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"Klassischer Luftangriff nicht überflüssig"

Konferenz des Handelsblatts: Rüstungsindustrie und die Bundeswehr planen für die Zukunft

Von Sebastian Carlens *

Das Militärgewerbe ist heutzutage vor allem eines: Ausgesprochen lukrativ. Deutsche Waffen sind Exportschlager, deutsche Soldaten auch. So nimmt es nicht Wunder, daß die zehnte Handelsblatt-Konferenz »Sicherheitspolitik und Verteidigungsindustrie«, die am Montag in Berlin begann, gut besucht ist – trotz Teilnahmegebühren von rund 2600 Euro. Rüstungsindustrielle treffen hier, im gediegenen Ambiente des Hotel InterContinental, höchstrangige Vertreter der Bundeswehr. Im Gegensatz zu staatlichen Veranstaltungen darf, im Rahmen einer privaten Konferenz, Klartext geredet werden. »Mein Feld ist die Welt«, zitierte Staatssekretär Rüdiger Wolf vom Verteidigungsministerium den einstigen HAPAG-Generaldirektor Albert Ballin in seiner Eröffnungsrede. »Dies gilt in abgeleiteter Form auch für die Bedeutung des Exportgeschäftes für die deutsche Industrie.« Und damit das auch so bleibt, sichert das deutsche Militär die Rohstoff- und Vertriebswege.

Martialisch mit dem Säbel gerasselt wird hier nicht, lockere Betriebswirtschafts-Anglizismen haben auch unter den Uniformträgern Einzug gehalten. »Pooling and sharing« ist die Devise der Bundeswehrreform; »Synergieeffekte« der Teilstreitkräfte sollen nutzbar gemacht werden; Verteidigungspolitik ist neuerdings »smart«. Vizeadmiral Axel Schimpf, Inspekteur der deutschen Marine, umreißt die Aufgaben seiner Teilstreitkraft als »militärisches Krisenmanagement«: Die »wertschöpfende und ungestörte Entwicklung der Wirtschaft«, der »freie und gesicherte Zugang zu den unterschiedlichsten Ressourcen« machten eine starke Marine unabdingbar. »Globalisierung und Ballung der Weltbevölkerung in Küstenregionen führen dazu, daß die deutsche Marine zukünftig in allen Konflikten eine wesentliche Rolle spielen wird.« Nah am Endkunden sozusagen. Allerdings fehlt den deutschen Seestreitkräften Nachwuchs. 2500 Stellen sind nicht besetzt. Aber: »Die Zusammenarbeit mit den deutschen Arbeitsagenturen ist sehr gut.«

»Luftmacht 2030« heißt das strategische Konzept der deutschen Luftwaffe. Deren Inspekteur, Generalleutnant Karl Müllner, hat es etwas einfacher als sein Kollege von der Marine: Die unbemannte Drohnentechnologie ist mittlerweile marktreif. »Eine Antwort auf die demographische Entwicklung« – wenn Menschen fehlen, schießen eben Roboter. Ob der Rückgang des romantisch umwehten »Fliegerberufes« nicht gleichzeitig wieder der Attraktivität des »Arbeitgebers Bundeswehr« schade, möchte ein Industrievertreter aus dem Publikum wissen. Nein, so weit will der Generalleutnant dann doch nicht gehen: »Der klassische Luftangriff wird im Jahr 2030 nicht überflüssig sein – ganz im Gegenteil!«

* Aus: junge Welt, Dienstag, 20. November 2012


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