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Guttenberg besucht deutsches Feldlager in Afghanistan - Kundus-Massaker: KSK (Kommando Spezialkräfte) beteiligt

Die Wahrheit kommt nur zentimeterweise ans Licht


Guttenbergs Aufklärungsbesuch

Verteidigungsminister warb in Kundus bei Soldaten für den Untersuchungsausschuss *

Einen Tag nachdem erneut Details über den Luftangriff in Afghanistan bekannt wurden, besuchte Verteidigungsminister Guttenberg das deutsche Feldlager in Kundus.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist am Freitag (11. Dez.) gemeinsam mit den Obleuten der Bundestagsfraktionen zu einem Kurzbesuch nach Afghanistan gereist. Guttenberg warb im deutschen Feldlager in Kundus um Verständnis der Soldaten für den Untersuchungsausschuss zum Luftangriff auf zwei Tanklaster, bei dem 142 Menschen getötet wurden. Zugleich warnte er laut Bundeswehr vor einer Diskreditierung der Soldaten durch die Arbeit des Bundestagsgremiums, das sich am Mittwoch konstituieren soll. Dem Vernehmen nach soll der Minister nicht über die geplante Entschädigung für zivile Opfer gesprochen haben. Ebenso wenig habe er die Gründe für seine Kehrtwende in der Bewertung des Angriffs dargelegt, verlautete aus der Delegation.

Die Bundeswehr zitierte den Minister auf ihrer Homepage mit den Worten: »Hier besteht ein berechtigter Aufklärungsbedarf des Deutschen Bundestages (...). Ich möchte größtmögliche Transparenz gegenüber dem Parlament und dem deutschen Volk.« Dies dürfe aber nicht »zur Diskreditierung der Soldaten« führen, sondern müsse »zur Optimierung der Rechtssicherheit« beitragen. Für die Soldaten in Afghanistan müsse Rechts- und Handlungssicherheit bestehen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte in Berlin, dass Guttenberg im deutschen Feldlager nicht mit den Soldaten über die Vorgänge sprach, die während des Luftangriffs in Kundus waren. Am 5. Dezember habe das deutsche Kontingent turnusgemäß gewechselt. »Das Personal wurde zwischenzeitlich ausgetauscht«, hieß es.

Mit Blick auf die Situation in Kundus äußerte er erneut Verständnis dafür, dass Soldaten dabei von »Krieg« sprechen. »Wir wissen alle, dass dies auch ein Kampfeinsatz ist«, hatte zu Guttenberg vor seinem Abflug im ARD-Morgenmagazin gesagt. »Da dürfen wir nicht um den heißen Brei herumreden.« Am Donnerstagabend hatte Guttenberg eine Neudefinition der Ziele des internationalen Afghanistan-Einsatzes gefordert. »Afghanistan ist militärisch nicht zu gewinnen«, sagte Guttenberg in der ZDF-Sendung »Maybrit Illner«. Geklärt werden müsse nun, welche Ziele am Hindukusch »tatsächlich erreichbar« seien.

Laut Grünen-Politiker und Delegationsmitglied Omid Nouripour bat der Gouverneur im nordafghanischen Kundus Guttenberg dringend um mehr Hilfe beim Polizeiaufbau. Mohammad Omar habe dem Minister bei seinem Besuch dargelegt, dass der Region 1500 Polizisten fehlten, so Nouripour kurz vor dem Rückflug der Delegation nach Berlin. Es sei mehr Präsenz vor allem von afghanischen Polizisten nötig.

Die LINKE warf der Regierung vor, weiterhin nicht wahrheitsgemäß über den KSK-Einsatz in Afghanistan zu informieren. »Darüber kann auch die kurzfristige Reise des Verteidigungsministers mit den Obleuten der Fraktionen nach Kundus nicht hinwegtäuschen«, erklärte der LINKEN-Außenexperte Wolfgang Gehrcke.

* Aus: Neues Deutschland, 11. Dezember 2009


KSK - Kleins Spezialkräfte in Kundus

Eliteeinheit der Bundeswehr war am verheerenden Luftangriff auf Tanklaster beteiligt

Von Markus Drescher **


Die militärische »Eliteeinheit« der Bundeswehr, das Kommando Spezialkräfte (KSK), war in Afghanistan als Teil der geheimen Einheit »Taskforce 47« (TF 47) maßgeblich an dem Luftangriff nahe Kundus beteiligt.

