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SoMALIsches Mandatsgeflüster

Regierung lässt Bundeswehreinsätze nach Lust und Laune absegnen

Von René Heilig *

Von Woche zu Woche wächst die deutsche Beteiligung am Militäreinsatz in Mali. Doch erst Ende Februar wird die Regierung dem Parlament einen Mandatsentwurf vorlegen. Immerhin. Bei anderen Ausbildungseinsätzen holt das Verteidigungsministerium die Abgeordneten nicht in die Verantwortung. Beispiel Somalia.

Im Nordosten Malis ist es offenbar zu heftigen Zusammenstößen zwischen französischen Soldaten und islamistischen Kämpfern gekommen. Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian sprach gestern von einem »richtigen Krieg mit bedeutenden Verlusten«. Diese Töne sind neu. Bislang ließen die französischen Medienoffiziere, die die Berichterstattungshoheit innehaben, nur rasches Vorankommen ohne nennenswerte Gegenwehr zu.

Exakt zu jener Zeit, als die französischen Verbündeten im Gefecht standen, meldete sich das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam und teilte lakonisch mit: »Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat entschieden, dass die deutschen C-160 neben der Hauptstadt Bamako auch den Landeplatz Sevare-Mopti anfliegen können. Dieser Landeplatz liegt circa 140 Kilometer von der Kampfzone entfernt und wird nach derzeitiger Bewertung der Bedrohungslage als hinreichend befriedetes Gebiet eingestuft.«

Näher ran an den Feind will man also die Truppen schaffen, die aus anderen afrikanischen Staaten heranholt werden. Zugleich stockt Deutschland seinen Anteil an der EU-Ausbildungsmission auf, mit der man malische Streitkräfte auf Vordermann bringen will. Kurz vor der gestrigen EU-Truppenstellerkonferenz in Brüssel packte die Bundeswehr zu den avisierten 40 pioniertechnischen Ausbildern noch 40 Sanitätssoldaten drauf. Nicht unerwartet, denn sonst würde das von Deutschland zugesagte Feldlazarett nicht funktionieren. Ungarische Soldaten werden ebenfalls Lazarettdienste übernehmen, Belgien stellt die notwendigen MedEvac-Helikopter. Konkret nachlesen wird man den deutschen Kriegsbeitrag vermutlich »schon« in zwei Wochen, wenn am 19. Februar der entsprechende Kabinettsbeschluss gefasst und dem Bundestag zugeleitet wird. Das Parlament soll dann den Einsatz mandatieren.

Immerhin, für die Ausbildung malischer Soldaten wird ein Mandat durch die Abgeordneten erbeten. Das ist nicht selbstverständlich, wie es scheint. Bereits Anfang 2010 beschloss die EU, mit der Ausbildung von Soldaten für die somalische Übergangsregierung indirekt in den dortigen Bürgerkrieg einzugreifen. Insgesamt 100 Militärs sind eingesetzt, Deutschland stellt bis zu 20 ab. Ein Mandat für EUTM Somalia (EU Training Mission for Somalia) zu beantragen, sparte sich die Bundesregierung jedoch. Schließlich, so das Argument, findet der Drill nicht im Bürgerkriegsland selbst, sondern im ugandischen Bihanga statt.

In einem EU-Ratsbeschluss vom 22. Januar ist nun aber eine Ausweitung der Mission vorgesehen. Die Soldaten sollen künftig zusätzlich das somalische Verteidigungsministerium beraten und den Aufbau und die Stärkung der somalischen nationalen Streitkräfte unterstützen. Zugleich soll die EUTM-Ausbildung »in räumliche Nähe« zur somalischen Hauptstadt Mogadischu verlegt werden.

Die Logik sagt: Wenn man die Ausbildung aus einem relativ sicheren in ein Bürgerkriegsland - also näher ran an den Feind - verlagert, ist das Parlament einzubeziehen. Doch die Bundesregierung gab dem Linksabgeordneten Jan van Aken jüngst einen anderen Bescheid. Überaus schwammig formulierte man: »Wenn die Verlagerung von Ausbildungsteilen nach Somalia konkret ansteht und eine deutsche Beteiligung hieran geprüft wird, wird der deutsche Bundestag selbstverständlich eng eingebunden und - soweit erforderlich - ein Mandat beantragt werden.«

Überhaupt, alles sei erst spruchreif, wenn die Sicherheitslage in Teilen von Somalia insbesondere in Mogadischu als »ausreichend stabil« bewertet wird. Zudem müsse eine »logistische und sanitätsdienstliche Versorgung« sowie »die entsprechenden Sicherheitskräfte vorhanden« sein. Kurzum das, was in Mali derzeit geschaffen wird. Demnächst sogar mit Bundestagsmandat.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 07. Februar 2013


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