststellen gibt es einen hauptamtlichen Presseoffizier. In den Ebenen darunter sind nebenamtliche Presseoffiziere für die Presse ansprechbar. Doch immer öfter bekommen Journalisten hier inzwischen einen Korb, insbesondere bei kritischen Themen. Man will sich absichern, fragt erst einmal im Ministerium nach. Der Fachjournalist Marco Seliger.

O-Ton Seliger
„Schwieriger wird es halt, wenn es um die große Politik geht. Weil große Politik immer bedeutet, dass sich Politiker einmischen in die Arbeit, ob das der Verteidigungsminister ist, ob das Verteidigungspolitiker des Bundestages sind. Sobald es hier dazu kommt, wird die Medienarbeit der Bundeswehr restriktiver. Und man bekommt sehr schnell den Eindruck, dass sie nicht mehr offen, dass sie nicht mehr transparent und dass sie auch nicht mehr ehrlich ist. Und da fallen mir, um ehrlich zu sein, keine Beispiele ein, um zu sagen, da haben sie wirklich gute Pressearbeit betrieben.“

Besonders Radio und Fernsehen sind an schneller Berichterstattung und damit an einer schnellen Beantwortung von Presseanfragen interessiert. Doch der Behördenapparat der Bundeswehr reagiert oft sehr langsam. Tagelanges, manchmal sogar wochenlanges Warten auf eine Antwort sind keine Seltenheit. Oberstleutnant Christian Rahn bittet um Verständnis:

O-Ton Rahn
„Bisweilen braucht eine Antwort einfach auch ein wenig Zeit. Weil der Journalist mit einer ganz konkreten Frage kommt, er hat gegebenenfalls irgendein Thema recherchiert und konfrontiert jetzt einen Soldaten damit. Und der braucht manchmal ein wenig Zeit, weil es doch häufig auch um sehr komplexe Sachverhalte geht und, weil gegebenen Falles auch andere Stellen dann dafür verantwortlich sind. Und deswegen muss eine Antwort dann auch erarbeitet werden.“

Die Beantwortung von Journalisten-Anfragen durch die Bundeswehr kann also dauern. Und wenn Antworten dann endlich vorliegen, dann kommt es durchaus vor, dass die Antworten manchmal sehr allgemein und damit wenig aussagekräftig sind.

Vor dem Hintergrund eines Zwischenfalls mit der tragbaren Flugabwehrrakete Stinger auf dem Übungsplatz Putlos an der Ostsee hatte NDR Info vor einigen Wochen beispielsweise mehrere Fragen schriftlich an das Heereskommando gerichtet. U.a. wurde gefragt, wie ein normales Stinger-Übungsschießen aussieht. Die Antwort des zuständigen Großverbandes:

Zitat
„Die jeweilige Aufbau- und Ablauforganisation sind in den Schießvorschriften sowie den Übungsplatzbestimmungen eindeutig festgelegt. In jedem Fall darf erst nach Freigabe durch die Truppenübungsplatzkommandantur und den Leitenden geschossen werden.“

Eine unbefriedigende Antwort. Dahinter steckt oftmals die Angst der zuständigen Presseoffiziere, etwas Falsches zu sagen. Der im Umgang mit der Bundeswehr sehr erfahrene Fachjournalist Marco Seliger:

O-Ton Seliger
„Wie in jeder hierarchisch strukturierten Organisation, ist es natürlich auch in der Bundeswehr so, dass Mitarbeiter bestrebt sind, keine Fehler zu machen, möglichst nicht anzuecken, nicht aufzufallen vielleicht sogar, sondern, je nachdem welcher Laufbahn sie angehören, beispielsweise der Laufbahn der Offiziere. Sie wollen eine gute Beurteilung auf ihrem Posten haben. Um weiterzukommen. Das halte ich für durchaus nachvollziehbar, gleichwohl sehr bedenklich in den Auswirkungen. Denn tatsächlich führt es dazu, dass Pressearbeit vor allem ab einer bestimmten Ebene, in der sich dieser Mitarbeiter befindet, als Presseverhinderungsarbeit betrieben wird.“

Mit der Gefahr, dass sich Journalisten und damit die Öffentlichkeit genervt von der Bundeswehr abwendet. Insbesondere freie Mitarbeiter der Medien können es sich oftmals nicht leisten, für einen kleineren Beitrag tagelang auf Antworten der Bundeswehr zu warten. Dabei haben die Presseoffiziere durchaus einen Spielraum, aussagekräftige Antworten zu geben. Oberstleutnant Christian Rahn von der Akademie für Information und Kommunikation in Strausberg:

O-Ton Rahn
„In der Bundeswehr gibt es für jeden Bereich natürlich irgendwelche Rahmenweisungen. Und so gibt es die auch für die Informationsarbeit. Das bedeutet aber nicht, dass es irgendwelche inhaltlichen Vorgaben gibt. Sondern in der Bundeswehr ist es so, dass jeder im Rahmen seines Verantwortungsbereiches und seines Erfahrungsbereiches sprechen kann und das darstellt, wofür er auch Verantwortung trägt.“

Doch nicht jeder Presseoffizier ist bereit, diese Verantwortung zu übernehmen. Das Ergebnis sind dann schnell allgemeine und sich nicht an Journalistenfragen orientierende Auskünfte.

Journalisten haben meist einen Vergleich zu Ansprechpartnern in der zivilen Wirtschaft. Sie werten die Pressearbeit der Bundeswehr nicht selten als wenig flexibel. Was sollte die Bundeswehr also anders machen? Fachjournalist Marco Seliger:

O-Ton Seliger
„Also hier ist natürlich das Beispiel des Bombardements von Kunduz maßgeblich. Transparenz, Ehrlichkeit und Offenheit, auch, wenn mal etwas schief gelaufen ist. Man hat immer wieder den Eindruck, dass etwas verschleiert werden soll, verborgen werden soll, verheimlicht werden soll. Das ist vielleicht in manchen Fällen begründet, weil es der Geheimhaltung unterliegt. Aber insgesamt gesehen trägt es nicht wirklich zum Image der Bundeswehr bei, zum Ansehen der Bundeswehr in der Gesellschaft, aber auch in den Medien, die ja nicht ganz unmaßgeblich meinungsbildend in der Gesellschaft sind.“

Offiziell bemüht sich die Bundeswehr schon lange um Transparenz. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft noch immer eine große Lücke. Das aber ist kein Beitrag zu einer größeren Akzeptanz der Streitkräfte in der Öffentlichkeit.

* Aus: NDR Info STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN, 19. Oktober 2013; www.ndr.de/info


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