TF 47 und KSK: Militär und seine Befehlshaber stehen auf Abkürzungen. So sehr, dass wohl grundsätzlich auch die Informationen zu Einsätzen »gekürzt« werden. Im Verborgenen lässt sich leichter Krieg führen - ohne lästige Fragen der Parlamentarier und Öffentlichkeit, die wie im jetzigen Fall Kundus Bundeswehr und Bundesregierung in Bedrängnis bringen.

Prinzipiell im Geheimen lässt die Bundesrepublik das Kommando Spezialkräfte (KSK) operieren. Die knapp über 1000 Mann starke Einheit ist spezialisiert auf Sonderaufträge im Ausland und »Terrorismusbekämpfung«. Nur sehr selten werden Details über die Einsätze des KSK bekannt - und das auch nur, wenn etwas »durchsickert«.

In ihrer gestrigen Ausgabe berichtete die »Bild-Zeitung« unter Berufung auf Informationen aus der Bundeswehr, dass das KSK maßgeblich an dem Luftangriff auf zwei von Taliban gekaperte Tanklaster in Kundus beteiligt war, bei dem 142 Menschen ums Leben kamen, darunter viele Zivilisten.

Demnach haben in der Nacht des Angriffs mindestens fünf Offiziere und Unteroffiziere des KSK den Kommandeur des Feldlagers der Bundeswehr nahe Kundus, Oberst Georg Klein, beraten. Der gesamte Einsatz sei laut dem Bericht aus einem Kommandostand der geheimen Einheit »Taskforce 47« (TF 47) im Feldlager geführt worden, die zur Hälfte aus KSK-Leuten besteht und Oberst Klein unterstanden haben soll.

Unter Hinweis auf deutsche Geheimhaltungsvorschriften habe das Einsatzprotokoll der TF 47 weder Eingang in den NATO-Abschlussbericht gefunden, noch wurden die Obleute des Verteidigungsausschusses am 6. November bei ihrer Information über die Taskforce über Details in Kenntnis gesetzt, bestätigt Paul Schäfer, Obmann der LINKEN im Verteidigungsausschuss gegenüber ND: »Über die konkreten Sachverhalte, die jetzt offengelegt wurden, gab es keine Informationen. Es wurde nur ein Teil der Wahrheit gesagt.«

Nach Informationen der »Leipziger Volkszeitung« war an der Planung und den Entscheidungen, die zum Luftangriff geführt haben, auch ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes vor Ort beteiligt. Das Blatt beruft sich auf streng vertrauliche Unterlagen der Bundesregierung, über deren Inhalt bereits Parlamentarier unterrichtet wurden, die mit der Kontrolle der Geheimdienste befasst sind.

»Die Bundesregierung muss endlich die Karten auf den Tisch legen. Auch über verdeckte Operationen der Bundeswehr in Afghanistan, gleichgültig unter welchem Namen und in welcher Formation diese durchgeführt werden, muss endlich umfassend Rechenschaft abgelegt werden«, so Schäfer. Gleichzeitig zeigt er sich besorgt über Rolle und Einfluss des KSK in Afghanistan, bei dem das »offensiv-kriegerische Element« stärker ausgeprägt sei. Zusammen mit Wolfgang Gehrcke, LINKE-Obmann im Auswärtigen Ausschuss, fordert Schäfer, dass die Obleute in den Ausschüssen für Verteidigung und Äußeres in einer sofortigen Sitzung umfassend informiert werden. Dies müsse spätestens Anfang nächster Woche geschehen.

Seit Mittwoch steht Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) in der Kritik, weil er offenbar trotz Kenntnis eines Berichts des Internationalen Roten Kreuzes über zivile Opfer den Luftangriff als »militärisch angemessen« bezeichnet hatte. Mit jedem neuen Detail über Bombardierung und Vertuschung wird der Druck auf die Verantwortlichen wachsen.

** Aus: Neues Deutschland, 11. Dezember 2009


Viele Täter

Von Jürgen Reents ***

»Keiner sieht sie kommen. Keiner weiß, daß sie da sind. Und wenn ihre Mission beendet ist, gibt es keinen Beweis dafür, daß sie jemals da waren.« - So umschrieb das Truppenmagazin »Die Bundeswehr« 1997 den Auftrag des damals gerade aufgebauten Kommandos Spezialkräfte. Die Spezialbrigade der Bundeswehr operiert unter so strikter Geheimhaltung, dass ihre Einsätze selbst der Kontrolle des Bundestages entzogen sind. Einiges sickerte dennoch durch: In Afghanistan waren KSK-Soldaten an mehreren Schlachten mit Hunderten von Toten beteiligt, begonnen bereits im Dezember 2001 in den Bergen von Tora Bora. Nach nun vorliegenden Informationen kam der Einsatzbefehl für den Luftangriff am 4. September nahe Kundus auf zwei geraubte Tanklaster ebenfalls aus dem geheimen Kommandostand des KSK. Man mag fragen, ob dieses Detail für die Bewertung des Angriffs mit vermutlich 142 Opfern wichtig ist. Die Antwort ist: Ja. Weil jedes neue bislang verschwiegene Indiz noch drängender fragen lässt, warum hier so viel verborgen wird. Und weil es die Frage stellt, von wie viel mörderischer Heimtücke der gesamte Krieg der Bundeswehr geleitet ist. Es sind Fragen, die sich nun an Guttenberg richten, die aber viel mehr an jene zu adressieren sind, die seit 2001 im politischen Kommandostab dieses Krieges saßen: Scharping, Struck und Jung, Schröder und Fischer, Steinmeier und Merkel. Für sie darf das KSK-Motto nicht gelten - dass ihre konkrete Mittat im Verborgenen bleibt.

*** Aus: Neues Deutschland, 11. Dezember 2009 ("Standpunkt")


Vorweihnachtlicher Blitzbesuch im Feldlager

Afghanistan: Verteidigungsminister Guttenberg drückt deutschen Besatzern seine »Wertschätzung« aus ****

Mit einem vorweihnachtlichen Kurzbesuch beglückte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Freitag die deutschen Besatzungstruppen in Afghanistan. Er wollte bei den Soldaten »Klarheit schaffen« über den Luftangriff vom 4. September, teilte die Bundeswehr mit. In den vergangenen Wochen war Guttenberg wegen offensichtlicher Fehlbewertungen und weiterer Details zu dem Bombardement, bei dem bis zu 159 Menschen starben, unter Druck geraten.

Nunmehr gab Guttenberg in Kundus zu, daß es noch »berechtigten Aufklärungsbedarf« gebe. Allerdings schränkte er diesen stark ein: Auf keinen Fall dürfe der anberaumte Untersuchungsausschuß des Bundestags zur »Diskreditierung der Soldaten beitragen«. Er wolle den Bundeswehrangehörigen »angesichts der in Deutschland geführten Debatten« seine »Wertschätzung für ihren Einsatz« in Afghanistan ausdrücken, sagte Guttenberg nach Ministeriumsangaben weiter. »Verständnis« habe er dafür, daß die Soldaten in Kundus von einem »Krieg« sprechen. »Wir wissen alle, daß dies auch ein Kampfeinsatz ist«, hatte zu Guttenberg vor seinem Abflug gesagt.

In der ARD rechtfertigte sich der Minister erneut für seine »Fehleinschätzung« des Luftangriffs, den er ursprünglich als »angemessen« verteidigt hatte. Zusätzlich unter Druck geraten war Guttenberg, nachdem bekanntgeworden war, daß die Bundeswehreliteeinheit »Kommando Spezialkräfte« (KSK) maßgeblich an dem Geschehen um den Luftangriff beteiligt war.

Die Linke warf der Regierung vor, weiterhin nicht wahrheitsgemäß über den KSK-Einsatz zu informieren. »Darüber kann auch die kurzfristige Reise des Verteidigungsministers mit den Obleuten der Fraktionen nach Kundus nicht hinwegtäuschen«, erklärte der Linken-Außenexperte Wolfgang Gehrcke. »Weder der Auswärtige noch der Verteidigungsausschuß wurden darüber informiert, daß KSK-Angehörige an der Entscheidung, Bomben auf die entführten Tanklastzüge abzuwerfen, mitgewirkt haben.« (AFP/AP/jW)

**** Aus: junge Welt, 12. Dezember 2009


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